Die Krise des herkömmlichen Führungsverständnisses ist theoretisch beschrieben. Aber auch praktisch wird die Krise sichtbar: Immer dann, wenn Führungskräfte mit einem „mehr vom Gleichen“ – also mehr Planung, mehr Anreiz oder Druck, mehr zentrale Steuerung, mehr Anweisungen oder mehr Anstrengung – an Wirksamkeit verlieren und immer seltener zu den gewünschten Resultaten kommen. Was also tun? Liegen die Antworten in New Work und Co?
Antonius Greiner und Daniela Sommer erinnern uns (in ihrem Artikel "Krise als Selbsterneuerungsauftrag von Führung - Ein Handreichung zum Gelingen") im ersten Teil dieses Managementbriefs zum Thema Führung an die Chancen jeder Krise und beschreiben ausführlich wie sich Führung erneuern kann. Gleichzeitig erhalten wir noch eine wichtige Warnung: Nämlich der gestiegenen Komplexität nicht mit mehr Komplexität in der Führung zu begegnen.
Frank Aßmann-Staudt beschreibt (in seinem Artikel "Vertrauen als neue Macht in komplex(er)en Märkten") daraufhin in dieser Ausgabe sowohl die Wurzeln, als auch die Begrenzungen des klassischen Führungsverständnisses sowie die Antworten der New Work-Strategien schlüssig.
Frau Dr. Martina Rummel macht jedoch deutlich, welche Voraussetzungen für das neue Verständnis von Arbeit zu erfüllen sind ("Führung als Funktion oder Führung statt Führende" im Managementbrief 2/2019). Ihre Beschreibung ist einleuchtend und so prägnant, dass sofort die Frage im Raum steht, ob traditionell geführte Betriebe, dies auch wahrhaftig umsetzen können? Neben dem Können spielt das Wollen eine große Rolle, da für New Work und Co. teilweise tiefgreifende Haltungsänderungen erforderlich sind – dies betrifft die Geführten und die Führenden gleichermaßen. Jedoch sitzen die Führungskräfte wie so oft zwischen den Stühlen. Sie müssen im hektischen Tagegeschäft ihre Mannschaft in die neue Welt führen und gleichzeitig ihr eigenes Führungsverhalten überdenken. Daher liegt ein erster wichtiger Schritt darin, die über viele Jahre eingeübten und geförderten Haltungen und Verhaltensweisen, sowohl der Führenden als auch die der Geführten – in Bezug auf Status, Kontrolle, Vertrauen, Kooperation oder dialogischer Zusammenarbeit – im Unternehmen zu thematisieren und zu bearbeiten. Denn ohne diese Auseinandersetzung schaffen es die neuen Ansätze nicht vom Werbeflyer in den betrieblichen Alltag.
Ganz praktische „Erleichterung“ kann die von Robert Bade beschriebene „hybride Organisation“ mitbringen ("Führung bedeutet Veränderung gestalten" im Managementbrief 2/2019). Hier können Alt und Neu – je nach geschäftlichen Bedarf – nebeneinander und gleichzeitig gedeihen. Unternehmen und Menschen erhalten dadurch die Möglichkeit, schrittweise und evolutionär in die Zukunft hineinzuwachsen.
1. Führungskräfte müssen nach wie vor das Managementhandwerk beherrschen.
Dazu gehören beispielsweise weiterhin die Fähigkeiten zu priorisieren und zu organisieren oder der Umgang mit dem Berichtswesen und die konsequente Ausrichtung am Ergebnis. Heute kommen die Möglichkeiten neuer agiler Methoden hinzu. Dadurch werden Entscheidungen und die Planung auf die Schultern Vieler verteilt. Führung wird deswegen aber nicht überflüssig: Da verteilte Verantwortung oft zu abnehmender Verbindlichkeit führt, braucht es am Ende weiterhin jemanden, der Verantwortung für die Ergebnisse übernimmt und dafür sorgt dass diese Prozesse auch „laufen“.
2. Gelungene Führung entsteht erst, wenn es jemanden gibt, der sich führen lässt.
Spätestens wenn es erforderlich ist, dass die Geführten „mehr machen“, als sich anordnen lässt, müssen Führungskräfte ihre Aufmerksamkeit auf die Führungsbeziehungen legen. Denn die Beziehungsqualität wirkt darauf, ob und wie die Mitarbeiter Veränderungen mittragen, ihrem Chef vertrauen oder im Alltag „ihr Bestes“ geben. Noch etwas: Führung wird oft als „schwer oder anstrengend“ empfunden, wenn Sachthemen bei belasteten Beziehungen vorangetrieben oder durchgesetzt werden müssen. Gute Führungsbeziehungen tragen wesentlich dazu bei, Anstrengung und Schwere zu Gunsten von Offenheit und Leichtigkeit zu reduzieren – so kann am Ende auch ein Flow zwischen Führendem und Geführten entstehen.
3. Das Kraftzentrum jeglicher Führungsarbeit liegt jedoch in uns selbst.
Unsere Selbstführung – also mit welcher Haltung und mit welchem Spektrum unseres Potenzials wir Menschen und Situationen begegnen – wirkt wesentlich auf den Erfolg. Vor allem dann, wenn die Ergebnisse zu einem hohem Maß von gelungenen Interaktionen abhängig sind und die Rahmenbedingen wechselhaft sind. Wo Algorithmen, Patentrezepte oder der reine Verstand nicht zum Ziel führen, ist es essentiell, nicht im Auto-Pilot-Modus zu enden, sondern weitgehend aus dem vollen Potenzial schöpfen zu können.
Dies führt dazu, dass der emphatische Beziehungsmanager auf Dauer ohne Management-Know-how ebenso untergehen wird wie der Absolvent einer Elite-Managementschule der keinen Bezug zur Selbstführung hat. Daher haben diese drei „Quellen“ im klassischen Führungsverständnis eine ebenso hohe Bedeutung, wie im New Work Umfeld – lediglich die passende Gewichtung, die Tiefe oder die konkreten Inhalte müssen in Bezug zu den betrieblichen Anforderungen mit Leben gefüllt werden. Der RKW Führungsnavigator bietet dafür praktische Unterstützung. Damit kann erarbeitet werden, wo Entwicklungsbedarfe liegen und wie die Elemente des Navigators (künftig) durch die Führungskräfte wahrgenommen werden sollen.
Unsere Einführung zum Führungsnavigator und zum entsprechenden Führungsverständnis können Sie in unserer Broschüre „Mit wirksamer Führung zum Ergebnis“ nachlesen.
Die Publikation ist kostenfrei als Printversion bestellbar und als Download verfügbar.
Der Autor:
Sascha Hertling ist Soziologe und Referent im RKW Kompetenzzentrum. Er ist ausgebildeter Trainer, Berater, Coach und arbeitet an den Themen Strategieentwicklung, Personalmanagement und Führung. Er entwickelt dazu Tools und begleitet Unternehmen bei der Einführung und Umsetzung.
Diesen und weitere Artikel zum Thema finden Sie in unserer Publikation "Chefsachen" (Ausgabe 2/2019).
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