Mit Tätigkeitsanalysen Potenziale mobiler Arbeit erkennen

Die Nutzung von Spielräumen für mobile Arbeit und Homeoffice erfordert organisatorische Maßnahmen, die auf die konkreten Gegebenheiten im Betrieb und in den Funktionsbereichen zugeschnitten sind. Die Beteiligten brauchen dafür zunächst Analysen der an den Arbeitsplätzen in den Arbeitsbereichen durchzuführenden Tätigkeiten.

Grundlegende Fragen lauten:

  • Welche Aufgaben fallen im Einzelnen an und welche Zeitanteile sind damit verbunden?
  • Welche Abfolgen und Prozessschritte sind zu beachten?
  • Wie sind die Tätigkeiten in die betrieblichen Prozesse integriert?
  • Wer muss mit wem zusammenarbeiten?

Ziel solcher Analysen ist es, für Homeoffice geeignete Tätigkeiten zu identifizieren und zu überprüfen, inwieweit die einzelnen Tätigkeiten so organisiert und gebündelt werden können, dass sie für Mitarbeitende Zeitblöcke für Homeoffice ergeben. Dies können durchaus Lösungen in kleinerem Stil sein.

Anforderungen an Tätigkeiten und Aufgaben für mobile Arbeit

  • Die Tätigkeit ist vom Arbeitsablauf/Aufgabeninhalt her geeignet.
  • Das mobile Arbeiten ist mit der Arbeitsorganisation (auch Vertretung) vereinbar (Anwesenheitszeiten/Verfügbarkeit sind zu regeln).
  • Das Arbeitsergebnis darf nicht negativ beeinflusst werden. Persönliche Kontakte, Besprechungen etc. sind planbar.
  • Der Anteil nicht bzw. schwierig planbarer Aufgaben ist gering. Häufiger Zugriff auf Akten ist nicht erforderlich oder in elektronischer Form möglich.
  • Die technischen Voraussetzungen am mobilen Arbeitsplatz liegen vor.
  • Die Belange der Arbeitssicherheit, des Datenschutzes und versicherungsrechtliche Aspekte sind erfüllt und werden beachtet.

Quelle: Zanker et al. (2021)


Durch sorgfältige Analysen von Tätigkeiten, Nutzung der Möglichkeiten digitaler Technologien und durch Kreativität bei der Organisation der Tätigkeiten und Abläufe lassen sich auch klassische Präsenzarbeitsbereiche für Lösungen mobiler Arbeit öffnen.

Beim Arbeiten in Pflege und sozialen Berufen müssen die Mitarbeitenden neben ihren Tätigkeiten vor Ort bei den Patientinnen und Patienten auch Dokumentationsaufgaben erfüllen und Berichte erstellen. Gegebenenfalls können solche Tätigkeiten, wenn sie sich zu längeren Zeitsequenzen zusammenfügen lassen (und nicht nur ein Click auf das Tablet erfordern), auch im Homeoffice effizient durchgeführt werden. Eine Einrichtung zur mobilen Betreuung von Menschen mit Behinderung realisierte eine solche Homeofficelösung. Bei rund 80 Prozent Zeitanteilen für Besuche bei den zu Betreuenden, einschließlich Fahrtzeiten, konnten die Mitarbeitenden 20 Prozent der Wochenarbeitszeit, also einen Arbeitstag im Homeoffice zur Erledigung von Dokumentationsaufgaben verbringen.

Die Automatisierung von Funktionen in der Produktion entlastet von körperlichen und geistigen Aufgaben, die vor Ort in Präsenz erledigt werden müssen. Dadurch entstehen freie Zeitanteile, die zumindest für mobileres und zeitliche flexibleres Arbeiten und gegebenenfalls auch für Homeoffice genutzt werden können. So spart digitale Fernwartung Fahrtzeiten und Arbeitszeiten bei der Kundschaft. Auch im Handwerk kann Automatisierung mobiles und zeitlich flexibles Arbeiten voranbringen. Der Einsatz von KI-Anwendungen beim Betrieb von Backöfen vermindert Anforderungen an Vor-Ort-Präsenz. Für Beschäftigte unattraktive und zudem ungesunde Nachtarbeit wird dadurch zumindest reduziert.

