Vorbemerkungen

Personalbeschaffung wird schwieriger

Es wird für Unternehmen spürbar schwieriger, auf den für sie relevanten Arbeitsmärkten die Aitarbeiter1 zu finden, die sie für ihre Geschäftszwecke brauchen. Die geforderten Fähigkeiten,

  • seien es die Arbeitstugenden Jugendlicher,
  • sei es ein bestimmtes Spezialwissen bei Fachkräften oder Hochschulabsolventen,
  • sei es die geforderte Flexibilität bei Quereinsteigern,
  • seien es Gesundheit und Beweglichkeit älterer Arbeitnehmer oder
  • sei es die Fähigkeit von Führungskräften, wachsende Unsicherheit auszuhalten,

stehen nicht mehr ohne weiteres zur Verfügung. Die Personalbeschaffung wird schwieriger. Das Schlagwort „Fachkräftesicherung“ ist in aller Munde.

Diese Botschaften sind beim Management vieler Unternehmen noch nicht angekommen und Personalleiter beklagen häufig, dass Manager ihre Schwierigkeiten, die passenden Mitarbeiter zu finden, nicht verstehen.

Auf die passenden Mitarbeiter kommt es an

Gerade Unternehmen, die Wert auf ihre Alleinstellungsmerkmale, ihren USP2, legen, bemerken dann jedoch mitunter, dass zunehmend volatile Arbeitsmärkte die für sie notwendigen spezifischen Kompetenzen nicht (mehr) hergeben.

In dieser Situation bleibt nichts anderes übrig, als vermehrt in Personal, in die Herstellung der Passfähigkeit von Mitarbeitern beziehungsweise Bewerbern zu investieren. Weiterbildungsinvestitionen, ihr Nutzen und ihre Wirkungen für das Unternehmen, und damit ihr Controlling, gewinnen an Bedeutung.

Besonders wird ein spezifisches Controllingmodell gebraucht, das für kleine und mittlere Unternehmen geeignet ist. Dies hat das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg erkannt und in seinem Förderaufruf zum Thema Bildungscontrolling (Juli 2010) zum Gegenstand gemacht.

Das Prozessmodell Bildungscontrolling3 samt Leitfaden mit 29 Controlling-Instrumenten und einem Musterunternehmen mit 14 Anwendungsbeispielen, das das RKW im Auftrag des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg im Anschluss an diesen Förderaufruf entwickelt hat, fokussiert auf den ökonomischen Nutzen und die strategischen Wirkungen von Weiterbildung für ein Unternehmen, also letztlich auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Durchgängig geht es dabei um die Frage: Wie muss eine Weiterbildung organisiert sein, damit sie dazu beiträgt, den angestrebten ökonomischen Nutzen sowie die Ziele der Unternehmens- und Personalplanung zu realisieren?

Bildungscontrolling ist das Controlling einer Investition (in Weiterbildung)

Der RKW-Bildungscontrolling-Ansatz, den die vorliegende Broschüre beschreibt, verfolgt ohne Abstriche den Controllingaspekt und betrachtet Evaluation gewissermaßen als eine untergeordnete Teilmenge von Controlling (vgl. abschnitt 2.9). Etwas plakativ ausgedrückt: Genauso, wie das Controlling einer Investition in eine technische Anlage es auch, aber erst in zweiter Linie, mit technischen Spezifikationen zu tun hat, so hat es das Controlling einer Weiterbildung – ebenfalls erst in zweiter Linie – mit pädagogischen Spezifikationen zu tun.

Egal um welche Art von Investition es sich handelt, Controlling fokussiert auf deren ökonomische Wirkung, letztlich auf ihren Beitrag zur Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. Technische, pädagogische und andere Spezifikationen sind mittel zum Zweck. Aus dieser Perspektive ist Bildungscontrolling also nichts anderes als das Controlling einer Investition in die Weiterbildung von Mitarbeitern.

Die folgende Darstellung wird zeigen, dass die strikte Konzentration auf das Controlling Bildungscontrolling von unnötigem Ballast befreit und damit handhabbar für mittelständische Unternehmen macht. Der Zweck, in diesem Fall der ökonomische Nutzen, bestimmt die Mittel, in diesem Fall die Weiterbildung – und nicht umgekehrt.

Neben dieser Broschüre ist der RKW-Leitfaden „Bildungscontrolling für kleine und mittlere Unternehmen“ erschienen, der das Bildungscontrolling-Prozessmodell mit 29 Bildungscontrolling-Instrumenten sowie einem Musterunternehmen mit 14 Anwendungsbeispielen enthält4.

Der Leitfaden wurde in sechs mittelständischen Unternehmen Baden-Württembergs in Weiterbildungsmaßnahmen mit unterschiedlichen Zielgruppen erprobt: mit Vertriebs-/Verkaufsmitarbeitern, gering Qualifizierten, Führungskräften, Einkaufsmitarbeitern, Mitarbeitern in Forschung und Entwicklung und Mitarbeiterinnen in der Produktion. Dabei haben sich das Konzept und die Instrumente als sehr anschlussfähig gegenüber dem Management in mittelständischen Unternehmen erwiesen, allerdings auch als durchaus anspruchsvoll für das Personalmanagement.

Bildungscontrolling verbessert die Qualität von Weiterbildung

Ökonomischen Nutzen für ein Unternehmen hat eine Weiterbildung nur dann, wenn ihre (Lern-)Ergebnisse konsequent umgesetzt und damit dauerhaft werden. Und dies gelingt in der Regel besser, wenn der Kreis der direkt und indirekt an Weiterbildung Beteiligten in einem Unternehmen größer wird und vor allem auch die Qualität der Beteiligung, insbesondere der Führungskräfte an Weiterbildungsprozessen, zunimmt. Wenn deren Aufmerksamkeit kontinuierlich auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter gerichtet ist, weil dies zum Managen dazu gehört, verliert Weiterbildung ihren Exotenstatus und mutiert zur „normalen“ Handlungsalternative. Voraussetzung wie auch Folge ist eine kontinuierliche Verbesserung der Weiterbildungsqualität. Allein der Tatbestand also, dass Weiterbildung einem Controlling unterworfen wird, hat positive Wirkung auf deren Qualität.

Die Anwendung von Bildungscontrolling in einem Unternehmen leistet so einen Beitrag zur Erreichung der strategischen Ziele des „operationellen Programms Chancen fördern – der Europäische Sozialfonds in Baden-Württemberg“ des Landes Baden-Württemberg, insbesondere zum Ziel der Erhöhung der Qualität der beruflichen Weiterbildung wie auch der Erhöhung der Beteiligung der Beschäftigten an beruflicher Weiterbildung.

1 Generell wird hier nach den Regeln der deutschen Grammatik verfahren, das heißt, dass, wo es sich aus dem Kontext ergibt, das jeweils andere Geschlecht immer mit gemeint ist.
2 Der USP = Unique Selling Proposition oder Unique Selling Point bezeichnet das herausragende Leistungsmerkmal eines Unternehmens, mit der es sich vom Wettbewerb abhebt.

3 Wenn hier von Bildungscontrolling die Rede ist, ist ausdrücklich nur die auf einen Zweck ausgerichtete Weiterbildung in einem Unternehmen angesprochen und nicht „Bildung“ im klassischen Sinn als zweckfreies Geschehen. Es wäre deshalb angemessener, von Weiterbildungscontrolling zu reden. Dennoch folgen wir der Konvention und bleiben bei dem Begriff Bildungscontrolling.

4 Vgl. RKW Baden-Württemberg (2013)