RKW: Liebe Frau Lawera, das East Side Fab gibt es seit 2019. Welche Idee, welcher Traum führte zur Gründung des Vereins?

Anna Lawera: Es gibt ja den bundesweiten und internationalen Trend, dass Fabs, Labs oder Hubs entstehen, in denen sich Unternehmen und andere Akteure zusammentun, um Innovation voranzutreiben. Bei uns entstand eine solche Idee Ende 2018 in den Köpfen in einigen regionalen Unternehmen, wie zum Beispiel der Hager Group. Man wollte einen Kreativraum und darüber hinaus eine Plattform für Innovation schaffen, gemeinsam mit anderen Unternehmen, Institutionen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Schnell waren weitere Unternehmen und der Fördergeber, das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie, überzeugt.

Und wie sind Sie dann nach der Gründung in die Arbeit gestartet?

Als die Idee zum East Side Fab entstand, war man noch offen, in welche Richtung sich das Fab entwickeln wird. Ja, es sollte um Digitalisierung und neue Technologien gehen. Aber wie sollte die Umsetzung aussehen? Schnell wurde klar:

  1. Wir sind keine Denkfabrik – das Machen, Tun, Experimentieren und Ausprobieren stehen im Fokus.
  2. Den Mitgliedern war es wichtig, sich ganzheitlich zu orientieren, das heißt, man wollte bewusst keinen Schwerpunkt setzen, um offen zu bleiben für alle Branchen und Themen.

Dadurch waren wir von Anfang an sehr agil und offen aufgestellt, so konnten wir uns von Anfang an gut und schnell anpassen. Und im East Side Fab begegnen sich Akteure, die sich im Alltagsgeschäft nie treffen, geschweige denn miteinander in einem Projekt arbeiten würden.

Sie bezeichnen sich selbst als Innovationsbeschleuniger für das Saarland und die Großregion. Wie beschleunigen Sie Innovationen?

2020 haben wir zunächst eine Grundlage geschaffen, um überhaupt Innovationsprojekte starten zu können. In Abstimmung mit dem Vorstand haben wir einen Prozess entwickelt, der das koordinierende Projektmanagement definiert, aber auch finanzielle Mittel aufgetan hat. Oft fehlt nämlich vor allem kleines Budget, um die Menschen zu einem Thema zusammenzubringen.

Für Ideenskizzen mit hinreichendem Innovationsgrad gibt es nun unkompliziert finanzielle Mittel, um in drei bis sechs Monaten ein Konzept zu entwickeln, einen Prototyp oder Demonstrator zu bauen oder auch eine erste Softwareentwicklung anzugehen. Hierfür müssen sich mindestens drei Mitglieder und ein Transferpartner zusammentun. Das East Side Fab übernimmt die Kontaktanbahnung und unterstützt bei der Zielfindung. Ebenso werden die Koordination der Projektskizze bis zur Einreichung beim Wirtschaftsministerium sowie die Arbeitsgruppentreffen begleitet. Die Projektergebnisse können unmittelbar in den beteiligten Unternehmen genutzt werden. Manche Konsortien stellen Forschungsanträge. Auch Scheitern ist erlaubt! Denn es ist wichtig, dass man bei uns Ideen ausprobieren und auch beiseitelegen kann, wenn man feststellt, dass sie nicht funktionieren.

Haben Sie für unsere Leserinnen und Leser ein Beispiel?

2021 haben wir mit dem Projekt CoLab4DigiTwin gestartet. In diesem Projekt haben wir ein Konzept für eine nutzerspezifische 3D-Kollaborationsplattform für den Digitalen Zwilling erstellt, das auf die gesamte Wertschöpfungskette der Automobilindustrie ausgerichtet ist. Das Projekt lief über drei Monate. Beteiligt waren große, aber auch kleinere Mitgliedsunternehmen, mehrere Forschungsinstitute und auch zwei Startups.

Zeitgleich kam das von der Bundesregierung verabschiedete Konjunkturpaket 35 C, auf das uns unser Fördergeber hingewiesen hat. Mit unserem Projekt hatte das Konsortium schon die beste Grundlage, um mit Unterstützung des beteiligten Forschungsinstitutes einen Förderantrag zu stellen.

Nun warten wir gespannt auf das Feedback und hoffen auf 5,5 Mio. € Fördermittel für das Konsortium. Angestoßen haben wir das mit 8,5 Mio. € geplante Entwicklungsprojekt somit mit 60 T€ aus dem Budget des East Side Fab. Wenn die Förderzusage tatsächlich erteilt wird, wäre das ein Erfolg für unseren Verein.  

Lassen Sie uns noch kurz auf die nächsten vier Jahre schauen. Wie will sich das East Side Fab weiterentwickeln?

Im Dezember 2022 endet unsere aktuelle Förderung und damit die Anlaufphase. Wir arbeiten daher an unserem künftigen Geschäftsmodell für die Stabilisierungsphase bis ca. 2025. Dazu gehört einerseits eine Bestandaufnahme, was läuft gut, was kann verbessert werden und natürlich die Frage, wie können wir unsere Einnahmen, die sich heute vordergründig aus Mitgliedsbeiträgen und Vermietung speisen, steigern. Aktuell führen wir Gespräche mit unseren Mitgliedern, um herauszufinden, welche Bedarfe in den Unternehmen bestehen. Hierbei wird offensichtlich, dass viele Themen, die wir in Workshops und in Innovationsprojekten adressieren, gefragt sind. Auch disruptive und radikale Innovation spielen eine zunehmende Rolle. Weiterhin ist eine Förderung notwendig, um unser digitales Ökosystem voranzutreiben. Wir sind von ursprünglich sieben auf 31 zahlende Mitglieder angewachsen, die Überzeugung und Mitwirkung weiterer Unternehmen aus der Großregion steht an. Wir wollen neue Themenschwerpunkte setzen und das Netzwerk durch Leuchtturmevents, wie den Cybersecurity Day oder die Maker-Messe make.it-saarland vergrößern.

Liebe Frau Lawera, wir danken Ihnen im Namen unserer Leserinnen und Leser sehr herzlich für die spannenden Einblicke in Ihre Arbeit.

Über die Autor:innen:
Anna Lawera ist seit 2020 Geschäftsführerin des East Side Fab e.V in Saarbrücken. Sie hat Germanistik und Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes studiert. Bei der Anbahnung von Projekten greift sie auf ihren eigenen Erfahrungsschatz als Gründerin, erfolgreiche Unternehmerin und ihr interdisziplinäres Netzwerk sowie Know-how aus dem Kontext Technologietransfer zurück. Kontakt: a.lawera(at)eastsidefab.de

Kathrin Großheim ist Referentin im RKW Kompetenzzentrum und unterstützt dort seit über zehn Jahren vor allem Innovations- und Strategieprozesse kleiner und mittlerer Unternehmen. Sie ist außerdem erfahrene Business Coachin (DBVC) und arbeitet mit Führungskräften an ihren professionellen und persönlichen Spielräumen. Kontakt: k.grossheim(at)rkw.de

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