Gestaltungsdimensionen von Expertenlaufbahnen
Um die Gestaltungsdimensionen von Expertenlaufbahnen herzuleiten, wurden Praxisbeiträge von 32 Unternehmen4 analysiert und qualitativ ausgewertet. Die qualitative Analyse bringt neun Gestaltungsdimensionen hervor, die sich wiederum aus Kriterien zusammensetzen5. In einem zweiten Schritt wurden Inhalts-, Prozess- und Charaktertheorien der Motivation herangezogen, um die einzelnen Kriterien der Gestaltungsdimensionen zu erklären. Das zweistufige Vorgehen bringt einen Benchmark je Gestaltungsdimension hervor und ermöglicht zugleich eine Begründung dafür, wie die Kriterien im optimalen Fall ausgestaltet werden sollten, um eine motivierende Wirkung auf Mitarbeiter zu entfalten.
Aus motivationaler Sicht kann übergreifend festgehalten werden, dass es darum geht, Zufriedenheit bei Experten zu erzeugen. Dies liegt darin begründet, dass zufriedene Mitarbeiter eher zur Leistungserbringung bereit sind und darüber hinaus Verhaltensweisen wie Arbeitsengagement und anhaltende Problemlösebereitschaft zeigen sowie weniger Ambitionen haben, das Unternehmen zu verlassen, als unzufriedene Mitarbeiter (siehe 3.4 Karrieremanagement). Im Sinne des Züricher Modells der Arbeitszufriedenheit (Bruggemann, 1974) können organisationale Maßnahmen ergriffen werden, um stabilisierte oder progressive Arbeitszufriedenheit bei Experten zu erzeugen, die diese positiven Auswirkungen für Unternehmen mit sich bringen (Steinmann et al., 2013). Da die Bedürfnisse einer Person maßgeblich darüber bestimmen, was jemand als optimalen Soll-Zustand für sich definiert, muss die Ausgestaltung einer Expertenlaufbahn an die Bedürfnisse von Experten anknüpfen, um die Erreichung des Soll-Zustandes zu gewährleisten und dadurch Arbeitszufriedenheit herbeizuführen.
Um die Arbeitszufriedenheit von Experten dauerhaft aufrechtzuerhalten, ist das Gerechtigkeitsempfinden von Experten gegenüber anderen Mitarbeitern ausschlaggebend. Der Equity-Theorie (Adams, 1965) zufolge entsteht das Gefühl der Gerechtigkeit aus einem als ausgeglichen empfundenem Input-OutputVerhältnis eigener Aufwendungen im Verhältnis zu denen relevanter anderer Personen. In Bezug auf die Expertenlaufbahn ist ein als ausgeglichen empfundenes Input-Output-Verhältnis zu Führungskräften dadurch zu bewirken, dass eine adäquate Einstufung von Experten im Verhältnis zu Führungskräften vorgenommen wird. Hierzu ist eine äquivalente Ausgestaltung ranggleicher Positionen der Experten- und Führungslaufbahn hinsichtlich der Gestaltungsdimensionen notwendig. Insofern erstreckt sich der Anspruch auf Gerechtigkeit über alle Gestaltungsdimensionen einer Expertenlaufbahn und führt dazu, dass Experten- und Führungslaufbahn als gleichberechtigte Alternativen wahrgenommen werden und die Expertenlaufbahn nicht als zweitrangiger Karriereweg erscheint (Badawy, 1995).
4 Audi AG (Cohrs, 2011), Bachmann (Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), Carl Zeiss (Tasch, 2011), Credit Suisse (Bannister, 2011), Deka Bank (Bers & Büdel, 2006), Digital Equipment (Hofstetter, 1994), Dornier (Renneke, 1994), Dräger (Wenzel, 2011), Embarco S.A. (Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), E.ON Energie (Reumschüssel & Brauner, 2011; Schütte & Zimmermann, 2006), E-Plus (Deuter, Günzel, Kokoschka & Stockhausen, 2009), Hewlett-Packard GmbH (Hofstetter, 1994), IBM (Foerster, 1994; Hofmann, 2008; Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011; Dürmeyer, 2011), IDEO (Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), Knorr-Bremse (Heinisch & Schölderle, 2011), Linde Gas (Turbanski, 2011), Lufthansa (Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), LV 1871 (Wieczorek, 2007), Mercuri Urval (Nußbaum, 2011), O2 (Hedler & Miketta, 2007), Phoenix Contact (Olesch, 2007, 2011; Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), Robert Bosch GmbH (Schlichting, 2011), Salzgitter Flachstahl GmbH (Neuhäuser, Köhler & Gießelmann, 2011), Schwäbisch Hall AG (Steffen, 2011), Sick AG (Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), Siemens (Stehle, 2007), T-Systems (Förster & Bohnic, 2009), VPV Versicherungen (Schorpau-Leibkusch & Saturno, 2009, 2011), Wandel & Goltermann Gruppe (Jochum, 1994), Wittenstein (Geiger & Rausch, 2008; Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011), 3M Deutschland GmbH (Ströttchen, 1994), 3M ESPE (Pfahl, 2007).
5 Da nicht in jedem Praxisvergleich Informationen zu allen Gestaltungsdimensionen enthalten sind, variiert die Anzahl an Unternehmen, die in den Vergleich einbezogen sind.