Nach der Beratung
Empfehlung 13
Du bist nicht allein – Begleitung suchen
Über die Schulter geschaut
Die Aufgabe der Gründungsberatung endet nicht mit der Gründung. Besondere Aufmerksamkeit, betont der Expertenkreis, ist in der Nachgründungsoder Festigungsphase geboten. Während dieser Zeit sollten die Beraterinnen und Berater den Gründerinnen und Gründern mit Begleitungsund Coaching-Angeboten zur Seite stehen. Das ist – leider – keinesfalls die Regel. Ein Indikator dafür: Das KfW-Förderprogramm „Gründercoaching Deutschland“, das lediglich für sechs Monate finanziert wird.
Vor allem für klassische „Notgründungen“ kann diese Form der Beratung von Nutzen sein. Daher sollte zusätzlich zur Gründungsberatung eine Prozessberatung bzw. -begleitung angeboten werden, auf die die Altersgruppe erfahrungsgemäß besonderen Wert legt. Die Alterssicherung spielt eine herausragende Rolle.
„Im praktischen Gründungsund Festigungsprozess lohnt es sich, eine Prozessberaterin bzw. -berater an der Seite zu haben, mit dem man sein eigenes Unternehmertum reflektiert. Gerade Gründerinnen und Gründer 45plus schätzen es sehr, da sie sich aufgrund ihres Lebensalters keine großen finanziellen Verluste oder ein Scheitern mehr leisten können.“
– Britta Lohse –
Die Prozessberatung ist insbesondere für bestimmte vulnerable Gründerpersonen von Bedeutung, vor allem mit Blick auf das Thema Alterssicherung (Franke, 2012):
— Alleinstehende Frauen mit brüchigen Erwerbsbiographien aufgrund von familiären Aufgaben und entsprechend geringen Rentenanwartschaften
— Gründerinnen und Gründer im niedrig entlohnten Dienstleistungssektor bzw. Selbstständige mit niedrigen Einnahmen— Gründerinnen und Gründer ohne spezifische Branchenerfahrungen, Netzwerke, Fachwissen etc.
— Notgründerinnen und Notgründer ohne ökonomische Ressourcen bzw. mit hohen Verbindlichkeiten.
Zur Prozessberatung gehören eine längere Phase der Orientierung und Sondierung und mehr Personalressourcen. Gründungsberaterinnen und -berater könnten für eine Begleitung – wenn nötig – weitere Experten (Marketing, Steuerberater etc.) hinzuziehen.
Exkurs
Für Qualität in der Gründungsberatung sorgen
In der Diskussionsrunde wurde auch der Aspekt „Qualität der Beratung“ behandelt. Die Mitglieder im Expertenkreis beklagen die Existenz von „schwarzen Schafen“, deren vorrangiges Ziel es sei, Fördermittel „abzugreifen“. Sie stellen nicht nur ein gewisses Risiko für die potenziellen Gründerinnen und Gründer dar, sondern gefährden insgesamt das Image der Branche. Trotz regelmäßiger Selektierungsprozesse finden sich immer wieder einige unseriöse Anbieterinnen und Anbieter in der KfW-Beraterbörse, die für die Outsider (Kundschaft) von den seriösen nicht zu unterscheiden seien.
Wichtige Fragestellungen sind hierbei: Wie professionell, wie gut, wie seriös usw. ist die Beraterin bzw. der Berater? Was zeichnet sie bzw. ihn aus? Welche Qualifikationen hat sie bzw. er?
Um das Aufkommen unseriöser Anbieter zu vermeiden oder wenigstens den durch sie entstehenden Schaden zu minimieren, sollten sich die Beraterinnen und Berater einem Prüfverfahren oder Kriterium für nachweisbare Kompetenzen und Erfahrungen in der Gründungsberatung unterziehen. Denkbar wäre die Einführung eines Qualitätssiegels – alternativ die Figur der Qualitätsberaterin bzw. des Qualitätsberaters. Durch das Qualitätssiegel wäre es für die Kundinnen und Kunden einfacher, eine einschlägige und qualifizierte Beratung zu suchen.