Die betrieblichen Analysen über die Eignung der Tätigkeitsinhalte und Arbeitsabläufe für Arbeiten im Homeoffice sollten in Zusammenarbeit von betrieblichen Führungskräften und Mitarbeitenden erfolgen. Die Beschäftigten können dabei ihre alltäglichen Erfahrungen über die Arbeitsanforderungen und Arbeitsprozesse einbringen. Damit liefern sie wichtige Informationen über die betrieblichen Anforderungen an die Gestaltung, Organisation und Regelung mobiler Arbeit. Sie haben dabei auch die Gelegenheit ihre Meinungen und Wünsche über betriebliche Regelungen zu artikulieren.

Für die genaue Analyse von Spielräumen für mobile Arbeit können – soweit im Betrieb vorhanden – Stellenpläne herangezogen werden, die differenziert Einzeltätigkeiten, deren Zeitanteile sowie auch, die dafür erforderlichen Arbeitsmittel und Gegenstände beinhalten. Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hat im Rahmen des Forschungsprojekts „MofAPro – mobiles, zeitflexibles Arbeiten im Produktionsbereich“ Tools entwickelt, um Potenziale für mobiles und flexibles Arbeiten in der Produktion mit Beteiligung der Beschäftigten zu erschließen. Sie beinhalten zum einen ein Instrument, mit dessen Hilfe die Führungskräfte und Mitarbeitenden im Gespräch die einzelnen Aufgaben detailliert und systematisch im Hinblick auf örtliche und zeitliche Flexibilisierungsmöglichkeiten beleuchten (ifaa 2023a). Zum anderen wird ein Selbstcheck für die Beschäftigten angeboten. Er dient den Mitarbeitenden dazu, über die Möglichkeiten, Voraussetzungen und die Wünsche im Hinblick auf mobile Arbeit zu reflektieren. Auf dieser Grundlage lassen sich auch Regelungen und Vereinbarungen treffen, um die Funktionsfähigkeit neuer Lösungen sicherzustellen (z. B. Erreichbarkeit). Neben den betrieblichen Faktoren geraten dabei auch die Bedingungen des häuslichen Arbeitens in den Blick (ifaa 2023b).

Bei der Entwicklung von Angeboten zu mobilem Arbeiten ist demnach zu klären,

  • für welche Tätigkeiten bzw. Arbeitsplätze mobile Arbeit in Frage kommt (Informationsgrundlagen: Stellenbeschreibung, Personaleinsatzplanung, Organigramm);
  • welche Beschäftigtengruppen mobil arbeiten können (grundsätzlich möglich für alle Beschäftigten mit Tätigkeiten, die auch außerhalb des Büros bzw. Arbeitsplatzes durchgeführt werden können);
  • wie der Zugang zu Dokumenten, Unterlagen, Datenbanken an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten gewährleistet ist (z. B. Cloud oder firmeninternen Server);
  • dass Störfaktoren für das Arbeiten außerhalb von Büros definiert und mit den Beschäftigten kommuniziert werden. Die Beschäftigten sollten über Umgebungs- und Störfaktoren zu Hause und auf Dienstreisen hingewiesen werden.

 

Eine Suche nach Spielräumen für Arbeiten von zuhause und die gemeinsame Diskussion von Führungskräften und Mitarbeitenden über Gestaltungsmöglichkeiten dient der Bindung der Mitarbeitenden und stärkt die Position als attraktiver Arbeitgeber. Sie signalisiert, dass das Unternehmen die Interessen und Wünsche der Mitarbeitenden im Blick hat. Auch Zusammenhalt und Gerechtigkeit im Betrieb geraten in den Fokus, wenn dabei Beschäftigtengruppen einbezogen werden, die bislang nur wenig von Homeoffice-Angeboten profitiert haben, wie geringer qualifizierte Beschäftigte und überwiegend körperlich Arbeitende. Auch kleine Verbesserungen bei Arbeitszeitregelungen können hilfreich sein. Anstelle der räumlichen Mobilität kann im Sinne der Beschäftigtenwünsche die zeitliche Flexibilität der Tätigkeiten in den Fokus genommen werden. Gerade bei Schichtarbeit bestehen oft Verbesserungsmöglichkeiten (Monsig & Altun 2022).

    

Dieser Leitfaden ist Teil der Arbeitshilfe „Homeoffice und mobile Arbeit bewusst gestalten“. Weitere Dokumente und Tools finden Sie unter rkw.link/mobilearbeit.