Wer von der Verbindung Kunst und Wirtschaft hört, denkt zunächst an Unternehmen und Banken als Geldgebende und Fördernde für Künstlerinnen und Künstler. Auf der einen Seite das Kapital, auf der anderen Seite der Freigeist. Das war tatsächlich eine sehr lange Zeit so. In der Renaissance war es die Medici-Familie, im Barock der Adel und im 20./21. Jahrhundert haben Unternehmen begonnen Kunst zu sammeln. Doch immer öfter, gerade in der heutigen New Work-Ära wird deutlich, wie sehr die Kunst auch der Wirtschaft helfen und nutzen kann.
Immer mehr Unternehmen suchen Schnittstellen zu anderen Bereichen, um einen neuen Spirit hineinzubekommen. In der „VUCA-Welt“ braucht es Mitarbeitende, die sich als „Smart Creatives“ auszeichnen und einen gewissen „Startup-Spirit“ mitbringen – ein Mix aus Kreativität, Neugier, Ideenreichtum, Flexibilität und Unternehmergeist, um Innovationen und damit Wettbewerbsvorteile schaffen zu können.
Für so manche CEOs, CDOs oder CFOs sind daher auch Kunstschaffende inzwischen Vorbilder und sie beneiden sie aufgrund ihrer Kreativität, ihrem Freigeist und ihrer Art, selbständig zu sein. Einige suchen inzwischen bewusst die Nähe zur Kunst, um sich inspirieren zu lassen und den kreativen Geist, das Anders-Denken zu spüren und zu erleben.
Tatsächlich haben Kunstschaffende und Unternehmerinnen und Unternehmer einige Gemeinsamkeiten: Sie haben den inneren Schaffensdrang, etwas Neues in die Welt zu bringen, das einzigartig ist und ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie sind intrinsisch motiviert und „können nicht anders“. Das nennt man heute „Purpose“.
Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele (Pablo Picasso)
Ihre Welten nähern sich an. Die Begegnung findet dabei auf Augenhöhe statt. Denn auch Künstlerinnen und Künstler müssen als Unternehmerinnen und Unternehmer am Markt bestehen. In beiden Bereichen geht es zum einen um die ausgewiesene Expertise in Kreativität, Ideenreichtum und Innovation, aber auch um Visionen. Zum anderen ist es die absolute Begeisterung der Kundschaft, die das eine Produkt beziehungsweise Kunstwerk wirklich haben will und damit einen regelrechten Hype auslöst. Denn sowohl Produkte als auch Kunstwerke können zu Kultobjekten werden.
Aber wie kann das gelingen? Künstlerische Ansätze, die für Führungskräfte und Kreative dabei hilfreich sein können, sind beispielsweise:
- Abstraktion: Wie viel kann ich von einem Produkt weglassen, dass es einfach und simpel wird? So haben sich Apple-Mitarbeitende von einer Picasso-Grafik für die Gestaltung einer neuen Fernbedienung inspirieren lassen. Die Grafik zeigt eine Abfolge von Stierdarstellungen – von der realistischen Darstellung hin zur höchsten Reduzierung auf wenige Striche.
- Kombination: Mit diesem beliebten und effizienten Ansatz lassen sich scheinbar unvereinbare Bereiche verbinden. Eine künstlerische Methode ist die Collage. In seinem Bild „Les Demoiselles d'Avignon“ malte Picasso afrikanische Masken auf Frauengesichter. Damit gelang ihm darüber hinaus ein weiterer innovativer Ansatz der
- Dekontextualisierung: Denn die Masken stammen aus einem anderen Kontext, dessen er sich bedient hat. Zudem hat er die Vorder- und Seitenansicht kombiniert und damit den Kubismus erfunden.
Jüngst haben sich Lego und Adidas zusammengetan, um gemeinsam Sneaker und T-Shirts herzustellen. Die Dekontextualisierung wird hier ebenso offensichtlich. Die Legosteine tauchen hier als Designelemente auf, können aber nicht mehr zum Spielen verwendet werden. Sie wurden in einen neuen Zusammenhang gebracht und genauso hat Picasso das mit den afrikanischen Masken gemacht.
- Aus Kombination kann auch Kooperation werden, wenn zwei unterschiedliche Unternehmen zusammen ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung erstellen.
Ein entsprechendes, auf das Unternehmen, seine Innovationsprozesse, Produktpalette, Kunden- und Belegschaftsstruktur ausgerichtetes Kunstkonzept ist dabei von Vorteil. Es kann darüber hinaus die Corporate Identity, die Arbeitgebermarke und ein positives, glaubwürdiges Image nach außen festigen.
Die Kunst ist darüber hinaus in ihrer Originalität eine komplementäre Ergänzung zur Digitalisierung und kann die New Work-Entwicklung bestens unterstützen.
Kurzum: Lassen Sie sich und Ihre Mitarbeitenden von Kunst inspirieren und lassen Sie dem „Andersdenken“ freien Lauf! Ganz im Sinne von Steve Jobs, der in seiner College-Abschlussrede sagte:
"Bleib hungrig. Bleib verrückt."
Über die Autorin:
Dr. Ulrike Lehmann ist promovierte Kunsthistorikerin und zertifizierte PR-Beraterin. Mit ART | COACHING begleitet sie Führungskräfte und Mitarbeitende zur Förderung von Kommunikation und Kreativität mit Kunst. Sie erarbeitet Kunstkonzepte für Unternehmen und hält zahlreiche Vorträge. 2017 erschien ihr Buch „Wirtschaft trifft Kunst. Warum Kunst Unternehmen gut tut“. Kontakt: lehmann(at)art-coaching.info
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