Das Geschäftsmodell-Cockpit (Tool)

Ordnung ist die Verbindung des Vielen nach einer Regel.

Immanuel Kant

Wie funktioniert Ihr (heutiges oder zukünftiges) Geschäftsmodell?

Das Geschäftsmodell-Cockpit beschreibt die wesentlichen Elemente eines Geschäftsmodells. Letzteres ist der zentrale, namensgebende Bestandteil unseres Ansatzes. Es ist inspiriert von gängigen Konzeptualisierungen eines Geschäftsmodells (vgl. Gassmann et al., 2013 und Osterwalder/Pigneur, 2011)1 und beschreibt die Logik, mit der ein Unternehmen auf dem Markt besteht. Das Cockpit bezieht seine Stärke daraus, dass diese Elemente auf einen Blick zusammengefasst, voneinander unterschieden und aufeinander bezogen werden können.

Seine Anwendung ist immer sinnvoll, wenn es darum geht, ein stimmiges und geteiltes Gesamtbild vom Geschäft zu entwickeln. Dies erleichtert es, tatsächlich vom Selben zu reden, Ideen gemeinsam auszuarbeiten und abzuklopfen. In Bezug auf die Optionenbildung sorgt das Cockpit dafür, möglichen Zukünften eine Gestalt zu geben. Auch um das Bild von morgen Mitarbeitern und Stakeholdern im Rahmen der Umsetzung zu kommunizieren, eignet sich das Tool bestens.

Geschäftsmodell-Cockpit am Beispiel

Das Geschäftsmodell-Cockpit ist ein recht flexibles Tool, das nicht nur zu verschiedenen Zeitpunkten, sondern auch unterschiedlich intensiv eingesetzt werden kann. Ein typischer Einsatz verdeutlicht folgendes Beispiel. Die Hans Dampf GmbH hat sich als namhafter Anlagenbauer im Bereich der Energie- und Wärmetechnik in den letzten 15 Jahren zahlreiche Geschäftsfelder erschlossen. Die Komplexität ist inzwischen nicht ohne Weiteres zu bewältigen. Gleichzeitig sieht die Geschäftsführung insbesondere für das Geschäftsfeld Wärmetechnik die Notwendigkeit, weiter am Puls der Zeit zu bleiben.

Wie bei einem so umtriebigen Unternehmen nicht verwunderlich, stehen viele Ideen im Raum, die sich gegenseitig in vielfältiger Weise beeinflussen. In der Diskussion wird klar, dass im Kern drei grundlegend verschiedene Optionen zur Debatte stehen. An diesem Punkt scheint die Auseinandersetzung aber nicht recht vom Fleck zu kommen. Insbesondere verfestigt sich der Eindruck, dass Missverständnisse zunehmen, im Detail zu viele Ideen mit unterschiedlichstem Status durch den Raum fliegen, andere Aspekte dafür (un-)bewusst ausgeklammert werden und ein produktives Arbeiten an den Optionen nur unzureichend gelingt.

Um sich besser über die im Raum stehenden Optionen austauschen zu können, buchstabiert der Führungskreis bislang nur grob umrissene Ideen entlang des Geschäftsmodell-Cockpits näher aus. Unter dem Titel „Hans Dampf 4.0“ umreist beispielsweise der Technische Leiter ein mögliches Zukunftsbild, das sehr stark auf digitale Trends setzt, um es gezielt mit den übrigen Führungskräften diskutieren und weiter ausarbeiten zu können:

Die Befürworter der Option Hans Dampf 4.0 schlagen vor, das Geschäftsmodell der Hans Dampf  GmbH folgendermaßen zu erweitern:

Kunden
Hans Dampf wird auch zukünftig seine drei Kundensegmente im Geschäftsfeld „Wärmetechnik“ pflegen, allerdings mit unter schiedlichen Stoßrichtungen: 

  • Während die bestehende Marktstellung bei den Kommunen verteidigt werden soll,
  • wird das Kundensegment kleine und mittlere Unternehmen aktiv ausgebaut und um neue Branchen erweitert,
  • dagegen sollen überregionale Märkte, wenn überhaupt, nur leicht & reaktiv Richtung Südeuropa beziehungsweise Südosteuropa erweitert werden.

