Phase 1: „Autorisieren“

Wer das falsche Problem gut löst, ist schlechter dran, als der, der das richtige Problem schlecht löst.

Klaus Eidenschink

Ein Geschäftsmodellentwicklungsprozess ist ein anspruchsvolles Unterfangen mit zahlreichen möglichen Abzweigungen und Fallstricken, das maßgeblich davon abhängt, woher man kommt und in welche Richtung man aufbricht. Bevor es mit der eigentlichen Arbeit losgeht, dient die erste Phase deshalb ausschließlich der Bestimmung und Vergewisserung, woran gearbeitet werden soll und in welcher Form das zu geschehen hat. So selbstverständlich dies klingt, so häufig wird dieser Schritt vernachlässigt. Die Folgen: Die Beteiligten gehen womöglich von unterschiedlichen Zielen aus und reden unbemerkt aneinander vorbei oder man arbeitet über Monate am nur vermeintlich richtigen Fokus und merkt es vielleicht erst hinterher (oder gar nicht). Schlimmer noch, eine richtige Lösung für das falsche Problem kann nicht nur Frustration erzeugen, vielmehr kann dies das ursprüngliche Problem verschärfen. Ein neuer Geschäftsführer etwa, der seine Absatzprobleme vor allem auf eine zu hohe Preisposition bucht und Prozessoptimierungen anstößt, kann damit Erfolg haben. Übersieht er dabei, dass er vor allem über Qualität im Sinne kundenindividueller Anpassungen positioniert ist, kann dies das genaue Gegenteil bedeuten.

Nehmen Sie sich gerade am Anfang ausreichend Zeit, um sich darüber bewusst zu werden, welchen Weg Sie beschreiten wollen! Vieles ist ohne externe Begleitung möglich, einiges dann aber eben auch nicht.

Die Autorisierung beschreibt das Zusammenspiel von

  • der Problemdefinition (wir problematisieren vornehmlich folgende Themen, Geschäftsfelder, Ziele und folgende nicht),
  • der Auswahl derjenigen, die an der Problembearbeitung beteiligt werden (und derjenigen, die damit zunächst einmal nichts zu tun bekommen) sowie
  • dem zeitlichen, finanziellen und kommunikativen Rahmen, in der die Problembearbeitung zu erfolgen hat.

Ein ganz wesentlicher Teil des Geschäftsmodellentwicklungsprozesses besteht darin, Schritt für Schritt von einer (mehr oder weniger) diffusen Aufgabenstellung hin zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Darum empfiehlt es sich, hier mindestens so lange zu verweilen, bis allen Beteiligten ausreichend klar und plausibel ist, worum es (warum) gehen soll.

Hinzu kommt ein weiterer untrüglicher Indikator: Jedes Unternehmen, das sich in einen solchen Prozess wagt, steht irgendwo „auf der Bremse“. Sonst wäre dieser Prozess unnötig. Ob man „diese Bremse erwischt hat“, zeigt sich daran, dass es während der Auftragsklärung schwerer, ungeduldiger, flüchtig, diffus, mitunter sogar schmerzhaft wird. Fehlt dieses Moment, kann es darauf hindeuten, dass wesentliche Probleme unberücksichtigt geblieben sind.

Das Leitinstrument dieser Phase ist der Auftrag. Es strukturiert den Weg vom (zunächst einmal vorläufigen und unreflektierten) Anliegen bis hin zum konkreten Projektdesign. Es ist wie alle Leitinstrumente dieser Publikation als Verständigungsgrundlage, als Dokumentation sowie als mögliche Leitschnur für die Bearbeitung der Phase geeignet und unterscheidet sich von den anderen Leitinstrumenten dadurch, dass es kaum durch weitere (Vertiefungs-)Instrumente untermauert wird. Die Bestimmung des „Was?“, „Wer?“, „Wann?“ und „Warum?“ ist eben viel weniger Analyse- als deutlich mehr Verstehens- und Kommunikationsprozess.

Leitinstrument "Auftrag"

Eine mögliche Anwendung des Leitinstruments besteht darin, dass Sie es im Führungskreis Schritt für Schritt durchgehen und ausfüllen. Übereinstimmungen können Sie festhalten oder hinterfragen. Wesentlicher ist eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Aspekten, die unterschiedlich beschrieben, erklärt oder bewertet werden. Dabei gibt es keine Pflicht zum Konsens, aber es empfiehlt sich eine Klärung, soweit möglich. Unterschiede können Sie (beispielsweise andersfarbig) hervorheben. Nach einer Gesamtschau stellen sich die ent­scheidenden Fragen, ob ein gemeinsames und tragfähiges Bild über die Ausrichtung des Prozesses entstanden ist und ob der Fokus inklusive der angedachten Arbeitsweise dazu geeignet ist, ein reelles Problem sinnvoll zu bearbeiten.

Genauso ist es jedoch auch möglich, dass Sie die Fragen des Leitinstruments „lediglich“ als roten Faden im Kopf behalten und den einzelnen Themenkomplexen etwas freier nach­ gehen. Die Zusammenführung und Dokumentation können dann beispielsweise wieder über das Leitinstrument erfolgen. Welche Rolle es im Prozess einnehmen soll, ist sowohl eine Geschmacksfrage als auch stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall.

Hinweise und Erfahrungswerte

  • Das ursprüngliche Anliegen ist selten bereits der sinnvolle Schwerpunkt des Projektes. Arbeiten Sie diesen Schritt gemeinsam mit denjenigen aus, die eine tragende Rolle im Unternehmen und im Projekt übernehmen (werden), insofern es keine guten Gründe gibt, die dagegen sprechen. Dies setzt freilich eine gewisse Offenheit für andere Perspektiven voraus.
  • Gestalten Sie den Fahrplan flexibel und betrachten ihn als Richtschnur, die im weiteren Verlauf und mit zunehmender inhaltlicher Klarheit verändert werden kann. Dies im Blick zu behalten, ist Chefsache.
  • Nehmen Sie sich Zeit für diesen Schritt, damit sparen Sie sich vermeidbare Schleifen und Frustrationen, die gerne als Anlass für unfruchtbare Konflikte genommen werden.
  • Bleiben Sie neugierig und auf der Suche nach der Frage: Wodurch wird das Problem zum Problem?
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  • © Leon Rafael / iStock.com – Knäul (1659_knäul.jpg)