Entwicklungswege & Beförderungen
In der Regel suchen Experten nach Entwicklungsmöglichkeiten, die es ihnen erlauben, ihre Fachexpertise auszubauen und das eigene Aufgabenspektrum zu erweitern, wodurch Autonomie, Fach- und Ressourcenverantwortung steigen (Brousseau et al., 1996; Schein, 1994). Typische Karriereschritte umfassen Wechsel innerhalb des Fachgebiets und sind nicht notwendigerweise mit dem Erreichen einer höheren Hierarchieebene verbunden (Brousseau et al., 1996). Für Experten ist die ständige Erweiterung der eigenen Fachkompetenzen ein bedeutender Bestandteil des eigenen Selbstbildes. Entsprechend diesem Karriereverständnis sollten Organisationen darauf bedacht sein, Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten, die diesen Bedürfnissen entsprechen, und vor allem darauf achten, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Expertise organisational unterstützt wird. Das Vorhandensein von Jobfamilien kann an dieser Stelle hilfreich sein, indem jobfamilienübergreifende Expertenlaufbahnen eingeführt werden. Da sich die Anforderungsprofile angrenzender Jobfamilien oftmals ähneln, können Wechsel zwischen den Jobfamilien erleichtert werden. Dies wird von Experten als Vertiefung des Fachwissens innerhalb der Jobfamilie aufgefasst (Francke & Chmielarski, 2010). Allerdings sollte eine hohe extrinsische Karriereorientierung einen guten Mitarbeiter nicht daran hindern, die Expertenlaufbahn einzuschlagen. Für solche Experten, die bestrebt sind, eine vertikale Karriere zu verfolgen, sollten sich die Beförderungsmechanismen im Zuge der Gleichwertigkeit der Führungsund Expertenlaufbahn ähneln, damit die Expertenlaufbahn nicht als der langsamere Karrierepfad wahrgenommen wird (Badawy, 1995). Wie unter 5.3 Hierarchie & Titel bereits erwähnt, bieten besonders hierarchisch hohe Positionen die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, was auf die Autonomie zurückzuführen ist, die hier gewährleistet wird (von Rosenstiel, 2010). Entsprechend ist zu vermuten, dass Personen mit großem Drang nach Selbstverwirklichung diese extrinsische Karriereorientierung aufweisen.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass nicht jeder, der die Expertenlaufbahn einschlägt, ausschließlich für diese Laufbahn geeignet ist (Perlow & Bailyn, 1997). Es wird immer Mitarbeiter geben, die eine Eignung für verschiedene Laufbahnen (Management-, Projekt- oder Expertenlaufbahn) aufweisen, indem sie die Mindestanforderung verschiedener Laufbahnen erfüllen (siehe 5.4 Anforderungskriterien). Diese Mitarbeiter möchten sich möglicherweise nicht auf eine Laufbahn festlegen, sondern präferieren Wechselmöglichkeiten zwischen verschiedenen Laufbahnmodellen und Tätigkeiten. Dies entspricht dem Karriereverständnis von Bailyn (1982), die mit dem Konzept der hybriden Karrieren vorschlägt, derartige Wechsel zwischen Karrierepfaden und Arbeitsbereichen zuzulassen und somit einer gewissen Diskontinuität offen gegenüberzustehen. Indem Tätigkeiten in bestimmten Bereichen von Anfang an als Teilabschnitte einer Karriere aufgefasst werden, können Unternehmen die Flexibilität garantieren, die von neuen Karrierekonzepten wie der Patchwork-Karriere gefordert wird (Hall, 2002; Harrington & Hall, 2007; Zaug, 2008). Hiermit wird Mitarbeitern ebenfalls aufgezeigt, dass die Entscheidung für einen Karrierepfad nicht in einer Sackgasse endet, sondern dass Freiräume zur Gestaltung der eigenen Karriere bestehen (Bailyn, 1985; Francke & Chmielarski, 2010; Gupta & Singal, 1993). Es ist denkbar, dass sich derartige Wechsel auf unteren Positionen einfacher handhaben lassen, da mit steigender Hierarchieebene spezifischere Anforderungen gestellt werden und Know-how verlangt wird, dass nur durch Arbeitserfahrung im jeweiligen Bereich erworben werden kann. Aus diesem Grund sind Laufbahnwechsel auf höheren Positionen eher unwahrscheinlich (Sieber Bethke, 2007). Zumindest sollte aber sichergestellt sein, dass horizontale, diagonale und vertikale Laufbahnwechsel auf niedrigeren Stufen in Abhängigkeit des strategischen Personalbedarfs möglich sind (Francke & Chmielarski, 2010).
