"Wir wussten, dass wir uns als Unternehmen nur entwickeln können, wenn auch die Mitarbeitenden motiviert und begeistert sind, den Weg mitzugehen und Teil des Ganzen werden“,

sagt Dominik Mizdrak, Geschäftsführer der VIDEOR E. Hartig GmbH (VIDEOR).

Das Unternehmen stand vor einer großen Veränderung: Im Zuge einer Neuausrichtung wurde eine Strategie für einen neuen Geschäftsbereich erarbeitet, um sich vom klassischen Distributor zum Lösungsanbieter zu entwickeln. Der Transformationsprozess sollte auch insgesamt eine neue Kultur fördern, in der Mitarbeitende partizipieren und mitgestalten können. "Wir wollen Ideen von und mit den Mitarbeitenden zusammen entwickeln, weil die eben diesen riesigen Erfahrungsschatz mitbringen“, bekräftigt Mizdrak.

Ohne motivierte Mitarbeitende keine erfolgreiche Transformation

Deshalb sei es umso wichtiger gewesen, "die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Menschen wirklich gerne bei uns arbeiten und auch Spaß haben“, so Mizdrak. Der Geschäftsführer sieht dies als "Startpunkt für jede erfolgreiche Transformation“.

Um den Transformationsprozess ins Rollen zu bringen, hat das Unternehmen gemeinsam mit einer externen Beratung abteilungsübergreifende Interviews mit Mitarbeitenden geführt. VIDEOR wollte herausfinden, woran Innovation und Partizipation in der Vergangenheit gescheitert sind. Es stellte sich heraus, dass die Fehlerkultur bis dato verhinderte, dass die Mitarbeitenden ihre Ideen offen einbringen. Als "Innovationsverhinderer“ hätten sich zudem eine schlechte interne Kommunikation und falsche Teamkonstellationen aus "Gleichgesinnten mit gleichem Werdegang“ erwiesen, so Thorsten Reichegger, Leiter des "Team Zukunft“. Auch Fehlentscheidungen des Managements hätten in der Vergangenheit oft zu Demotivation unter den Mitarbeitenden geführt. Ein intensiver Dialog mit den Mitarbeitenden und ehrliches Interesse an deren Ideen und Meinungen seien nötig gewesen, um nach und nach Vertrauen wiederherzustellen.

 "Dass Mitarbeitende sich einbringen und nicht sagen: ´Mir ist das egal, ich geh jetzt woanders hin´“, ist das Ziel und der Wunsch von Dominik Mizdrak. Doch wie können Mitarbeitende wirklich partizipieren?

Das A und O der Partizipation: Transparenz und Sprache

Eine Grundvoraussetzung, damit Mitarbeitende die Zukunft des Unternehmens mitgestalten können, hat VIDEOR in einer gemeinsamen Basis erkannt. Die Führung müsse zum einen ein Gefühl der Dringlichkeit für Veränderung erzeugen, zum anderen eine neue Kommunikation erlernen:

"Mitarbeitende mitzunehmen und auch ihr unternehmerisches Denken zu fördern, gelingt nur über Transparenz und Sprache. Wenn ich möchte, dass Mitarbeitende stärker unternehmerisch denken und Verständnis und Empathie für die Perspektive des Managements besitzen, dann muss man den Mitarbeitenden entsprechende Informationen geben. Wenn auch unsere Jungs im Lager und auf der Fläche mit einer anderen Ausbildung oder einem anderen Background verstehen sollen, wo die Reise hingeht, dann muss ich meine geschäftlichen Anliegen und Veränderungsprozesse in einer Sprache ausdrücken, die alle verstehen. Das ist gar nicht so leicht“, erläutert Lars Hagenlocher, Gesellschafter von VIDEOR. Für ihn bedeutet das vor allem, "den Geist eines Unternehmens dahingehend zu verändern, dass nicht alles nur von oben kommt“.

