Wie funktioniert Design Thinking?

Wie funktioniert Design Thinking?

Wesentliche Bausteine sind

  • der iterative Prozess,
  • die konsequente Nutzerorientierung,
  • der Einsatz von Prototypen und Visualisierung,
  • das kreativitätsförderliche Ambiente sowie
  • die Arbeit in interdisziplinären Teams.

Idealerweise setzen sich die vier- bis sechsköpfigen Kernteams aus unterschiedlichen Berufsdisziplinen, Abteilungen, Geschlechtern und Altersstufen zusammen. Das Team wird von einem mit der Methode vertrauten Moderator durch den Design Thinking Prozess geleitet.

Der iterative Prozess

In einem Design-Thinking-Projekt durchlaufen die Teilnehmer mehrere aufeinander aufbauende Phasen. Der definierte Ablauf stellt ein effizientes und ergebnisorientiertes Arbeiten sicher. Häufig eröffnen sich dabei erst die wesentlichen Fragestellungen und Erkenntnisse. Dadurch wird mitunter ein Zurück- springen in eine bereits durchlaufene Stufe nötig. Diese sogenannten Iterationen steigern die Qualität der Ergebnisse ganz wesentlich. Zudem senken sie die Kosten und den Zeitaufwand, da Missverständnisse bereits frühzeitig korrigiert werden können.

Verstehen

Zu Beginn benötigt man Klarheit: Wer ist die Zielgruppe und welche Regeln herrschen in der Branche? Welche Gestaltungsmöglichkeiten und Begrenzungen bestehen, was sind die wesentlichen Einflussfaktoren und wo liegen die eigentlichen Herausforderungen?

Am Ende dieser Überlegungen sollte eine sinnvolle Aufgabenstellung, die sogenannte Design Challenge stehen. Die richtige Zielgröße zu finden ist keinesfalls trivial. Zu eng formuliert legt sie bereits zu viele Randbedingungen fest. Eine bahnbrechende Lösung wird dann allzu leicht übersehen. Zu offen formulierte Aufgabenstellungen erschweren dagegen die gemeinsame Fokussierung. Um passgenaue Lösungen zu entwickeln, muss sich das Team in die potenziellen Nutzer hineinversetzen können. Im zweiten Schritt geht es deshalb darum, so viel wie möglich über die potenziellen Nutzer zu erfahren.

Recherchen existierender Studien schärfen zwar den Blick, reichen aber nicht aus, um die potenziellen Nutzer wirklich kennenzulernen. Weit mehr erfährt, wer sie in ihrem Umfeld beobachtet, ihnen zuhört und mit ihnen diskutiert. Ebenso ist es hilfreich, sich selbst als Nutzer auszuprobieren. In Form von Notizen, Skizzen oder Fotos dokumentiert, ergeben diese Eindrücke später ein aussagekräftiges Bild.

Definieren

Um das gewonnene Material für das weitere Vorgehen besser handhabbar zu machen, wird es gesichtet, strukturiert und kondensiert. Die Informationsflut wird auf ihre Quintessenz verdichtet. Hierfür ordnen die Teilnehmer ihre Skizzen, Fotos und Notizen an einer Wand und präsentieren ihre Ergebnisse. In einem weiteren Schritt werden die Eindrücke synthetisiert und analysiert. Muster in den Verhaltens- weisen und Bedürfnissen der Nutzer spielen dabei eine wichtige Rolle. Diagramme oder die Darstellungen typischer Handlungsabläufe auf Zeitachsen erleichtern die inhaltliche und zeitliche Strukturierung.

Eine häufig genutzte Methode, um die verschiedenen Typen plastisch herauszuarbeiten, sind die sogenannten Personas. Dabei wird ein typischer Nutzer mit seinem Verhalten, Lebensumständen, Kernproblemen, Interessen und Bedürfnissen entworfen.

Die neuen Informationen erlauben es zudem, die bisher recht allgemein gehaltene Zielgröße zu konkretisieren. Das Ergebnis ist eine klar definierte Fragestellung, die sich auf die Kernprobleme und Bedürfnisse des typischen Nutzers bezieht.

Ideen finden

Im dritten Schritt geht es daran, möglichst vielversprechende Ideen zu entwickeln. Entscheidend ist dabei ihre Attraktivität aus der Perspektive der Kunden.