Angebote
Das Unternehmen wird sich auch zukünftig und noch stärker als bisher über qualitativ hochwertige, individuelle Produkte, einen exzellenten Service und adäquate Preise positionieren:

  • Die Anlagen werden um eine Datenschnittstelle erweitert. Diese Datenschnittstelle ist nicht nur eine funktionale Erweiterung des Produktes, sondern bildet die Grundlage für den Aufbau eines neuen Serviceangebotes. Dieses soll es erlauben, Anlagen beim Kunden aus der Ferne zu warten und zu steuern, um für den Kunden eine bessere Anlagenverfügbarkeit zu gewährleisten. Langfristig sind sogar weitergehende Serviceangebote wie „predictive maintenance“ oder Anlagenoptimierungen denkbar.
  • Um den internen Aufwand zu senken und das eigene Angebot einfacher nachvollziehbar zu gestalten, wird eine modularisierte Produkt- & Servicearchitektur eingeführt. Davon abweichenden Kundenbedürfnissen wird weiterhin flexibel begegnet, allerdings nur noch in klar definierten Individualisierungsfeldern.
  • Bei der technologischen Entwicklung der Anlagen strebt das Unternehmen keine Vorreiterrolle an. Gebot ist allerdings, stets auf dem Stand der Technik zu bleiben.

Kanäle
Um mit den neuen Angeboten besser von den Kunden wahrgenommen zu werden, geht Hans Dampf zwei unterschiedliche Wege:

  • Zum einen wird die Firmenwebseite entsprechend des neuen modularen Angebotsportfolios zeitgemäß und unter besonderer Berücksichtigung der Suchmaschinenoptimierung erneuert.
  • Zum anderen werden die Servicetechniker und Projektmanager zukünftig eine stärkere Rolle einnehmen, um die neuen Serviceangebote beim Kunden aktiv zu vermarkten.

Prozesse
Auch die interne Leistungserstellung muss sich maßgeblich anpassen:

  • Die vorgesehene Datenschnittstelle in Kombination mit einer Datenbrille entlastet die erfahrenen Servicetechniker von der zeitraubenden und ungeliebten Reisetätigkeit. Gleichzeitig fördert dies, junge Nachwuchskräfte anzuwerben und aus der Ferne zu unterstützen.
  • Die Entwicklung eines Kalkulationstools basierend auf der Produkt- und Servicearchitektur erleichtert und beschleunigt die Entwicklung sowie Preisermittlung.
  • Grundlage hierfür ist die Entwicklung einer integrierten modularen Portfolioarchitektur – abgestimmt zwischen Entwicklung, Einkauf und Vertrieb.
  • Verbesserungspotenziale der internen Prozesse werden über die Durchführung von Workshops gemeinsam mit den Mitarbeitern identifiziert.

Erweiterte Umwelt
Im Unternehmensumfeld setzt Hans Dampf insbesondere auf Kooperationen:

  • Durch die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Ingenieurbüro kann die Verbindung aus Datenschnittstelle und VR-Brille schnell und qualitativ hochwertig realisiert werden.
  • Im Zuge der sukzessiven überregionalen Markterweiterung stellen Servicepartner vor Ort, mit virtueller Unterstützung durch Hans Dampf, die Betreuung der Kunden sicher.

Erlösmodelle
Durch diese Umstellungen sichert Hans Dampf nicht nur seine Positionierung sondern erzielt ein messbar besseres Ergebnis.

  • Das attraktivere Leistungsportfolio und die Kostensenkung resultieren in einem gesteigerten Umsatzanteil und höheren Erträgen, unterschieden nach den Kundenbereichen Unternehmen und Kommunen.
  • Das zeitgemäße und attraktivere Serviceportfolio zeigt sich in einem deutlich gestiegenen Serviceanteil am Umsatz von 8 Prozent.
  • Die Produktivität gemessen am Personalkostenindex steigt von 2,0 auf 1,7.

