Einführung

Erfolgsfaktor 4: Die Innovationskultur

Während beispielsweise die Innovationsstrategie festlegt, was zu tun ist und der Innovations- prozess bestimmt, auf welche Weise diese Aufgabe erledigt werden soll, beeinflusst die Innovationskultur maßgeblich, ob die Mitarbeiter tatsächlich innovieren können und wollen. Sie ist ein Teil der Unternehmenskultur, deren Beitrag zum unternehmerischen Erfolg man vor circa 20 Jahren begonnen hat zu verstehen. Das vorliegende Faktenblatt erläutert den Erfolgsfaktor "Innovationskultur".

Die Unternehmenskultur

Unter der Kultur eines Unternehmens versteht man die seit der Gründung des Unternehmens gewachsenen und aktuell wirksamen Wertvorstellungen, Verhaltensvorschriften und Denkweisen. Sie wirkt sowohl in das Unternehmen hinein als auch auf das äußere Umfeld, da auf ihr die Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter und der Führungskräfte beruhen. Idealerweise findet sie Ausdruck in einem formulierten Leitbild oder Unternehmensgrundsätzen und wird damit konkretisiert und für die Mitarbeiter auch sicht- und wahrnehmbar. Eine innovative und leistungs- orientierte Unternehmenskultur, die von den Mitarbeitern gelebt und akzeptiert wird, hat mehrere Funktionen:

Koordination und Integration

Die Unternehmenskultur gibt für alle Organisationsmitglieder einen Handlungsrahmen vor. Der in ihr zum Ausdruck kommende Verhaltenskodex hat eine steuernde Funktion für die Mitarbeiter, Führungskräfte und Führungsgremien. Die Unternehmenskultur trägt damit zur Abstimmung von individuellen Wünschen und Interessen mit den Organisationszielen bei. Sie ergänzt formale Koordinationsmechanismen und kann sie zum Teil auch ersetzen.

Motivation

Die Unternehmenskultur fördert die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber und gibt ihrer Arbeit einen Sinn – neben der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele. Sie hilft, die Kreativität und das Leistungspotenzial von hoch qualifiziertem Personal in Zeiten des Fachkräftemangels besser abzurufen und die Fluktuation von Schlüsselpersonen zu reduzieren.

Die Innovationskultur

Ein Unternehmen kann sich nicht entscheiden, ob es eine Kultur hat oder nicht, denn sie ist ihm immanent. Man kann aber versuchen, die Kultur zu gestalten bzw. Maßnahmen ergreifen, damit über die Zeit eine innovationsförderliche Vertrauenskultur entsteht. Innovationskultur ist damit Führungsaufgabe. "Sie wird zwar von unten gelebt, aber von oben gesteuert und vorgelebt".

Eine erfolgreiche Innovationskultur zeichnet sich durch mehrere Elemente aus:

  1. Neues, seien es Produkte, Prozesse, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle, besitzen einen hohen Stellenwert. Es existieren Wege, Rituale und Symbole, mit denen innovative Leistungen von Mitarbeitern, Abteilungen und Führungskräften Anerkennung finden.
  2. Regeln sind verbalisiert und verbindlich. Sie geben daher den Mitarbeitern Orientierung und Sicherheit.
  3. Ziele werden klar abgesteckt. Sind sie richtig gewählt, wirken sie inspirierend und stimulierend, fördern also in erheblichem Maße die Motivation der Innovatoren.
  4. Beschäftigte haben die Möglichkeit, an den Entscheidungswegen zu partizipieren und einen ungefilterten Zugang zu den für sie relevanten Informationen zu finden.
  5. Führungskräfte legen großen Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, regen interdisziplinäre Arbeit an, sorgen für eine umfassende Aus- und Weiterbildung und geben besonders innovationsfreudigen Mitarbeitern eine intensive Unterstützung durch Freiräume und Budgets.

Von großer Bedeutung ist der Umgang mit Fehlern und Fehlschlägen. Eine ausgeprägte konstruktive Fehlerkultur ist ein wichtiger Aspekt einer innovationsförderlichen Unternehmenskultur. Denn sie trägt zu einem positiven Innovationsklima bei.

Die Fehlerkultur – oder wie geht man mit Fehlern um?