Eine zu starre Orientierung an Laufbahnpfaden, die keine Durchlässigkeit erlaubt, führt auch für das Unternehmen zu Problemen. Die starke Spezialisierung der Mitarbeiter führt zu einer Abnahme der Flexibilität bei der Personalplanung, da nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass Mitarbeiter in unterschiedlichen Funktionen wertschöpfend agieren können (siehe 3.4 Karrieremanagement). Des Weiteren führt dies zur Gefahr einer Zerteilung der Belegschaft in Abhängigkeit des Karrierepfades: Bestehen Führungs- und Expertenlaufbahn nebeneinander, laufen Unternehmen, die keine Wechsel zwischen den Laufbahnen zulassen, Gefahr, dass sich Mitarbeiter der Führungslaufbahn mit dem Unternehmenserfolg identifizieren, wohingegen Mitarbeiter der Expertenlaufbahn ausschließlich an technisch herausfordernden Aufgaben interessiert sind (Allen & Katz, 1992; Katz, Tushman & Allen, 1995). Diese Spaltung bringt Kommunikationsprobleme mit sich und hindert die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Experten. Als Lösung hierfür müssen Brücken zwischen der Expertenlaufbahn und der Managementlaufbahn eingebaut werden, damit sich Experten nicht isolieren und tatsächlich zum Unternehmenserfolg beitragen, indem sie den Technologietransfer sicherstellen und für Innovationen sorgen (Allen & Katz, 1992).
Beförderungen haben eine Belohnungs und Anreizfunktion, da sie sehr gute Arbeitsleistungen honorieren (im Fall leistungsorientierter Beförderungspraktiken) oder einen Vertrauensvorschuss darstellen (im Fall potenzialorientierter Beförderungspraktiken), und werden selbst in wirtschaftlich instabilen Zeiten durchgeführt, um guten Mitarbeitern Karriereperspektiven zu bieten (Berblinger & Knörzer, 2009; Sieber Bethke, 2007). Die motivierende Wirkung von Beförderungen ist für Experten dann besonders stark, wenn sie leistungsabhängig erfolgen und Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, Einfluss hierauf zu haben. Deshalb ist es, wie oben bereits beschrieben, so wichtig, dass die Anforderungskriterien den Mitarbeitern bekannt sind und Mitarbeiter nachvollziehen können, worauf Beförderungsentscheidungen beruhen. Eine verstärkte Wirkung der Motivation ist darüber hinaus dann zu erwarten, wenn Beförderungen zur vermehrten Anerkennung durch Peers führen. Aus diesem Grund ist die Kommunikation von Beförderungen, zum Beispiel über ein Rundschreiben, die Veröffentlichung im Intranet oder die Darstellung im Organigramm unerlässlich (Gerpott, 1994). Außerdem fördern zuverlässige Beförderungsdynamiken die Bindung von Mitarbeitern, da Mitarbeiter darauf vertrauen, selbst Chancen auf eine Beförderung zu haben, sobald alle Voraussetzungen gegeben sind (Erfüllung des Anforderungsprofils, Vakanz, erfolgreicher Auswahlprozess) und keinen Grund dafür sehen, außerhalb des Unternehmens nach entsprechenden Karrieremöglichkeiten zu suchen (Gupta & Singal, 1993). Um diese Anreizwirkung aufrechtzuerhalten, muss darauf geachtet werden, dass vereinbarte Leistungen von Experten erbracht werden. Wird dies nicht überprüft beziehungsweise folgt auf die Nichterfüllung keine Konsequenz, verliert die Expertenlaufbahn für diejenigen an Attraktivität, die vereinbarte Leistungen erbringen.
Der Unternehmensvergleich zeigt, dass Expertenlaufbahnen in der Praxis flexibel gestaltet werden, indem Wechsel zwischen der Führungs- und der Expertenlaufbahn zumindest bis zu einer bestimmten Hierarchiestufe (21 von 22 Unternehmen) und horizontale Wechsel innerhalb des Fachbereichs (7 von 9 Unternehmen) zugelassen werden. In der Regel sind Beförderungen von einer Stellenvakanz abhängig (13 von 14 Unternehmen) und erfolgen einmal jährlich (15 von 16 Unternehmen) in Folge des festgeschriebenen Auswahlprozesses. Sechs Unternehmen geben an, den Expertenstatus ihrer Mitarbeiter regelmäßig zu überprüfen. Stockhausen und Deuter (2011) haben in ihrer Studie unter 27 Unternehmen erfragt, welche Maßnahmen ergriffen werden, wenn ein Positionsinhaber seine Stelle nicht vollständig ausfüllt. Als häufigste Antwort erhielten sie, dass Mitarbeitergespräche geführt werden, um die festgestellten Defizite zu thematisieren. Acht Unternehmen beantworten die Frage mit Downsizing-, Rückführungs- und Degradierungsmaßnahmen, die zum Teil mit dem Entzug des Expertentitels einhergehen. Andere geben an, diesen Mitarbeitern besser passenden Aufgaben zuzuweisen und Versetzungen in andere Bereiche oder Funktionen vorzunehmen. Fünf Unternehmen beschreiben Versetzungen, die mit der Besitzstandswahrung von Titel und Gehalt verbunden sind. Ein weiteres Unternehmen beschreibt, dass extrinsische Motivatoren in Form von Boni in erheblicher Höhe entfallen, sobald die erwünschte Leistung nicht erbracht wird, was für Experten in der Regel einen Kündigungsgrund darstellt.