Wichtige Fragen vorab geklärt (FAQ)
Bemerke, höre, schweige. Urteile wenig, frage viel.
August von Paten-Hallermünde
Was können Sie von diesem Buch erwarten?
Mit diesem Buch möchten wir Entscheidern mittel- ständischer Unternehmen einen Rahmen an die Hand geben, um die eigene Situation zu reflektieren und einen Geschäftsmodellentwicklungsprozess erfolgreich zu begleiten. Als Ergebnis am Ende dieses Prozesses steht ein belastbares, gemeinsam geteiltes Bild davon,
- wie die Zukunft des Unternehmens aussehen soll,
- was dafür benötigt wird,
- mit welchen Hürden und Preisen zu rechnen ist
- und wie die nächsten Schritte aussehen können.
Jeder Geschäftsmodellentwicklungsprozess ist so individuell wie die Situation des Unternehmens. Daher haben wir eine Methodik entwickelt, die einerseits Orientierung gibt, ohne allzu viel auszublenden, und andererseits ausreichend Raum für eine passgenaue Konfektion lässt, ohne in Beliebigkeit zu enden. Daneben haben wir Ihnen eine Auswahl an gut kommentierten Instrumenten – oder zu neudeutsch Tools – beigelegt. Deren Blankovariante lädt dazu ein, unmittelbar mit der Arbeit zu beginnen. Diese Vorlagen finden Sie unter www.geschäftsmodellentwicklung.de.
Mit welchem Aufwand dürften Sie rechnen?
Um ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln, ist in der Regel eine Reihe mehrerer (meist zwischen drei und sieben) tagesfüllender Workshops notwendig. Im Allgemeinen planen wir zwischen den einzelnen Tagen Pausen ein, denn oft ergeben sich im Laufe des Prozesses offene Fragen. Diese Pausen können dann sinnvoll genutzt werden, um Lücken zu füllen und auf einer belastbaren Grundlage weiterzuarbeiten. Meist nimmt der Prozess auch deshalb einen längeren Zeitraum von wenigstens mehreren Monaten in Anspruch, weil sich Pläne während der Umsetzung ändern (müssen). Eine regelmäßige Reflexion des Zusammenspiels aus Plänen und Umsetzungserfahrungen rechtfertigt in diesem Zusammenhang das Schlagwort „agil.“
Was meinen wir, wenn wir von Geschäftsmodellentwicklung sprechen?
Mit Geschäftsmodellentwicklung meinen wir – kurz gesagt – eine spezielle Form von Strategiearbeit, die sinnvoll dabei unterstützt, in einer sich zunehmend verändernden Umwelt zu navigieren. Denn (fast) un- abhängig von der Branchenzugehörigkeit beobachten wir, dass eine sich immer rasanter wandelnde und komplexer werdende Umwelt für die meisten Unternehmen längst Realität geworden ist. Unsicherheiten nehmen zu und Möglichkeiten wachsen exponentiell. Dabei verändert sich die (angedachte) Funktionsweise eines Geschäfts im Grunde immer.
Klassische Ansätze der Strategieentwicklung greifen hier mitunter zu kurz, da sie eher auf die kleinteilige Analyse und Anpassung des Bestehenden abzielen. Daneben haben sich seit der Jahrtausendwende vor allem in der Start-up-Szene zahlreiche Ansätze entwickelt, die explizit Geschäftsmodellinnovationen (also weitreichende Veränderungen) befördern sollen. Im zweiten Fall entstehen dort Risiken, wo der Status quo, die Möglichkeitsräume und das Zusammenspiel aus Neu und Alt nicht ausreichend ins Auge gefasst werden.
Geschäftsmodellentwicklung ist unsere Antwort darauf: Ein Strategieansatz, der es erlaubt, lösungsoffen in die Zukunft zu blicken und an möglichen Zukünften zu arbeiten, ohne den Bezug zum „Hier und Jetzt“ zu verlieren. Das Geschäftsmodell als Orientierungsrahmen eignet sich dafür besonders. Es kann dabei helfen, gemeinsam die Funktionsweise des Unternehmens, eines Geschäftsfeldes und einer möglichen Zukunft zu begreifen, zu bewerten und neu zu modellieren. Mehr dazu im Abschnitt „Das Geschäftsmodell-Cockpit (Tool)“.
Wie nutzen Sie dieses Buch?
