Phase 3: „Abwägen & Entscheiden“

Wenn man einen falschen Weg einschlägt, verirrt man sich umso mehr, je schneller man geht. 

Denis Diderot

In der dritten Phase geht es „ans Eingemachte“. Ist die Ausgangslage hinreichend klar und verstanden, gilt es zu entscheiden – eine riskante Angelegenheit! Wie soll das Geschäftsmodell der Zukunft aussehen? Welchen Kurs soll das Unternehmen nehmen? Wer entscheidet, kann scheitern. Dies im Blick kann eine hilfreiche Haltung entstehen, die von Aufmerksamkeit, Behutsamkeit und Mut geprägt ist. Eine gründliche Vorbereitung kann jedoch nicht schaden und auch dort eine Vorsorge darstellen, wo das Glück ausbleibt.

Mit Abschluss der vorherigen Phase ist klar, worauf mit den anstehenden Entscheidungen reagiert werden soll, meist liegen bereits Optionen für den künftigen Unternehmenskurs vor. Diese zu schärfen, durch weitere sinnvolle Optionen zu ergänzen und alle vernünftigen Handlungsalternativen abzuwägen, ist daher Gegenstand dieses Abschnitts. Er ist so angelegt, dass die Erwartungen und Preise der gewählten Optionen im Sinne eines aktiven Risikomanagements ein gutes Stück weit reflektiert werden. Er stellt darüber hinaus gewissermaßen das Bindeglied zwischen Analyse und Umsetzung dar – und als solches umfasst er eine kritische Prüfung der bisherigen Ergebnisse und eine kompakte Zusammenfassung des gewählten Weges zur Vorbereitung der Umsetzung.

Alles in allem verbindet die Phase „Abwägen & Entscheiden“ das Gestern und das Morgen miteinander. Aus der schlüssigen Verbindung dessen, was das Unternehmen bis heute auszeichnet und positioniert auf der einen und dem begründeten Kurs im Sinne einer Vision auf der anderen Seite, entfaltet eine Unternehmensstrategie ihre Kraft. Die schönsten Pläne bleiben Pläne, solange sie nicht erfolgreich in die Tat umgesetzt werden (können). Hier sind Abwägungen und Weichenstellungen gefragt, die Sorgfalt verlangen: zwischen dem Angestrebten und dem Möglichen, zwischen dem Tagesgeschäft und den strategischen Initiativen, zwischen den Liquiditätserfordernissen und der Investition in die Zukunft. Daher wird dieser Schritt erst beendet, wenn der Führungskreis eine klare Entscheidung getroffen hat und die „Strategische Identität“2 im Sinne der beschriebenen Verbindung von Bestehendem und Neuem hinreichend plausibel ist.

Das Leitinstrument dieser Phase ist die „Unternehmensstrategie“. Es schlägt die Brücke von den strategischen Herausforderungen hin zur „Strategischen Identität“ des Unternehmens und legt besonderen Wert auf die Reflexion der Chancen, Risiken und Preise der Entscheidung.

Auch für dieses Leitinstrument bieten wir einen „Beipackzettel“:

  • Die erste Station des Leitinstruments ist die „Strategische Ausgangslage“. Diese greift die Ergebnisse aus dem vorherigen Abschnitt auf. Das Gesamtbild aus strategischen Herausforderungen, Grundsatzentscheidungen und bestehenden Optionen ermöglicht durch seine kompakte Form eine Orientierung, aber auch eine kritische Prüfung: Lässt das Zusammenspiel aus Handlungsnotwendigkeiten, unternehmenspolitischen Rahmenbedingungen und der Ausblick auf vorläufige Handlungsoptionen sinnvolle Entscheidungen zu? Falls Ihre Antwort „Nein“ lautet, ist der Umgang mit dieser „Sackgasse“ zu klären, die häufig die bestehende Unternehmenspolitik infrage stellt oder die weitere Optionenbildung befeuert.
  • Mit dem Schritt „Das Neue und der Weg dorthin“ geben Sie den im Raum stehenden Optionen eine klare Gestalt. Hier werden neue oder veränderte Geschäftsmodelle aufgenommen und beschrieben, ihre Integration und Einführung in die Gesamtorganisation betrachtet und Schlüsselmaßnahmen abgeleitet. Für die Beschreibung und gemeinsame Ausarbeitung des Geschäftsmodells eignet sich das Geschäftsmodell-Cockpit (S. 18). Es hilft, ein gemeinsames Verständnis über eine Option zu gewinnen, Lücken im Konzept zu schließen, alternative Möglichkeiten zu denken und herunterzubrechen. Sind bis zu diesem Punkt (noch oder wieder) mehrere Optionen im Spiel, können Sie alle in dieser Form beschreiben. Je nachdem, wie klar die Optionen bis hierhin geworden sind und wie eindeutig sie sich bis hierhin bereits zueinander ins Verhältnis setzen lassen, kann eine Abwägung im freien Spiel der Kräfte oder eine toolgestützte Bewertung Sinn ergeben. Dies gilt auch für den nächsten Schritt.
  • Der Abschnitt „Erwartungen und Preise“ schafft eine solide Entscheidungsgrundlage und ist für die nachhaltige Verankerung des neuen Geschäftsmodells häufig wesentlich. Um eine solche Entscheidungsgrundlage zu schaffen, untersuchen Sie die verbliebenen Optionen auf Chancen und Risiken. Die Frage nach den Risiken eignet sich zudem wunderbar als Input für das nachgelagerte Controlling. Die Verbindung der Chancen und Preise dient mindestens zwei weiteren Funktionen: Zum einen kann damit der einzuschlagende Kurs robuster werden, indem „Durststrecken“ und Rückschläge erklärbar sind. Zum anderen kann damit einer Dynamik vorgebeugt werden, die jegliche Innovation als Risiko mitführt. Gemeint ist damit, dass sich Vertreter des Bewährten und Vertreter des Neuen wechselseitig ab- und den eigenen Standpunkt aufwerten, bis es zu verhärteten Fronten, verdecktem (oder offenem) Widerstand und Lähmung kommt. Ein Ausweg aus dieser ungünstigen Dynamik kann die Arbeit mit dem Innovationsparadoxon (S. 134) darstellen.
  • Ist die Entscheidung für eine Option gefallen, können Sie Ihren strategischen Kurs mithilfe der „Strategischen Identität“ begreifbar machen. Sie ist ferner weitaus robuster als sich womöglich täglich ändernde Gant-Diagramme und Excel-Tabellen und bietet damit eine längerfristige Orientierung.