Wo Menschen wirken, da passieren unweigerlich Fehler – speziell im Zeitdruck des hektischen Unternehmensalltags. Trotzdem ist es bedauerlich, wenn aufgrund von Fehlern Geld und Zeit verschwendet, Kunden verprellt und Geschäftskontakte abgebrochen werden. Eine häufige Reaktion in der wenig fehlertoleranten deutschen Alltagskultur ist: Der vermeintliche Verursacher wird in schlechter Manier im Kollegenkreis, in Besprechungen oder auch in der Geschäftsleitung oder gar im Vorstand bloß gestellt. In der Regel hat das fatale Auswirkungen auf das Arbeitsklima, die Kreativität, die Innovationsfähigkeit und die Bereitschaft der Mitarbeiter und Führungskräfte, Risiken einzugehen, Fehler einzugestehen, sie kritisch zu reflektieren und aus den Erfahrungen zu lernen. Im Innovationsprozess müssen aber unweigerlich Risiken eingegangen werden. Mehr noch, im Zeitalter der Wissensgesellschaft ist die konsequente Analyse von Fehlern eine wichtige Lernchance, um Unternehmen und Mitarbeitern den erfolgreichen Weg zu weisen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind daher nicht überraschend. Mehrere Studien in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zeigen, dass sich eine ausgeprägte Fehlerkultur positiv auf die Zielerreichung, die Überlebensfähigkeit und die Gesamtrendite eines Unternehmens auswirkt. Die Analyse der Fehlerkultur eines Unternehmens bietet sogar bessere Anhaltspunkte für die Vorhersage der zukünftigen Profitabilität eines Unternehmens als dessen Leistungen in der Vergangenheit. Deshalb gilt:

  • Eine ausgeprägte Fehlerkultur fördert den Erfolg in (jungen) Unternehmen positiv.
  • Je radikaler ein Innovationsvorhaben in (jungen) Unternehmen ist, desto wichtiger ist eine ausgeprägte Fehlerkultur für den Erfolg.
  • "Je ausgeprägter die Fehlerkultur ist, desto geringer ist die Anzahl der Reklamationen".

Damit sich Fehler und die daraus resultierenden Konsequenzen nicht wiederholen, ist es also besser, nach Lösungen anstatt nach der Schuld oder dem Schuldigen zu suchen. Dennoch, die Fehlerkultur in Deutschland wird in der Regel immer noch "eher als eine Minimierung von Risiken betrachtet". Dies hat sich offensichtlich seit dem Beginn der Industrialisierung in der westlichen Hemisphäre nicht bedeutend verändert. Der Fokus liegt also vor allem auf der Fehlervermeidung. Produktive Fehlerstrategien werden nur selten als zentraler Wettbewerbsfaktor wahrgenommen.

Fehlermanagement und konstruktive Fehlerkultur

Der Begriff Fehlermanagementkultur vereint zwei Aspekte:

Unter Fehlermanagement versteht man die gezielte Steuerung von Aktivitäten im Umgang mit Fehlern. Dazu zählen zum Beispiel Methoden wie "Null-Fehler-Toleranz", die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) oder die ursprünglich vom amerikanischen Halbleiterhersteller Motorola entwickelte Six-Sigma-Methode. Sie dienen dazu, eine möglichst hohe Qualität zu gewährleisten und die Fehlerkosten (Ausschuss, Nacharbeiten, Reklamationsbearbeitung, Imageschäden) zu minimieren. Mit Fehlerkultur ist die Art und Weise gemeint, wie eine Organisation mit Fehlern, Fehlerrisiken und den Folgen von Fehlern umgeht. Grundlage einer konstruktiven Fehlerkultur ist die kritische Reflexion der Fehlerursachen.

Was ist ein Fehler?

Unter einem Fehler versteht man einen "von einem Sollzustand abweichenden Prozess oder Sachverhalt". Dabei ist zum einen zwischen der Handlung zu unterscheiden, von der man vermutet oder sicher weiß, dass sie die als Fehler bewertete Abweichung verursacht hat. Zum anderen wird auch die festgestellte Abweichung, also der Zustand eines Produktes (oder Dienstleistung oder Kombination von beidem) als Fehler bezeichnet.

Fehler ist nicht gleich Fehler

In Abbildung 1 ist eine gelungene Kategorisierung der Fehlertypen, deren Ursachen und der geeignete prinzipielle Umgang damit dargestellt. Dabei wird klar: Die Ursachen von Fehlern sind vielfältig.