Ein ähnliches Modell wird in Berlin praktiziert. Dort hat das Lokale Netzwerk Existenzgründung e.V. (LONEX) ein Testierungsverfahren für Gründungsberaterinnen und -berater entwickelt, das inzwischen von Institutionen wie dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bundesweit anerkannt wird. Durch den persönlichen Kontakt und die Einbeziehung lokaler Akteure, wie z.B. Wirtschaftsförderung und Banken, wurde ein Kontrollund Zertifizierungssystem zur Qualitätssicherung und mehr Transparenz in der Beratung geschaffen. Mehr Information finden Sie auf www.lonex-berlin.de.
Auch das RKW Hessen hat ein eigenes Verfahren zur Auswahl von Beraterinnen und Beratern für die Existenzgründung entwickelt. Die vom hessischen Ministerium durchgeführten Evaluationen der letzten Jahre zeigen, dass das RKW Hessen hier gute Erfolge erzielte.Weitere denkbare Maßnahmen sind:
— die Einführung einer Probeberatung,gerade bei Beraterinnen und Beratern, die noch nicht zertifiziert sind
— die Abschaffung von Fehlanreizen bei der Mittelförderung
— ein besseres Management und eine Qualitätssicherung im Zuge der Mittelbeantragung und -vergabe.
„An dieser Stelle ist es wichtig, die Förderung von Gründungen derart zu gestalten, dass die eingesetzten Instrumente und Institutionen nicht nur Gründerinnen und Gründer auf dem Weg unterstützen, sondern auch eine erfolgreiche Qualitätssicherung garantieren.“
– Roland Nestler –
Jede Gründerin bzw. jeder Gründer 45plus muss dort abgeholt werden, wo sie bzw. er sich befindet, nämlich…
— Durch individuelle und vertrauensbildende Ansprache
— Örtlich/räumlich: Durch Werbung in ihrem/seinem lokalen oder regionalen Umfeld auf die Gründungsberatung aufmerksam machen— Medial: Die regionalen Medien (Presse, Radio, TV) können bei der Vermittlung der Gründungsangebote helfen
— Persönlich: Die persönliche Ansprache ist bei diesem Personenkreis besonders wichtig, vor allem der Einfluss von Freunden, Bekannten, Familie, aber auch der vorhandenen Netzwerke und Kontakte, ist groß
— Lebenswelt- und lebenslaufbezogen: Die Lebenserfahrung spielt eine wichtige Rolle im Gründungsvorhaben. Es ist durchaus lohnenswert, Gruppen zu identifizieren, die auf gleicher Weise angesprochen werden können. Das ist gerade bei einigen eher sozial homogenen Gruppen machbar, z. B.: Alleinerziehende, Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Akademikerinnen und Akademiker, Empfänger von ALGI/II, Langzeitarbeitslose— Berufs-, Branchenund Fachkenntnisse: Zeigen sich in der Regel im Gründungsprojekt. Es bietet sich deshalb in einigen Fällen an, die Gründungsberatung über einen thematischen Zugang zu vermitteln, z. B. in der Kulturund Kreativwirtschaft, Coachingund Beratungsbranche, Gesundheitswirtschaft oder Bildungsbranche (z. B. Ausbildung als Kindertagespflegepersonen)
— Hobbys und Talente: Hobbys, Talente und Interessen verbinden und als Idee in ein Gründungsprojekt münden lassen. Typisch sind Sportund Wellnessangebote, EDV-Kenntnisse, aber auch Modeaffinität (Nähen, Stricken, Schneidern). Ebenfalls können kreative Aktivitäten im Kulturund Kreativbereich (Fotografie, Theater, Malerei,…) Grundlage für eine selbstständige Tätigkeit bilden
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