Mit Hilfe moderierter Kreativitätstechniken gilt es, in kurzer Zeit so viele Ideen wie möglich zu entwickeln. Die Ergebnisse werden visualisiert und dem Team vorgestellt. Anschließend werden die Ideen sortiert und ähnliche Lösungen zusammengefasst.

Zu guter Letzt erfolgt eine Auswahl der vielversprechendsten Lösungen. Auch hier steht wiederum die Attraktivität aus Kundensicht im Vordergrund. Weitere zentrale Aspekte der Bewertung sind deren Umsetzbarkeit und Rentabilität.

Dark horses

Mitunter enthüllen einige besonders ungewöhnliche Lösungsansätze ihr wahres Potenzial zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Weiterverfolgt besitzen gerade solche sogenannten "dark horses" jedoch das Zeug zu wirklich radikalen Innovationen. Dennoch kann es hilfreich sein, zunächst weniger ambitionierte Lösungsansätze zu verfolgen. Ist eine erste Lösung ausgearbeitet, gibt das die nötige Sicherheit, auch verrückte Ideen weiterzutreiben.

Prototypen entwickeln und testen

Prototypen erlauben es, Lösungsvorschläge besser zu kommunizieren, sie erlebbar und im besten Falle greifbar werden zu lassen. Hierzu sind zumindest anfangs keine aufwändigen Prototypen notwendig. Einfache Storyboards, Mock-ups oder Rollenspiele sparen Geld und Zeit. Zudem ermutigen sie die Tester zu offener Kritik. In längeren Projekten steigert sich der Ausarbeitungsgrad der Prototypen jedoch im Laufe der Iterationen kontinuierlich bis hin zu voll funktionsfähigen Mustern.

Diese frühzeitigen Tests sind ein wesentlicher Erfolgsgarant. Wenig überzeugende Lösungsvorschläge werden frühzeitig aussortiert. Gleichzeitig liefern sie wertvolle Erfahrungen. Denn die Auseinander- setzung mit den Prototypen macht es den Testern leichter, Probleme und Alternativen zu benennen. Um ein realistisches Feedback zu erhalten, sollte die Zielgruppe so schnell wie möglich in die Tests einbezogen werden.

Verfeinern

Im Laufe eines Projektes werden die Phasen Ideenfindung, Prototypen entwickeln und testen in der Regel mehrfach durchlaufen. In der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit den Nutzern erfolgt so eine schrittweise Annäherung an die optimale Lösung. Im Erfolgsfall steht am Ende eine vollständig auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte, außergewöhnliche Lösung.

Visualisieren

Eine beim Design Thinking häufig genutzte Technik ist das Visualisieren von Informationen. Ob Fotos der Nutzerumgebung, strukturierte Anordnungen von Informationen auf Übersichtswänden, Personas oder Prototypen: Visualisierungen werden in sämtlichen Phasen des Prozesses eingesetzt.

Die bildhafte Darstellung hilft die meist komplexen Sachverhalte zu veranschaulichen. Zudem erleichtert sie die Kommunikation und das gegenseitige Verständnis. Dafür muss man nicht zwingend gut zeichnen können. Entscheidend ist nur, dass die Skizzen, Diagramme oder Prototypen die wesentlichen Informationen verständlich auf den Punkt bringen.

Die innovationsförderliche Arbeitskultur

Der iterative Prozess schafft einen Rahmen, in dem vielversprechende Ideen zu nutzerorientierten Lösungen reifen können. Ihn zu verfolgen wird aber alleine nicht zwangsläufig zu bahnbrechenden Konzepten führen. Um gewohnte Bahnen zu verlassen, sind die Arbeitskultur und Haltung der Teammitglieder mindestens ebenso wichtig. Ob sich die Kreativität im Team richtig entfalten kann, bestimmen nicht zuletzt

  • die Umgebung und Atmosphäre sowie
  • die gelebten Werte und Regeln.