Eine gemeinsame Sprache als Basis für Partizipation zu finden, bedeutet für die Führung also vor allem, weniger Fachbegriffe und Anglizismen zu verwenden, was einfacher klingt, als es tatsächlich ist. Aber Mizdrak ist optimistisch: "Die Mitarbeitenden verstehen, was wir wollen. Und das ist für mich die Basis und auch die Chance, die Transformation weiter voranzutreiben“.

"Team Zukunft“ für Transformation

Die Transformation voranzutreiben und die konkreten Themen zur Zukunftssicherung anzugehen, ist Aufgabe von "Team Zukunft“. Dieses Team besteht aus neun Mitarbeitenden, drei davon in Vollzeit, die laut Hagenlocher "richtig Bock haben, die Zukunft des Unternehmens zu sichern“. VIDEOR hat sich bei der Teamzusammenstellung auf das Reiss Motivation Profile(RMP) gestützt, ein Persönlichkeitstest, der die 16 zentralen Lebensmotive eines Menschen erfasst. Thorsten Reichegger sagt, dass es ihnen wichtig gewesen sei, "grundlegend unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten zu haben, allein schon durch die ganzen Werdegänge“ und dass diese auch aus verschiedenen Abteilungen kämen. Man habe auf Mitarbeitende gesetzt, die schon vorher gute Arbeit geleistet hätten, "aber eben Potenzial für viel, viel mehr haben“ und die es verstünden, sich „selbst zu befähigen und auch andere mitzunehmen oder zu motivieren“.

Eine ausgewogene Teamzusammenstellung und ein intensiver Austausch mit den einzelnen Mitarbeitenden seien auch wichtig gewesen, um Konflikte im Team schneller lösen zu können. Das "Team Zukunft“ treffe sich in einem sicheren Raum, in dem alle Ideen ausgesprochen werden dürften. Möglich mache das auch ein "Kommunikationsrichter“, dessen Aufgabe es sei, darauf zu achten, dass wirklich jede Idee gehört werde. Das sei "Gold wert“, ist sich Reichegger sicher. Eine offene Kommunikation und kurze Entscheidungswege erleichterten dem "Team Zukunft“, Missstände sofort anzusprechen und ebenso schnell Veränderungen umzusetzen. Damit betreibe das "Team Zukunft“, so Lars Hagenlocher, "ganzheitliche Zukunftssicherung“. Diese umfasse Produkte, Geschäftsmodellentwicklung und andere unternehmensinterne Veränderungen.

Dabei ist es für Reichegger immer wichtig, dass gemeinsam gesucht werde, "was kann und soll an der Stelle wirklich angefasst und umgestellt werden“. Dafür betreibt das Team Feldforschung, indem es sich mit Start-ups und der Kundschaft austauscht, den Markt beobachtet und nach neuen Technologien und Lösungen sucht.  

Um konkrete Veränderungen in die Belegschaft zu tragen, fungieren die Teammitglieder als sogenannte "Zukunftsbotschafterinnen und Zukunftsbotschafter“. Sie tragen nicht nur die Ideen und Informationen, sondern auch die Lust auf Innovation und Veränderung in ihre jeweiligen Abteilungen und somit in das gesamte Unternehmen. Informationen fließen bei VIDEOR nicht nur "von oben“, sondern über viele Kanäle.

Ein Blick zurück: Transformation ist ein harter Weg

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung einer Unternehmenstransformation ist, dass Management und Führungskräfte wirklich und glaubhaft dahinterstehen. Sie müssen den Raum und die Zeit geben, dass Mitarbeitende kreativ sein können – und es auch vorleben. Mizdrak sieht das als ein "Push-and-Pull-Konzept. Man hat einerseits gewisse strategische Rahmenbedingungen, aber wenn es an die Umsetzung geht, muss es aus der Belegschaft kommen“.

