Unterstellungsverhältnis

Je nachdem, wie Experten in die bestehende Struktur eines Unternehmens integriert werden, können sich unterschiedliche Berichtswege und Unterstellungsverhältnisse ergeben. Der Regelfall ist, dass Expertenfunktionen an die nächsthöhere Managementebene berichten (Gerpott, 1994) und eine Führungskraft sowohl fachliche als auch disziplinarische Verantwortung über Experten in sich vereint. Es ist aber auch möglich, dass Experten zwei Vorgesetzte haben: einen Fachvorgesetzten, der ebenfalls Experte ist, und einen disziplinarischen Vorgesetzten (Heimerl-Wagner, 1994). In einem solchen Szenario ergibt sich für den Fachvorgesetzten genau das Problem, dass bereits unter 5.7 Arbeits- & Aufgabengestaltung angesprochen wurde: Obwohl der fachliche Vorgesetzte selber ein Experte ist, dessen Hauptverantwortung in der Bearbeitung von Fachaufgaben seines Spezialgebiets liegt, würden ihm durch die Übertragung der Fachverantwortung über andere Experten Führungsaufgaben zugeschrieben, die nicht seinem beruflichen Interesse entsprechen.

Katz und Kollegen (1995) konnten zeigen, dass das Unterstellungsverhältnis Auswirkungen auf die Karrierewege der Mitarbeiter hat. Wenn der Vorgesetzte selbst einer Führungskarriere nachgeht, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ihm unterstellte Mitarbeiter ebenfalls ins Management gehen, wohingegen Mitarbeiter von Vorgesetzten, die der Expertenlaufbahn folgen, eher die Expertenlaufbahn einschlagen. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass das Netzwerk des Vorgesetzten, der selbst Experte ist, einen Einfluss auf den Karriereweg der Mitarbeiter hat: Ist der Vorgesetzte innerhalb und außerhalb des Unternehmens gut vernetzt – hat er also viele Kontakte zu einflussreichen Personen, Zugang zu kritischen Informationen und kann er diese Informationen so kommunizieren, dass sie für die Unternehmensführung verständlich sind –, steigt ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter die Führungskarriere einschlagen (Katz et al., 1995). Diese Untersuchungsergebnisse zeigen, dass es sich lohnt, zu überlegen, welche Berichtswege etabliert werden, da die Art der sozialen Eingebundenheit von Experten Auswirkungen darauf haben können, ob Experten weiterhin einer Expertenkarriere folgen oder einen Wechsel in die Führungslaufbahn vornehmen (siehe 5.6 Entwicklungswege & Beförderungen). Strategische Überlegungen bezüglich des zukünftigen Personalbedarfs können als Entscheidungsgrundlage dienen, um Unterstellungsverhältnisse in Unternehmen zu begründen.

Da die Einordnung der Expertenfunktionen in die bestehende Unternehmensstruktur kulturelle Veränderungen mit sich bringt, empfehlen Francke und Chmielarski (2010) Workshops, in denen sich Führungskräfte und Experten mit ihren (veränderten) Rollen auseinandersetzen und ihr Verhältnis zueinander klären, um Rollenkonflikte zu vermeiden. Ergänzend ist es überdies sinnvoll, das Verhältnis von Experten und Führungskräften in den Führungsleitlinien aufzunehmen (Domsch & Ladwig, 2011). Wie unter 5.1 Anreizsystembereits beschrieben, ist es für die erfolgreiche Existenz paralleler Laufbahnen von Nöten, dass Experten ebenso wie Führungskräfte Einfluss auf unternehmerische Belange nehmen können und somit eine Angleichung der Machtverhältnisse resultiert (Trost, 2014).