Umgebung und Atmosphäre

Ungewöhnliche Ideen entstehen selten am Schreibtisch. Design Thinking setzt daher auch auf Erkenntnisse der modernen Hirnforschung und nutzt inspirierende und möglichst flexible Räumlichkeiten, die leicht an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden können. Wer bereits einmal das Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam besucht hat, kennt die Szenerie: Whiteboards grenzen einzelne Bereich provisorisch ab, in denen an beschreibbaren, modularen und leicht beweglichen Stehtischen gearbeitet wird.

Idealerweise stehen solche Räumlichkeiten die ganze Projektdauer über zur Verfügung. So kann das Team sie sukzessive mit Leben füllen. Bereits erzielte Ergebnisse wie Personas, Notizen, Fotos und Skizzen bedecken nach und nach die Wände. Man sieht förmlich wie Ideen zu Lösungen werden.

Damit ist der Idealfall beschrieben. In der Realität reicht es für den Anfang, die für Skizzen und Prototypen notwendigen Materialien zur Verfügung zu stellen, Packpapier oder elektrostatische Whiteboardfolie an den Wänden zu befestigen und die Stühle aus dem Raum zu entfernen.

Denn Design Thinker arbeiten meist im Stehen. Teammitglieder bleiben so geistig präsenter und formulieren prägnanter. Das fördert die Aufmerksamkeit der Gruppe, beschleunigt den iterativen Prozess und steigert so letztendlich die Qualität der Ergebnisse. Aus demselben Grund werden einzelne Aufgabenpakte oder Phasen unter strengen zeitlichen Vorgaben durchgeführt.

Werte und Regeln

Ungewöhnliche Lösungen erfordern den Mut, radikale Ideen zu fördern und scheinbar schwer umsetzbare Ideen nicht zu schnell auszusortieren. Das bedeutet auch, Fehler in der frü- hen Phase des Entwicklungsprozesses als Gewinn zu begreifen. Eine Änderung in der frühen Phase ist allemal billiger als die Änderung an einem bereits in der Produktion befindlichen Produkt. Auch hier gilt die Regel: Ein zu spät bemerkter Fehler verteuert sich von Prozessstufe zu Prozessstufe um den Faktor 10.

Die Teilnehmer sollten Spaß am Ausprobieren und Experimentieren entwickeln. Dies erfordert auch die Bereitschaft neue Wege einzuschlagen. Oftmals gelingt dies einfacher mit Hilfe eines externen Moderators.

Um eine konstruktive Atmosphäre aufzubauen sind zudem einige wichtige kommunikative Regeln zu beachten. Insbesondere beim Ideenfindungsprozess gilt: Feedback ist wichtig, sollte aber der Weiterentwicklung der Idee dienen. Besser noch: Sprich nicht, mach!

Die wichtigsten Regeln das Design Thinking lauten:

  • Scheitere möglichst früh und häufig.
  • Lass Hierarchien draußen.
  • Sprich nicht. Mach!
  • Es gibt keine guten Ideen.
  • Bau auf den Ideen anderer auf.
  • Vermeide Kritik.
  • Quantität zählt.
  • Bleib fokussiert.
  • Wage es, wild zu sein!
  • Denke menschenzentriert.
  • Arbeite visuell.
  • Hab Spaß.

Als einfache Möglichkeit, die Regeln präsent zu halten, hat sich bewährt, sie stets sichtbar auszuhängen.

Fazit

Design Thinking ist ein neuer Ansatz zur Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen. Er kombiniert einen strukturierten Prozess mit einer kreativitätsfreundlichen Arbeitskultur.

Der Prozessablauf stellt ein nutzer- und ergebnisorientiertes, effizientes Arbeiten sicher. Gleichzeitig lässt er aber genug Raum für ergebnisoffene Ideenfindung und fortlaufende Lernprozesse. Da mögliche Sackgassen früh erkannt werden, kann Design Thinking den Innovationsprozess beschleunigen und Kosten sparen.

Wirklich außergewöhnliche Lösungen entwickelt nur, wer bekannte Annahmen und Lösungswege in Frage stellt und gedanklich Neuland betritt. Die in Design Thinking Projekten gelebte kreativitätsfreundliche Arbeitskultur unterstützt die Teilnehmer dabei, "outside the box" zu denken.

Im Erfolgsfall entstehen auf diese Weise außergewöhnliche, auf die Nutzer optimal zugeschnittene Prozesse, Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle. 

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