Leitinstrument „Unternehmensstrategie“

Eine mögliche Anwendung des Leitinstruments besteht darin, dass Sie es im Führungskreis Schritt für Schritt durchgehen und ausfüllen. Übereinstimmungen können Sie festhalten oder hinterfragen. Wesentlicher ist eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Aspekten, die unterschiedlich beschrieben, erklärt oder bewertet werden. Dabei gibt es keine Pflicht zum Konsens, aber es empfiehlt sich eine Klärung, soweit möglich. Unterschiede können Sie (beispielsweise andersfarbig) hervorheben. Nach einer Gesamtschau stellen sich die ent­ scheidenden Fragen, ob ein gemeinsames und tragfähiges Bild über die Ausrichtung des Prozesses entstanden ist und ob der Fokus inklusive der angedachten Arbeitsweise dazu geeignet ist, ein reelles Problem sinnvoll zu bearbeiten.

Genauso ist es jedoch auch möglich, dass Sie die Fragen des Leitinstruments „lediglich“ als roten Faden im Kopf behalten und den einzelnen Themenkomplexen etwas freier nach­ gehen. Die Zusammenführung und Dokumentation können dann beispielsweise wieder über das Leitinstrument erfolgen. Welche Rolle es im Prozess einnehmen soll, ist sowohl eine Geschmacksfrage als auch stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall.

Hinweise und Erfahrungswerte

Unsere Erfahrungen mit dieser Phase sind beschränkter als diejenigen mit den übrigen Phasen. Dies liegt vor allem daran, dass bis zu diesem Punkt häufig bereits klar war, wohin die Reise geht, und sich eine weitergehende Beschäftigung mit den Optionen erübrigte.

  • Es ist keinesfalls selbstverständlich, dass sich ein Führungskreis offen und streitbar mit möglichen Wegen in die Zukunft auseinandersetzt. Dies kann unternehmenskulturell tief verankert sein und sich einer unmittelbaren Beeinflussung damit entziehen. Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es solche Gruppen, die sich tagelang über die eine „richtige“ Lösung streiten. Sind die Konstellationen schwierig – etwa aufgrund eines Patts zwischen zwei gleichberechtigten Geschäftsführern – können Ihnen Konfliktmoderationen, Teamentwicklungen oder Einzelcoachings helfen, um diese Blockade aufzulösen. Besteht in einer Organisation – allgemeiner gesprochen – eine hartnäckige „Entscheidungsschwäche“, führt meist kein Weg an einer externen Begleitung oder harten Personalmaßnahmen vorbei.
  • Die Konjunktur agiler Organisationsformen ist zu einem guten Teil sicher eine Modeerscheinung und damit so vergänglich wie unbedeutend. Größtenteils scheint angesichts sich beschleunigender Umweltdynamiken und steigender Ungewissheiten allerdings auch „etwas dran zu sein“. Fassen Sie die Möglichkeit ins Auge, riskante Entscheidungen in einem begrenzten Feld zu treffen und rasch auszuwerten – soweit als Ausblick und Verbindung zur letzten Phase „Umsetzen & Organisieren“.

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2 Das Konzept der „Strategischen Identität“ geht auf Wigand F. Große-Oetringhaus zurück.

Übersicht der Vertiefungsinstrumente (Tools)

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