So wenden Sie das Tool an

Schritt 1: Konkretisieren Sie gemeinsam die einzelnen Felder. Dabei sind verschiedene Vorgehensweisen denkbar und sinnvoll. Drei Verfahren, die häufig zum Ziel führen:

  1. ausgehend vom Kunden über die Kanäle, die Leistung und die Prozesse bis hin zum Erlösmodell und der Unternehmensumwelt;
  2. ausgehend vom Feld, in dem die meiste Musik spielt – also das größte Interesse ist;
  3. ausgehend von den Feldern, in denen bereits größte Klarheit besteht.

Folgende Leitfragen können das Ausfüllen erleichtern:

Prozesse
Was versetzt Sie (wie gut) in die Lage, dies anzubieten? Die Prozessseite steht der Angebotsseite gegenüber. Dieses Feld umfasst das „Wie“ der Leistungserstellung und ist entsprechend ein vornehmlich unternehmensinterner Posten.

  • Wo liegen Ihre Kernkompetenzen?
  • Welche zentralen Engpässe hindern Sie daran, Ihre Ziele zu erreichen?
  • Wo sind Sie stark, wo schwach?
  • Wie produktiv sind Sie im Wettbewerbsvergleich?
  • Wo befinden sich Ihre größten Verlustquellen (Kosten, Zeit, Qualität)?
  • Auf welchen strategischen Jobfamilien oder Schlüsselpositionen beruht das Geschäftsmodell?
  • Wo befinden sich Ihre größten Risiken in der Wertkette?

Erlösmodelle
Wie verdienen Sie Ihr Geld? Da langfristig kein Unternehmen überlebt, das mehr Ausgaben als Einnahmen verzeichnet, kommt der Seite der Wertabschöpfung eine wichtige Rolle zu: Aus welchen Quellen und auf welche Weise erwirtschaftet das Unternehmen seine Erlöse? Schließlich ist es beispielsweise ein erheblicher Unterschied, ob das Unternehmen dem Kunden das Produkt oder aber seine Nutzung in Rechnung stellt. Im Zuge der Digitalisierung sind die Möglichkeiten unterschiedlicher Erlösmodelle stark gewachsen.

  • Welchen Ertrag erwirtschaften Sie mit unterschiedlichen Angeboten?
  • Welchen Umsatz erwirtschaften Sie mit unterschiedlichen Angeboten?
  • Wie ist Ihre Ertragsposition im Wettbewerbsvergleich?

Erweiterte Umwelt
Welche Umwelten beeinflussen Sie und wie? Das eigentliche Geschäftsmodell eines Unternehmens ist eingebettet in eine spezifische Umwelt, die in einer engen Wechselwirkung mit ihm steht, das heißt: Veränderungen in der Umwelt beeinflussen maßgeblich das Geschäftsmodell und umgekehrt.

  • Mit welchen Wettbewerbern haben Sie sich auseinanderzusetzen?
  • Mit welchen wichtigen Partnern und Zulieferern arbeiten Sie zusammen?
  • Wie werden Sie etwa durch gesellschaftliche Entwicklungen, den Gesetzgeber oder die Finanz- und Arbeitsmärkte beeinflusst?

Kanäle
Wie (gut) funktioniert die Customer Journey (für welche Kundengruppen)? In dieses Feld fallen vornehmlich die Bereiche des Vertriebs und des Marketings. Es geht darum, wie ein Unternehmen (potenzielle) Käufer auf seine Leistungen aufmerksam macht, zur Nachfrage motiviert und an sich bindet.

  • Wie erfahren potenzielle Kunden von Ihrem Angebot?
  • Gibt es einen aktiven Vertrieb und wie leistungsfähig ist dieser?
  • Werden bestehende Kunden aktiv gebunden?

Angebote
Wie sind Sie am Markt positioniert?
Das Wertangebot beschreibt, was der Kunde abnimmt. Welche Leistungen bringt das Unternehmen an die Frau oder den Mann?

  • Welches Problem lösen Sie für Ihre Kunden?
  • Wie gut erfüllen Sie die Erwartungen Ihrer Zielgruppe?
  • Wie ist Ihr Preis-Leistungs-Verhältnis im Wettbewerbsvergleich?
  • Welche Produkte beziehungsweise Produkt-Markt-Kombinationen besitzen das größte Potenzial?
  • Gibt es Verknüpfungen der Leistungen? (beispielsweise wird nur dort am Service verdient, wo vorher ein Kauf stattgefunden hat?)

