Doch was ist dran an dieser Behauptung und was muss die Bauwirtschaft tun, um die Potenziale der Gebäudeautomation wirklich zu nutzen?
Smart Home hat es schwer in der Bauwirtschaft. Die Skepsis ist bei vielen Architekten, Ingenieuren, Energieberatern, Elektrikern und Heizungsbauern groß. „Das Licht geht doch mit dem Lichtschalter an.“ Warum soll man also Zeit und Geld in das Kennenlernen einer komplexen Technologie investieren, in der so viel IT und so wenig Bau zu stecken scheint? Doch die Digitalisierung steht nicht vor der Tür, auch bei der Bauwirtschaft steht die Digitalisierung schon im Flur oder gar im Wohnzimmer. Über kurz oder lang können sich die Bauleute auch der Digitalisierung der Gebäude mit Smart Home nicht entziehen.
Die Workshop-Reihe der RG-Bau im Rahmen der Fachtagung der SmartHome Initiative Deutschland e. V. in Hannover war ein erster Schritt, die Bauwirtschaft und Smart Home einander näher zu bringen. Der nächste war der gemeinsame Messeauftritt auf der BAU 2017 im Januar in München. Hier war die SmartHome Initiative Deutschland e. V. einer der Mitaussteller am Messestand der RG-Bau in der Halle B0 war. Viele Fachbesucher kamen, um sich über smarte Lösungen zu informieren und zu diskutieren. Im Zentrum der Aktivitäten stand jedoch die gemeinsame Fachveranstaltung „SmartHome – mit Gebäudeautomatisierung die Energiewende schaffen“ am 18. Januar 2017. Beinahe 80 Zuhörer, darunter Messebesucher, Energieberater und auch eine Berufsschulklasse angehender Bauzeichner, saßen im Publikum. Ganz allmählich wächst das Interesse am Thema Smart Home.
Doch zurück zu unserer Behauptung:
Fast alle, insbesondere aber die Bauwirtschaft, wollen den Energieverbrauch von Gebäuden verringern. Eine GfK-Studie bestätigt das. Mit 51 Prozent ist der meist genannte Grund für den Einstieg in Smart Home, Energie zu sparen. Durch einen bedarfsgeführten Anlagenbetrieb mit Smart Home können mehr Energie und Kosten gespart werden, als so mancher annimmt. Bei Nichtwohngebäuden hat eine Studie seines Lehrstuhls an der Hochschule Rosenheim Einsparpotenziale von 20 Prozent ermittelt. Das ist seit 2014 auch in die EnEV eingeflossen, wie genau können Sie hier nachlesen.
Die Haustechnik muss an die tatsächliche Nutzung angepasst werden. Das Potenzial von Smart Home für die Heizung geht dabei weit über das Bewegen der Heizungsventile hinaus. Nicht nur die Heizkörper, sondern auch die Wärmeerzeuger sollten effizient arbeiten. Volle Kesselleistung bei zugedrehten Heizkörpern, das ist nicht effizient. Häufiges Ein- und Ausschalten des Heizkessels oder der Dauerbetrieb von Zirkulationspumpen können sogar echte Energiefresser sein. Durch intelligente Regelung von Wärmeerzeugung und –speicherung kann teilweise mehr Energie gespart werden kann, als durch den Austausch von Heizkessel oder Zirkulationspumpe. Wichtig sei dabei stets die Rückkopplung von der Wohnung, besser noch aus allen Wohnungen im Haus, in den Heizungskeller. Das geht gut sehr gut mit Smart Home Technologie, die darüber hinaus noch eine Fernüberwachung möglich macht.
Und was für ein Wohngebäude funktioniert, hat auch Potenzial für das ganze Quartier. Folgerichtig wurden im Rahmen des Forschungsprojekts ProSHAPE alle Wohnungen eines Berliner Wohnquartiers mit Smart Home-Komponenten ausgestattet. Durch diese erhält die Heizzentrale nun aggregierte Wohnungsdaten zum Wärmebedarf. Durch einen kleinen Trick kann das Blockheizkraftwerk (BHKW) sogar stromorientiert betrieben werden, Heizwärme ist nur noch Nebenprodukt. Bei hohem Strombedarf entsteht überschüssige Wärme, die durch kleine Temperaturerhöhungen in den Wohnungen im Gebäude gespeichert wird. Auf diesem Wege können vorausaussichtlich 16 Prozent des Wärmeverbrauchs im Quartier (73 Megawattstunden) verschoben werden, so die Simulationsrechnung. Die Energiekosten könnten künftig im Quartier im Vergleich beinahe 30 Prozent unter dem Berliner Durchschnitt liegen, ganz ohne energetische Sanierung. Praktischer Nebennutzen der Smart Home-Technik sind die digitale Mieter/Vermieter-Kommunikation und die Möglichkeit zur Nachrüstung von lebensunterstützenden Assistenzfunktionen.
Und wie schaut es aus bei den modernsten Gebäudestandards, im Effizienzhaus Plus, das Aktivhaus® nach Prof. Sobek, welches es inzwischen auch unter ah-aktivhaus.com „von der Stange“ zu kaufen gibt oder das EnergiePlusHaus als Genusshaus, welches von einem kompetenten Handwerkernetzwerk errichtet wird? Hier wird auf Grund der guten Gebäudehülle nur noch wenig Energie benötigt. Dieser Energiebedarf wird aus überwiegend erneuerbaren Energiequellen im Gebäude selbst erzeugt. In der Gesamtbilanz erzeugen diese Häuser mehr Energie, als sie selbst verbrauchen. Oft dient das e-Auto auch als Stromspeicher.
Der Blick in den Haustechnikraum ist oft verwirrend. Photovoltaik und Wärmepumpe, Heizung, Lüftung und Stromspeicherung sollen energieeffizient und wirtschaftlich funktionieren. Für den Laien ist das schwierig. Smart Home-Lösungen können hier mehr als nur das Energiemonitoring in Modellvorhaben zu übernehmen. Sie können für eine intelligente Optimierung der Erzeugung, Speicherung, Eigenverbrauch und Einspeisung von Elektroenergie ins Stromnetz sorgen und sie können sogar lernen, sich am Bedarf der Bewohner zu orientieren. Allerdings darf der Energiebedarf von Smart Home nicht höher als der Einspareffekt sein. Das kann leider noch nicht jedes Smart Home System garantieren. Hier gilt es für die Bauwirtschaft, die richtigen Partner zur finden.
Wir haben also Recht!
Smart Home verbindet Energieeffizienz und Klimaschutz mit mehr Komfort und hilft zudem, Kosten zu sparen. Die professionelle Erstausstattung einer Zweizimmerwohnung ist schon zwischen 800 und 4.000 Euro möglich. Erreichbare Energieeinsparungen liegen bei ungefähr 20 Prozent, dazu kommen zahlreiche Funktionen für mehr Sicherheit und Komfort. Auch guter Datenschutz ist nicht wirklich schwieriger als bei Computer oder Smartphone zu erreichen. Deshalb werden Bauherren und Mieter künftig noch stärker nach Smart Home fragen. Die Bauwirtschaft sollte darauf gute Antworten haben.