Sabotage und heimliches Scheitern sind gewolltes abweichendes Verhalten und sind voll zu sanktionieren. Hierfür kann es in einem Unternehmen oder einer Organisation keine Toleranz geben, da dies die Mitarbeiterloyalität und die empfundene Gerechtigkeit der anderen Mitarbeiter negativ beeinflussen würde.

Flops und Patzer entstehen aus Nach- und Fahrlässigkeit, Flüchtigkeit oder Übermut und sind im Rahmen von kontinuierlichen Verbesserungen zu bearbeiten. Unterlassungen und Folgefehler sind systematisch zu analysieren und im Wiederholungsfall angemessen zu sanktionieren. Bei aus Überforderung resultierenden Fehlern ist der vorhandene Mismatch bzw. die Diskrepanz zwischen Aufgabe und Kompetenz nachhaltig abzustellen.

System-Fehler liegen in der Regel nicht im Entscheidungsbereich der Mitarbeiter und sind daher kritisch zu analysieren anstatt zu sanktionieren. Im obigen Beispiel werden nun die Übertragungsprozesse noch einmal hinsichtlich möglicher Fehlerquellen überprüft.

Der sogenannte "Kreative Fehler" stellt eine eigene Kategorie dar. Hier kommt es darauf an, dass im Rahmen der Innovationsanstrengungen etwas Neues ausprobiert wurde. Mitarbeiter können also bewusst beherrschbare Risiken eingehen, ihr Scheitern ist einkalkuliert. So wurde zum Beispiel der misslungene Mondflug der Apollo 13 von der NASA als erfolgreiches Scheitern eingestuft, weil es trotz immenser Widrigkeiten unter fast aussichtslosen Umfeldbedingungen gelang, die drei Astronauten unbeschadet zur Erde zurückzuholen.

Aus Fehlern lernen

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Fehler als Chance für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess verstanden werden können. Sie können aus individueller Überlastung, Zeit- und Leistungsdruck, individuellen Wissensdefiziten, fehlender Kontrolle, falschen Materialien und fehlerhaften Produkttests resultieren. Insbesondere bei Innovationsvorhaben, die von hoher Komplexität und Unsicherheiten geprägt sind, sind sie eher die Regel als die Ausnahme.

Der praktizierte Umgang mit dem Scheitern darf bei den Mitarbeitern folglich keine Angst verursachen. Angst, einen Fehler zu machen, führt zur Verkrampfung und damit zu Fehlern, die ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht auftreten würden. Angst kann auch zu einer exzessiven Risikovermeidung führen. Fehler sind in der Regel auch ohne Sanktionen unangenehm genug für Menschen, die ihre Aufgaben im Unternehmen ernst nehmen. "Kreative Fehler" müssen erlaubt sein, damit Mitarbeiter aus routiniertem Handeln ausbrechen und Innovationsspielräume nutzen.

Methoden wie "Null-Fehler-Toleranz" oder "Six-Sigma" gewährleisten zwar die Einhaltung höchster Qualitätsstandards. Sie können aber auch die Eigeninitiative von engagierten Mitarbeitern blockieren. Bei aller Fehlerfreundlichkeit und Fehleroffenheit muss aber klar sein: Es geht nicht darum, die Fehlerzahl zu erhöhen – weder in der Produktion noch in der Beschaffung und in der Auftragsabwicklung und schon gar nicht bei der Dienstleistung beim oder am Kunden vor Ort. Eine konstruktive Fehlerkultur soll nicht Auftakt zu einem Qualitätsdesaster sein. Sie soll auch nicht dazu führen, dass Unternehmer von Lernchancen überschwemmt werden und mit ihnen ökonomisch scheitern. Ziele sind vielmehr, die Anzahl der Fehler nachhaltig zu reduzieren, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu beschreiten und damit im Wettbewerb mit der Konkurrenz besser abzuschneiden. Denn es gilt nach wie vor: "Wir wollen, dass der Kunde zurückkommt, und nicht das Produkt". Treten Fehler also systematisch auf, dann sind Abläufe, Produktionsprozesse, Planung, Steuerung und / oder Führung kritisch zu hinterfragen.

Tipps für eine konstruktive Fehlerkultur

Für all jene, die darüber nachdenken, in ihrem Unternehmen eine konstruktive Fehlerkultur einzuführen, hier ein paar Tipps für die Praxis:

Schaffen Sie ein Klima des Vertrauens!