 Kunden
Wie funktioniert Ihre Kundenmechanik?
Nicht zufällig befinden sich die Kunden in der Mitte des Modells. Am Ende des Tages entscheiden sie mit ihrer Kaufentscheidung darüber, ob das Unternehmen nachhaltig mit Zahlungen versorgt wird und damit bestehen bleibt. Es ist fast immer sinnvoll zu verstehen, wie die Kundenmechanik funktioniert.

  • Wer sind Ihre Kunden?
  • Wer bezahlt die Rechnung und wen gilt es zu überzeugen?
  • Welche Kundengruppen sind besonders attraktiv und warum (Umsatz, Ertrag, sonstige Gründe)?
  • Sind Muster erkennbar? (beispielsweise können manche Kundengruppen in der Wertschöpfungskette nur erreicht werden, wenn das Unternehmen andere beliefert?)

Schritt 2: Beenden Sie die Ausarbeitung, wenn sich alle Teilnehmer darin wiederfinden und keine wesentlichen neuen Informationen mehr hinzukommen.

Schritt 3: Ein solch komprimiertes Bild des Geschäftsmodells kann deutlich werden lassen, wovor man vorher noch die Augen verschließen konnte. Planen Sie deshalb für die Interpretation des Bildes ausreichend Zeit ein. Wem diese Interpretation schwerfällt, der kann versuchen, eine Überschrift oder ein Bild zu finden oder mit Analogien arbeiten.

Hinweise und Erfahrungswerte

Das Geschäftsmodell-Cockpit lässt sich immer sinnvoll anwenden, wenn es darum geht, ein stimmiges und geteiltes Gesamtbild vom Geschäft zu entwickeln. Dies erleichtert es, vom Selben zu reden, Ideen gemeinsam auszuarbeiten und abzuklopfen. Auch um das Zukunftsbild Mitarbeitern und Stakeholdern im Rahmen der Umsetzung zu kommunizieren, eignet sich das Tool bestens.

Häufig bietet sich eine freie moderierte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Aspekten des Geschäftsmodells an. Diese Diskussion kann bei Bedarf situativ an einzelnen Stellen durch Analysen und Tools gezielt vertieft werden, etwa wenn die „Alleinstellung des Unternehmens“, „Schwachstellen in den Prozessen“ oder „Umsatz- und Erlösvernichter“ nicht durch die freie Einschätzung der Teilnehmer, sondern methodisch unterstützt herausgearbeitet werden sollen. In diesem Fall dient das Cockpit als „Inhaltsverzeichnis“, um Vertiefungsbedarfe zu bestimmen und die Ergebnisse der Detailanalysen wieder aufeinander zu beziehen.

Varianten

Das Tool ist intuitiv verständlich, vielseitig einsetzbar und leicht anzupassen:

  • Als Vorspann und „Aufwärmübung“ kann eine freie Auseinandersetzung mit der eigenen Markt- und Wettbewerbssituation dienen. Dafür werden zunächst grundständige Informationen über den Kundenkreis, das zu lösende Kundenproblem (inkl. der Preis-Qualitäts-Sensibilität des Kunden und Substitutionsgefahren), die Marktsituation (insbesondere Umsätze, Marktpotenzial und Marktanteil) und die Wettbewerbssituation (insbesondere Zahl der Konkurrenten, eigene Positionierung) formlos auf einem Flipchart festgehalten. Erst im zweiten Schritt werden diese dann in das Cockpit übertragen und um weitere Aspekte ergänzt.
  • Bei Bedarf können zusätzliche Kategorien hinzugenommen werden, beispielsweise Mitarbeiter oder Schlüsselpartner.

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1 Wir greifen im Vergleich zu der St.-Galler-Schule etwa die Kundenschnittstellen („Kanäle“) besonders auf und verzichten (zunächst) auf das prominente Aufgreifen der Partnerstrukturen, wie wir es beispielsweise von Osterwalder/Pigneur kennen. Dies reflektiert unsere Erfahrungen in der Begleitung mittelständischer Unternehmen und den Bezugsrahmen Digitalisierung.

Bildquellen und Copyright-Hinweise
  • © Leon Rafael / iStock.com – Knäul (1659_knäul.jpg)