Exklusivität
Der exklusive Charakter von Expertenlaufbahnen bedeutet, dass ein inflationäres Vorhandensein von Expertenfunktionen vermieden werden sollte, um den Anreizcharakter der Expertenlaufbahn aufrechtzuerhalten. Dies beschreibt den motivationalen Aspekt der Attraktivität des Ergebnisses: Nur wenn die Besetzung einer Expertenposition als tatsächliche Belohnung oder Form der Anerkennung empfunden wird, wird sie als attraktiv und erstrebenswert wahrgenommen. Gibt es hingegen keine limitierte Anzahl verfügbarer Positionen, verlieren diese an Attraktivität und die Besetzung einer Expertenposition wird nicht als Anerkennung empfunden.
Um die Exklusivität der Expertenlaufbahn von der Konzeptionsphase an zu gewährleisten, ist bereits das gewählte Modell ausschlaggebend (Elite-, Spitzen-, Breiten, Pseudo-Modell; siehe 4.5 Konzeption von Expertenlaufbahnen). Unterschiedliche Autoren machen verschiedene Angaben zur optimalen Anzahl von Expertenpositionen, was unter anderem von der Unternehmensgröße, der Branche und der Anzahl vorhandener Managementpositionen abhängig ist. Die Angaben liegen bei einem Verhältnis von Führungs- zu Expertenpositionen zwischen 3:1 und 10:1 (Domsch, 1994; Gerpott, 1994; Sieber Bethke, 2007). Reilly (2004) weist darauf hin, dass in forschungsorientierten Unternehmen eine größere Anzahl an Expertenpositionen zielführend sein kann, da hier von hochqualifizierten Teams eine höhere Leistungserbringung zu erwarten ist als in Unternehmen, die ausschließlich kostengetrieben sind und bei denen viele Experten Mehrkosten verursachen. Alle empfehlen, Ernennungen zu Experten konservativ zu handhaben, um ihren Anreiz- und Exklusivitätscharakter zu wahren und weisen darauf hin, dass Spitzenmodelle (maximales Verhältnis von 5:1) oder Breitenmodelle (Verhältnis zwischen 4:1 bis 2,5:1) als optimal eingeschätzt werden. Als maximales Verhältnis rät Sieber Bethke (2007), so viele Expertenfunktionen einzurichten wie bestehende Managementpositionen (1:1-Verhältnis). Keinesfalls jedoch wird ein Pseudo-Modell empfohlen, bei dem es mehr Expertenpositionen als Managementpositionen gibt.
Um die Exklusivität der Expertenlaufbahn langfristig aufrechtzuerhalten, darf diese nicht als Abstellgleis für Mitarbeiter missbraucht werden, die in anderen Positionen wenig erfolgreich sind (Gunz, 1980). Dies würde zur Verwässerung der Expertenlaufbahn führen und hätte zur Folge, dass sie an Attraktivität verliert.
Der Praxisvergleich zeigt, dass die betriebliche Praxis bezüglich der Exklusivität der Expertenlaufbahn unterschiedlich gehandhabt wird. 18 der untersuchten Unternehmen machen Angaben dazu, ob ihre Expertenlaufbahn exklusiv ist oder nicht. Bei 16 der Unternehmen wird eine Beschränkung der Expertenpositionen vorgenommen, wohingegen zwei Unternehmen hierauf keinen Wert legen, was in erster Linie auf die Branche (Kreativität und Design) zurückzuführen ist. Bei einigen Unternehmen wie zum Beispiel Audi AG oder Schwäbisch Hall AG zeigen sich Mischformen aus verschiedenen Modellen, wobei es auf unteren Hierarchieebenen noch mehr Expertenpositionen gibt (Pseudo-Modell) und auf hohen Hierarchieebenen eine stärkere Begrenzung verfügbarer Expertenpositionen vorgenommen wird (Breiten-/Spitzenmodell).
Stockhausen und Deuter (2011) ziehen aus ihrer Studie in 63 deutschen Unternehmen den Schluss, dass sich bei der Hälfte der befragten Unternehmen die Anzahl der Expertenpositionen aus der Anzahl von Mitarbeitern ergibt, die aufgrund der erbrachten Leistungen die Expertenlaufbahn einschlagen können. Bei der anderen Hälfte hingegen ist die Anzahl an Expertenpositionen streng begrenzt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass 75 Prozent der befragten Unternehmen ein Breitenmodell anwenden und 25 Prozent ein Pseudo-Modell mit einem Verhältnis von 1:8 von Führungskräften zu Experten implementiert haben (Stockhausen & Deuter, 2011). Konform hierzu subsummieren Berblinger und Knörzer (2009), dass die Mehrheit der befragten Unternehmen (68 Prozent) angibt, keine automatische Beförderung von Mitarbeitern zu veranlassen, sobald die Anforderungen einer höheren Position erfüllt sind, sondern dass eine Stellenvakanz die Voraussetzung für eine Beförderung darstellt.