Vorwort
Die Rahmenbedingungen, in denen Unternehmen heute agieren, sind gekennzeichnet vom demographischen und technischen Wandel, einer zunehmenden Globalisierung sowie einer Veränderung der Werte in der Gesellschaft (Kirchgeorg & Müller, 2013; Rump, Wilms & Eilers, 2014; Sauermann, 2011). Unter diesen Gesichtspunkten sehen sich immer mehr Unternehmen dazu gezwungen, ihre Personalstrategien zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen, um qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren, weiterzuentwickeln, möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden und damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (Sims, 2007). Diese Trends zeichnen sich in besonderem Maße im Bereich des Ingenieurwesens sowie in der Forschung und Entwicklung ab (Wohlfahrt, Moll & Wilke, 2011).
Unsere Gesellschaft entwickelt sich zunehmend zu einer Wissensgesellschaft, in der fachliche Kompetenzen und das Know-how den wichtigsten Vermögensgegenstand und einen strategischen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen darstellen (Rump, Wilms & Eilers, 2014; Sauermann, 2011). Die Wissensträger – also die Mitarbeiter – spielen eine immer größere Rolle, und Unternehmen erkennen, dass viel investiert werden muss, um eine nachhaltige Mitarbeitergewinnung und -bindung zu gewährleisten. Der sogenannte „War for Talents“, das Ringen um qualifizierte Mitarbeiter, geht also über die Rekrutierung hinaus und bezieht sich ebenfalls darauf, Talente langfristig zu binden und somit Wissen im Unternehmen zu bündeln (für einen Überblick siehe Beechler & Woodward, 2009). Mit dem „War for Talents“ geht auch das Phänomen des „Brain Drains“ einher. Können Unternehmen keine attraktiven Arbeitsbedingungen (Karrierechancen, angemessenes Gehalt, Anerkennung etc.) anbieten, so besteht die Gefahr, dass gut ausgebildete Personen abwandern und es somit zu einer Abnahme von Wissen kommt (Beine, Docquier & Rapoport, 2001), was wiederum dazu führt, dass sich der „War for Talents“ potenziert. Programme wie das Lean Management, Downsizing und Outsourcing als Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Unternehmen, die aus verschiedenen Gründen mit einem Stellenabbau einhergehen, haben zur Abflachung von Unternehmenshierarchien geführt. Dies wirkt sich negativ auf die Anzahl der vorhandenen gehobenen Positionen in einem Unternehmen aus, wodurch der hierarchische Aufstieg erschwert wird und hochqualifizierten Mitarbeitern weniger Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (Domsch & Ladwig, 2011; Heslin, 2005; Schein, 1990). Gleichzeitig hat sich in der Gesellschaft das Verständnis darüber, was eine Karriere ausmacht, stark gewandelt. Verkürzte Laufbahnzyklen und Unternehmensangehörigkeit, eine zunehmende Internationalisierung sowie der lauter werdende Ruf nach Individualisierung, Work-Life-Balance, flexiblen Lebensarbeitszeiten und Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit sind wiederkehrende Themen, die Arbeitnehmer heute beschäftigen (Mulhall 2011; Briscoe & Hall, 2006; Sullivan & Baruch, 2009). Sie führen dazu, dass ein stringenter Aufstieg innerhalb einer Unternehmenshierarchie als weniger erstrebenswert eingestuft wird (Hall, 2002; Reitmann & Schneer, 2003; Reumschlüssel & Brauner, 2011).
In Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen wird deutlich, dass Maßnahmen erarbeitet werden müssen, mit denen sich Unternehmen als attraktive Arbeitgeber darstellen können, um qualifiziertes Personal auf sich aufmerksam zu machen. Gleichzeitig müssen Programme für Mitarbeiter angeboten werden, die eine dauerhafte Weiterentwicklung gewährleisten und dazu geeignet sind, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Zu solchen Programmen zählen unter anderem gut konzipierte Laufbahnkonzepte, die Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten bieten und ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten. In ca. der Hälfte der DAX-30-Unternehmen sind Expertenlaufbahnen zu diesem Zweck etabliert, und auch in mittelständischen Unternehmen gewinnen Expertenlaufbahnen an Bedeutung (Geiger & Rausch, 2008). Die vorliegende Veröffentlichung vermittelt einen Überblick darüber, was bei der Konzeption von Fach-/Expertenlaufbahnen beachtet werden sollte, um sicherzustellen, dass diese einen Beitrag zur gezielten Personalentwicklung und -bindung leisten. 8 Karrieren jenseits von Führung – Grundlagen und Gestaltungsdimensionen von Expertenlaufbahnen in der betrieblichen Praxis