Eine Methode muss dem jeweiligen Einsatzzweck angepasst werden und nicht umgekehrt. Daran führt kein Weg vorbei, insbesondere nicht bei einer so anspruchsvollen und höchst individuellen Aufgabe wie der Geschäftsmodellentwicklung. Bei dieser Publikation handelt es sich nur sehr bedingt um eine Anleitung, sondern eher um einen Rahmen, den Sie individuell füllen können. Damit Sie Ihren individuellen Weg bedarfsgerecht entwickeln können, besteht unsere Methodik aus mehreren aufeinander bezogenen Teilen:
Den stabilen Rahmen jedes Geschäftsmodellentwicklungsprozesses bildet unser Phasenmodell (siehe Abschnitt „Das Prozessmodell und seine Phasen“). Dieses gibt mit den wesentlichen Arbeitsschritten eine grundsätzliche Projektarchitektur vor. Die Phasen bauen auf- einander auf. Erst wenn Klarheit in einer Phase geschaffen ist, empfehlen wir den Eintritt in die nächste.
Ein jeweils zur Phase gehöriges Leitinstrument dient als Wegweiser, um sich in den Phasen zu orientieren, die Ergebnisse zu dokumentieren und über den Übergang in die nächste Phase sinnvoll zu entscheiden.
Welche der dort beschriebenen Aspekte in welcher Reihenfolge und welcher analytischen Tiefe bearbeitet werden, ist eine Frage des konkreten Projektdesigns und damit individuell zu beantworten. Jeder Phase haben wir eine Auswahl von Tools beigefügt, die wir selbst gern und gut anwenden. Die kommentierten Tools finden Sie ebenso wie eine breitere Auswahl an Instrumenten unter www.geschäftsmodellentwicklung.de.
Eine wichtige Leitschnur bei der Ausgestaltung des Projektdesigns ist ein Veränderungsverständnis, das wir in Form von zentralen Botschaften in einem nach- folgenden Kapitel offenlegen. Sie sind integraler Bestandteil des Modells, das – so unsere Befürchtung – andernfalls nicht angemessen verständlich würde.
Unsere Methode ist so angelegt, dass Unternehmen sie ohne externe Unterstützung selbstständig anwenden können. Nichtsdestotrotz haben wir die Erfahrung gesammelt, dass in vielen Fällen eine Unterstützung durch einen außenstehenden Prozessbegleiter hilfreich, in manchen Fällen sogar unabdingbar ist.
Für wen eignet sich der beschriebene Prozess?
In ihrem pragmatischen und auf Verständigung zielenden Aufbau ist die Methode ganz auf die Bedarfe von kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnitten. Genauer gesagt richtet sie sich an deren Führungskräfte, interne Prozessbegleiter, aber auch Berater – also alle Personen, die für die Organisation und Ausgestaltung von Veränderungs- und Strategieprozessen in mittelständischen Unternehmen Verantwortung tragen.
Aufgrund ihrer Flexibilität eignet sich die Methode für alle Branchen und ein erhebliches Spektrum an Unternehmensgrößen: von der Gründerin über das Handwerksunternehmen bis zum mittelständischen Maschinenbauer.
Gemeinsam war ihnen die „gefühlte“ Notwendigkeit, etwas zu ändern. Beispielsweise weil eine neue Geschäftsführerin künftig die Geschicke des Unternehmens leiten soll, eine Nachfolge an die nächste Generation ansteht, bestimmte Pläne seit Jahren nicht konsequent umgesetzt werden oder Konflikte im Führungskreis schwelen und nicht konstruktiv aufgelöst werden können. Last but not least kann ein solcher Prozess dort sinnvoll sein, wo sich Märkte grundlegend ändern und Chancen eröffnen oder eine Neuerfindung des Unternehmens (perspektivisch) die einzige Alternative zu seiner Liquidierung darstellt.
Deshalb ist unser Ansatz so aufgebaut, dass er Unternehmen mit weitreichenden Vorhaben ebenso unterstützt, wie diejenigen, die nur inkrementelle Veränderungen anstreben – mit mehr oder weniger Digitalisierung als Werkzeug zur Umsetzung dieser Ziele.
Wer muss mit ins Boot?
Die Arbeit am Geschäftsmodell ist Chefsache. Deshalb finden die Workshops in erster Linie im Entscheiderkreis statt. Je nach Organisationsaufbau und Unternehmenskultur umfasst dieser nur die Geschäftsführung, den engeren Führungskreis oder auch weitere Teile der Führungsmannschaft.
Zwar ist die Entscheidung über den zukünftigen Kurs Chefsache, von der (wohldurchdachten) Beteiligung von Mitarbeitern kann jedoch der gesamte Prozess profitieren – sei es hinsichtlich der Umsetzung, der Einbindung ihrer Eindrücke und Wahrnehmungen oder weil der neue Kurs dadurch eine breitere Basis erhält.
Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Unternehmensumwelten verändern sich laufend und immer schneller. Entsprechend verändern sich auch die (in unserem Fall) mittelständischen Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle permanent. Veränderung ist der Normalfall. In diesem steten Wandel erleben wir hin und wieder größere Umbrüche. Einiges spricht dafür, dass die Digitalisierung einen solchen Umbruch bezeichnet. Ob er ähnlich große Auswirkungen wie die Erfindung der Dampfmaschine im 18. Jahrhundert oder die aus Elektrizität und Chemie resultierenden Anwendungen in Form von Elektromotor, Radio, Energienetze und Telefon zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben wird, bleibt vorläufig offen (vgl. Schumpeter 2010), wenngleich vieles dafürspricht.
Folgerichtig begegnen wir derzeit etwa Kfz-Händlern, die ihr ganzes Geschäft auf den Prüfstand stellen, Automobil-Zulieferern, die sich fragen, wie folgenreich der Bedeutungsverlust von Verbrennungsmotoren sie treffen könnte, oder Handwerksbetrieben, die plötzlich neuen digitalisierten Konkurrenten gegenüberstehen. Und mitunter treffen wir findige Unternehmer, die aktiv die Spielregeln ihrer Branche selbst zu verändern versuchen. Aber um der Wahrheit Genüge zu tun: Wir begegnen mindestens genauso vielen Unternehmen, die sich von der Digitalisierung nur am Rande betroffen fühlen und sich mit graduellen Anpassungen auch in Zukunft noch gut aufgestellt sehen.
Dies zeigt deutlich, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist. Wir begreifen sie im Rahmen unserer Geschäftsmodellentwicklung als Zweierlei:
- als Umweltbedingung, die gegebenenfalls eine Anpassung des eigenen Geschäftsmodells notwendig macht.
- als mögliches Werkzeug, um die Geschäfte sinnvoll weiterzuentwickeln oder vollkommen neu zu denken.
Denjenigen, die sich über Digitalisierungsansätze mittelständischer Unternehmen informieren oder sich inspirieren lassen wollen, empfehlen wir einen Blick in das Digitalisierungs-Cockpit des RKW Kompetenzzentrums auf www.digitalisierungs-cockpit.de.
Wodurch zeichnet sich der Ansatz aus und worauf gründet er?
Unser Ansatz ist praxiserprobt und gründet sich auf unseren Erfahrungen bei der Begleitung von kleinen und mittleren Unternehmen. Uns war es vor allem wichtig, dass er einerseits pragmatisch und effizient anwendbar ist, andererseits aber auch erfolgreiche, tragfähige Entscheidungen und Veränderungsprozesse zielgerichtet befördert.
Deshalb nimmt unser Ansatz nicht nur Sachthemen in den Blick, sondern fokussiert einen Verständigungsprozess im Unternehmen, der Interessen- und Zielkonflikte, abweichende Einschätzungen oder unterschiedliche Risiko- und Veränderungsbereitschaft sichtbar und bearbeitbar macht.
Nicht zuletzt aus diesem Grund setzen wir nur sehr sparsam auf dezidierte Planungen oder eine möglichst erschöpfende Analytik. Schließlich lassen sich nicht sämtliche Antworten errechnen, schon gar nicht die auf die wichtigsten Zukunftsfragen, die drängendsten strategischen Herausforderungen und die größten internen Hürden. Hier ist oft genug weit „mehr“ gefragt, um nicht nur Papier, sondern eine erfolgreiche Zukunft „zu produzieren“: Kreativität, Kommunikation, Bauchgefühl, unternehmerisches Denken, Entscheidungskraft und Ausprobieren!
Ausdrücklich sprechen wir uns gegen eine Haltung aus, dass Geschäftsmodellentwicklungen in einer geschlossenen und linearen Form sinnvoll realisierbar wären. Mitunter heißt es, sich an eine Entscheidung heranzutasten, Hürden stückweise zu bearbeiten oder erste Ergebnisse noch mal auf den Prüfstand zu stellen. Eine Herausforderung, die in agilem Arbeiten ihren Ausdruck findet.
Dabei setzen wir auf eine möglichst große Offenheit und Flexibilität sowohl beim konkreten Projektdesign als auch bei der grundsätzlichen Stoßrichtung. Denn ob etwa ein leicht verändertes Geschäftsmodell oder eine grundlegende Geschäftsmodellinnovation sinnvoll ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und klärt sich häufig erst im Laufe des Prozesses.
Mit unserem Konzept der Geschäftsmodellentwicklung verbinden wir das Beste aus verschiedenen Welten und schließen dort an Bewährtes an, wo es uns passend erscheint. Dazu gehören beispielsweise die Arbeiten von Roman Stöger, Wigand F. Große-Oetringhaus oder Alexander Osterwalder. Auf einer grundlegenderen Ebene, in den Bauplänen unseres Ansatzes sozusagen, finden sich außerdem Anleihen an die Systemtheorie beziehungsweise systemische Ansätze, die für uns mit Namen wie Niklas Luhmann, Reinhard Nagel, Rudolf Wimmer oder Klaus Eidenschink verknüpft sind.
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