In der Regel werden Arbeitsziele mit dem disziplinarischen Vorgesetzten vereinbart, wodurch erreicht werden soll, dass der Mitarbeiter Unternehmensziele als die eigenen ansieht und sein Arbeitsverhalten auf die Zielerreichung ausrichtet (von Rosenstiel, 2010). Dabei ist der Informationsgehalt des Ziels von entscheidender Bedeutung, denn nur wenn der Mitarbeiter genau versteht, wie der Zielzustand aussehen soll, kann er darauf zuarbeiten und nur dann geht vom Ziel eine motivierende Wirkung aus (von Rosenstiel, 2010). Klare Zielvereinbarungen mit Experten sind deshalb so wichtig, da dafür gesorgt werden muss, dass die Expertise der Experten einen maximalen Nutzen für die Organisation bringt und sich Experten mit dem Unternehmenserfolg identifizieren (Allen & Katz, 1992; Katz et al., 1995). Bei der Zielvereinbarung für Expertenaufgaben besteht gehäuft die Schwierigkeit, nicht quantifizierbare Ziele messen zu müssen. Hier besteht die Herausforderung darin, dass Vorgesetzte und Experten gemeinsam eine Zielformulierung finden, die beiden die Messbarkeit des Ziels ermöglicht (Lang, 2009). Bailyn (1982) konnte nachweisen, dass eindeutige Zielvereinbarungen zur Motivation von Experten beitragen. Experten möchten zwar an der Zielvereinbarung mitwirken, verlangen jedoch keine uneingeschränkte Autonomie bei der Aufgabensuche, sondern möchten volle Freiheit bei der anschließenden Zielverfolgung gewährt bekommen (Bailyn, 1982; siehe 5.7 Arbeits- & Aufgabengestaltung). Um eine möglichst hohe Identifizierung mit Zielen herbeizuführen, sollten diese Leistungskriterien enthalten, an denen Experten Karriereerfolg messen. Oftmals ziehen Experten hierzu akademische Erfolgskriterien wie die Anzahl an Veröffentlichungen, den Beitrag zur Lösung technischer Probleme, die Entwicklung neuer theoretischer Erkenntnisse oder eines hochinnovativen Produktes heran und wollen anhand dieser Kriterien beurteilt werden (Allen & Katz, 1992). Gerpott (1994) empfiehlt, beobachtbare fach-, erfahrungs- und persönlichkeitsbezogene Zielkriterien zu formulieren, die eine klare Differenzierung zu Zielen anderer Laufbahnen ermöglichen, und gibt weiterhin an, dass eine Beschränkung auf maximal fünf bis acht Zielkriterien stattfinden sollte.

Anhand der Zielvereinbarung wird am Ende der Geschäftsperiode die Leistungsbeurteilung vorgenommen, die eine Rückmeldung zur Arbeit darstellt. An dieser Stelle zeigt sich der Vorteil des Berichtswegs, bei dem ein Experte einem Experten desselben Fachgebiets fachlich unterstellt ist: Experten messen der Anerkennung ihrer fachlichen Leistungen durch Peers einen höheren Wert bei als die Anerkennung durch andere Personen. Entsprechend entsteht für unterstellte Experten eine größere Motivationswirkung, wenn sie an Experten berichten, die ihre Leistung besser einschätzen und beurteilen können als Mitarbeiter, die über wenig Spezialwissen des Fachgebiets verfügen. Generell bietet sich für Experten dieselbe Leistungsbewertungsmethodik wie für andere Mitarbeiter an (Lang, 2009; Sieber Bethke, 2007) und wird im Zuge der Gleichwertigkeit von Laufbahnen empfohlen (Francke & Chmielarski, 2010). Wichtig ist, dass an die Leistungsbewertung anknüpfend Personalentwicklungsmaßnahmen vereinbart werden (Lang, 2009), die dem Mitarbeiter entweder dazu dienen, Ziele zukünftig besser zu erreichen oder eine berufliche Weiterentwicklung ermöglichen (siehe 5.8 Personalentwicklung).

Aus dem Praxisvergleich geht hervor, dass verschiedene Unterstellungsverhältnisse in der Unternehmenspraxis Anwendung finden. Bei der Hewlett-Packard GmbH berichten Experten an ranggleiche Führungskräfte, bei der LV 1871, Phoenix Contact sowie der Robert Bosch GmbH berichten Experten an Führungskräfte der nächsthöheren Hierarchieebene und bei der Salzgitter Flachstahl GmbH sind beide Berichtswege möglich6. In 15 von 17 Unternehmen wird die Leistungsbeurteilung von Experten durch Führungskräfte vorgenommen. Nur bei IBM wird explizit geäußert, dass Experten durch andere Experten beurteilt werden. Hierzu findet ein jährliches Leistungsbeurteilungsgespräch statt. Bei der Unternehmensberatung Mercuri Urval wird die Beraterleistung durch die Kunden beurteilt und erfolgt im Anschluss an das Beratungsprojekt.

6 Nur diese fünf Unternehmen machen explizite Angaben zum Unterstellungsverhältnis von Experten.