  • Fordern Sie Ihre Mitarbeiter auf, zu ihren Fehlern zu stehen. Fehler dürfen nicht tabuisiert werden. Gehen Sie dabei selbst als Führungskraft oder Unternehmer mit einem guten Vorbild voran. Schadenfreude ist fehl am Platz. Bringen Sie Ihren Mitarbeitern Respekt und Wertschätzung entgegen. Gleiches gilt als Mitarbeiter für Ihre Leitung. Stellen Sie keine unbeantwortbaren Fragen nach dem Motto: "Warum haben Sie daran nicht gedacht?" "Wie konnte das passieren?" Fragen Sie lieber: "Seit wann wissen Sie das?" Damit erhöhen Sie die Motivation, Fehler unverzüglich offenzulegen, indem sie nicht den Fehler selbst, sondern ein verspätetes Melden sanktionieren. Machen Sie allen Verantwortlichen klar, dass es inakzeptabel ist, Fehler zu verschleiern und zu vertuschen.

Analysieren Sie die Ursache des Fehlers!

  • Gehen Sie der Frage nach, warum der Fehler entstand und um welche Form im obigen Sinne es sich handelt. Liegt einfach nur eine Überarbeitung oder Überforderung des Mitarbeiters vor? Oder sind ihre Prozesse zu kompliziert angelegt? Wo hat die Kontrolle versagt? Es gilt: Bekannten Gefahren kann man begegnen. Entwickeln Sie geeignete Gegenmaßnahmen anstelle von Rechtfertigungsund Selbstverteidigungsreflexen.

Begrenzen Sie den Schaden!

  • Die Frage lautet: Welche Folgen hat ein Fehler? Welcher Schaden ist entstanden? Wen müssen Sie informieren? Welche Informationen bei wem richtig stellen?

Konzentrieren Sie sich auf die Lösung!

  • Die Fehleranalyse ist wichtig, danach zählt aber die Erarbeitung einer dauerhaften Lösung des Problems. Denn ihre Kunden setzen sich nicht mit ihren Problemen auseinander, sondern kaufen eine Lösung ihres eigenen Problems ein.

Sprechen sie Fehler klar und deutlich an!

  • Fehler kosten Geld, schwere Fehler kosten viel Geld. Fehler sollten sich also nicht beliebig oft wiederholen. Eine konstruktive Fehlerkultur ist keine Einladung, unbegrenzt und unbedacht Fehler zu machen, sondern Fehlermanagement zielt darauf ab, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Den Mitarbeitern muss klar sein, dass Pflichtverletzungen und grobe Nachlässigkeiten nicht akzeptiert werden.

Handeln und nicht Klagen!

  • Verdrängen Sie den verständlicherweise entstandenen Ärger und konzentrieren Sie sich auf die Begrenzung des Schadens und die Lösung der Aufgabe. Negative Gedanken und Emotionen sind hierfür hinderlich. Denken Sie positiv!

Fazit

Eine konstruktive Fehlerkultur ist Bestandteil einer innovationsorientierten Unternehmenskultur. Sie ist entscheidend dafür, ob die Mitarbeiter aus ihren Fehlern lernen wollen und können und ob sich das Lernen des Einzelnen auf organisatorischer Ebene im positiven Sinne einer lernenden Organisation wiederfindet. In Innovationsprozessen geht es nicht darum, Individuen an vorhandene Strukturen und Abläufe anzupassen. Vielmehr ist die Veränderung von Routinen und des Normalen das Ziel der Anstrengungen. Hierzu bedarf es einer Unternehmenskultur, die Vielfalt, Variation und Exploration fördert, eine hohe Fehlerfreundlichkeit im dargelegten Sinne aufweist und konstruktiv mit Fehlern umgeht. Denn neue, komplexe Lösungen sind immer mit Risiken verbunden.

Die Erfahrung zeigt, dass nicht jedes Experiment ein Erfolg werden kann. Fehlschläge sind unvermeidlich und daher müssen Unternehmen lernen, damit umzugehen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Mitarbeiter weiterhin persönliche Risiken eingehen, wenn Scheitern mit negativen Sanktionen belegt ist. Ohne Risiken gibt es aber kein internes Unternehmertum und es werden keine neuen Erfahrungen gemacht. Eine lernende Organisation lebt vom Lernen der einzelnen Mitglieder und der offenen Kommunikation von Erfahrungen und Vorreiter-Beispielen.

Fehler können als Chance für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess verstanden werden.

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