Mitarbeitende mitzunehmen und partizipieren zu lassen ist gar nicht so leicht und erfordert jede Menge Arbeit. Es stellte sich als ein langwieriger Prozess heraus, diese Strukturen und Prozesse, die Freiräume und Partizipation ermöglichen, zu etablieren und das "Team Zukunft“ zusammenzustellen. Auch die Digitalisierung ist für VIDEOR ganz wesentlich für die Zukunftssicherung und Partizipation. Durch die Automatisierung von Prozessen werden Freiräume geschaffen, sodass Mitarbeitende Zeit für Zukunftsthemen haben. Rückblickend habe das Unternehmen durch die externe Beratung im Transformationsprozess immens an Geschwindigkeit gewinnen können. Gerade für KMU wie VIDEOR sei dieser Anschub von außen besonders wichtig.

Ein Blick nach vorn: Intrapreneurship als kultureller Wandel

Die harte Arbeit und der Mut zahlen sich langsam aus. Das Team und die Strukturen konnten erfolgreich implementiert und die Arbeit aufgenommen werden. Darüber hinaus sind bereits viele Veränderungen im Unternehmen spürbar: ein offenerer und vertrauterer Umgang, der stärkere Zusammenhalt und die vertrauensvolle Zusammenarbeit, vor allem auch eine bessere Fehlerkultur, die die Grundlage für Zukunftssicherung durch Mitarbeitende ist. VIDEOR konnte durch eine insgesamt partizipativere Kultur und zufriedenere Mitarbeitende an Attraktivität als Arbeitgeber gewinnen. Alle offenen Stellen konnten neu besetzt werden, sodass VIDEOR die für die Zukunft benötigten Menschen an Bord hat. VIDEOR sieht sich weiterhin in einem ständigen Lernprozess. Jetzt geht es an die konsistente, langfristige Umsetzung, aber auch da sind sie noch nicht am Ziel. VIDEOR hat sich für einen härteren und vielleicht auch längeren Weg entschieden, doch Dominik Mizdrak ist zuversichtlich: "Wir sind auf dem richtigen Weg und das macht mich hoffnungsvoll.“

Interviewpartner:
Dominik Mizdrak ist seit 3,5 Jahren Geschäftsführer und Gesellschafter der VIDEOR E. Hartig GmbH. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung in verschiedensten Rollen in mittelständischen IT- und Technologieunternehmen. Nach seinem Studium an der Akademie für Internationales Management, Schwerpunkt Asien-Management, sammelte er mehrjährige Berufserfahrung im Ausland in Asien-Pazifik.

Thorsten Reichegger leitet die VIDEOR Academy sowie den Bereich Consulting, den er im Unternehmen federführend aufgebaut hat. Nach seinem Informatik-Studium folgten mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT- und Security-Branche. Seit über einem Jahr befähigt er mit seiner Expertise das „Team Zukunft“, das sich mit Innovation beschäftigt.

Lars Hagenlocher ist Gesellschafter der VIDEOR E. Hartig GmbH. Dem Studium Communication, Culture & Management sowie Philosophie & Geschichte folgten Tätigkeiten beim Wissenschaftsverbund Vierländerregion Bodensee und als Fellow der TeachFirst Deutschland gGmbH. Seit September 2023 ist er als Mitarbeiter für Zukunftssicherung bei VIDEOR an Bord. 

Die VIDEOR E. Hartig GmbH ist ein führender Distributor für Video- und Sicherheitstechnik aus Rödermark und beschäftigt ca. 100 Mitarbeitende. Kontakt: info(at)videor.com

Der Artikel ist zuerst in unserem Managementletter 2023 "Intrapreneurship - Mitarbeitende zum Mitgestalten motivieren" erschienen. Das Interview führten Katharina von Haugwitz und Alexander Sonntag.

In den Episoden 35 und 36 unserer Podcast-Reihe "Chefsachen" können Sie das ausführliche Interview nachhören.

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