Anforderungskriterien

Wie unter 5.3 Hierarchie & Titel bereits erwähnt, ist es maßgeblich, Zugangsvoraussetzungen zur Expertenlaufbahn und Anforderungskriterien für jede Stufe der Expertenlaufbahn zu definieren, die eine klare Abgrenzung der einzelnen Stufen ermöglichen, und diese transparent zu machen. In der Regel liegen derartige Anforderungsprofile für Stellen in der Führungslaufbahn vor, und es ist im Sinne der Parallelität beider Laufbahnen auch hier empfehlenswert, Praktiken der bestehenden Laufbahn auf die Expertenlaufbahn zu übertragen. Unterbleibt dies, entsteht bei Experten Frustration und Unsicherheit, die auf empfundene Ungleichheiten zurückzuführen sind (Badawy, 1995). Um das Erstellen von Anforderungsprofilen zu erleichtern, können ähnliche Fachfunktionen zusammengefasst und für diese übergreifende Anforderungen definiert werden. Dies bietet sich besonders dann an, wenn eine derartige Bündelung von Fachfunktionen zu Jobfamilien bereits vorliegt (Francke & Chmielarski, 2010; Heimerl-Wagner, 1994). Darüber hinaus dient die Definition von Anforderungskriterien der späteren Kommunikation von Expertenlaufbahnen, da anhand der Kriterien argumentiert werden kann, weshalb die Expertenlaufbahn keine „Karriere zweiter Klasse“ darstellt. Hierzu ist es hilfreich, ein Stellenbewertungsverfahren heranzuziehen, anhand dessen sowohl Experten- als auch Führungspositionen hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Unternehmen bemessen werden und das eine Gleichwertigkeit der Laufbahnen bezüglich ihrer Anforderungen ermöglicht (Francke & Chmielarski, 2010).

Es wird empfohlen, Anforderungskriterien an dem Unternehmensbedarf und den zukünftig benötigten Kompetenzen auszurichten (Francke & Chmielarski, 2010) und sich von der Seniorität als hauptsächlichem Beförderungskriterium zu entfernen (Nußbaum, 2011). Allen und Katz (1986) stellen fest, dass Anforderungskriterien bei der Einführung von Expertenlaufbahnen noch eine Rolle spielen, die Orientierung an den Anforderungskriterien im Zeitverlauf jedoch nachlässt und die Expertenlaufbahn als Belohnungsinstrument von treuen Mitarbeitern (Senioritätsprinzip) oder – schlimmer noch – als Abstellgleis für nicht erfolgreiche Manager genutzt wird.

Werden Leistungskriterien definiert, die Mitarbeiter erreichen können, indem sie benötigte Kompetenzen entwickeln und spezifische Arbeitsergebnisse erzielen, steigt die Einflussüberzeugung, welche Mitarbeiter auf die Zielerreichung empfinden. Dies wiederum hat eine motivierende Wirkung und führt, gekoppelt mit der transparenten Kommunikation der Anforderungskriterien, dazu, dass Mitarbeiter die Anforderungskriterien der nächsthöheren Hierarchiestufe als Ziele formulieren und diese verfolgen. Je nachdem, welche Persönlichkeitseigenschaften ein Mitarbeiter aufweist, werden diese Ziele besser oder schlechter erreicht. Hohe Selbstwirksamkeits und Kontrollüberzeugungen zum Beispiel sind in diesem Zusammenhang förderlich. Durch die persönlichen Fähigkeiten sind der Erfüllung der Anforderungskriterien natürliche Grenzen gesetzt. Um das Peter-Prinzip zu vermeiden, sollte dringend darauf geachtet werden, nur solche Mitarbeiter in höhere Positionen zu befördern, die über das Potenzial verfügen, weitere Karriereschritte zu gehen (siehe 5.6 Entwicklungswege & Beförderungen).

Welche Anforderungskriterien als Maßstab angelegt werden, bleibt im Detail jedem Unternehmen überlassen. Jedoch haben sich die Anforderungen an Experten stark gewandelt, so dass es nicht mehr ausreichend ist, dass Experten lediglich über Fachwissen verfügen (Francke & Chmielarski, 2010). Besonders auf hohen Ebenen der Expertenhierarchie sind zunehmend auch Managementqualitäten gefragt, was damit zu begründen ist, dass spätestens hier das fachliche Managen von Themen relevant wird (Francke & Chmielarski, 2010). Auf allen Ebenen sind Kommunikations- und Präsentationskompetenzen gefragt (Sauermann, 2011), was auf die Aufgabeninhalte der Experten zurückzuführen ist (siehe 3.7 Arbeits- & Aufgabengestaltung). Die generelle Eignung für die Expertenlaufbahn sollte geprüft werden, bevor diese eingeschlagen wird (Dubbert & Linde, 2000). Bei der Definition der Anforderungskriterien gilt es zu überlegen, ob eine Gewichtung vorgenommen wird oder ob alle Kriterien als gleich wichtig behandelt werden (Sieber Bethke, 2007).

Aus dem durchgeführten Praxisvergleich geht hervor, dass die Definition der Anforderungen unterschiedlich vorgenommen wird. 26 der analysierten Unternehmen sagen explizit aus, dass definierte Anforderungen je Stufe vorliegen, die eine klare Differenzierung der Stufen ermöglichen. Die Definition der Anforderungen erfolgt zum Teil über eine Skala oder durch detaillierte Beschreibungen der einzelnen Anforderungsstufen. Bei manchen Unternehmen ist eine summarische Bewertung der Kriterien je Verantwortungsebene ausreichend (Dräger), bei anderen wird zwischen erwünschten und notwendigen Kriterien unterschieden (Knorr-Bremse), wohingegen andere auf eine gleichwertige Erfüllung aller gestellten Anforderungen Wert legen (Carl Zeiss). Berblinger und Knörzer (2009) subsummieren als ein Ergebnis ihrer Studie, dass Seniorität als Aufstiegskriterium ausgedient hat. Dies kann aus dem Praxisvergleich nicht geschlussfolgert werden. 17 Unternehmen geben hier an, dass die interne Berufserfahrung zur Abgrenzung der Expertenstufen eine Rolle spielt.