Vor der Beratung

Empfehlung 1: Lebenswege aufzeigen, Motivation wecken Hinterm Horizont geht’s weiter

Als erste Handlung rät der Expertenkreis rechtzeitig zu beginnen, die Zielgruppe der Menschen 45plus für eine Gründung zu interessieren bzw. zu motivieren – idealerweise zu einer Zeit, in der die berufliche Entwicklung in Ruhe überdacht werden kann. Dazu sollten regionale Öffentlichkeitsmaßnahmen beitragen. Deren Ziele bestehen darin, das Bild des Gründers in seiner Vielfalt und mit dessen Möglichkeiten darzustellen und dadurch soziale Akzeptanz für Gründerinnen und Gründer ab dem mittleren Alter zu schaffen.

Vorbilder

Um zu interessieren und zu motivieren sollten Vorbilder genutzt werden, die einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Diese sind in der hier angesprochenen Altersgruppe sehr rar und erfüllen aus diesem Grund einen wichtigen Zweck: Sie sind Wegbereiter und Mutmacher zugleich. Denn das vorherrschende Bild der Gründerin bzw. des Gründers entspricht zu sehr den gängigen Stereotypen des Unternehmertums ("jung, männlich, innovativ, wachstumsund erfolgsorientiert"). Sowohl Frauen als auch Männer der mittleren und älteren Jahrgänge können sich damit meistens nicht identifizieren.

"Leistungsfähigkeit ist eine Frage der Kompetenz und nicht des Alters. Der Gründerperson sollte das Gefühl vermittelt werden, dass eine erfolgreiche Unternehmensgründung nicht nur etwas für Personen mit deutlich jüngerem Alter ist. Ältere Unternehmensgründerinnen und -gründer sollten auf keinen Fall mit jüngeren Existenzgründerinnen und -gründern gemessen werden." – Thomas Nabein –

Der größte Unterschied zwischen "jüngeren" und "älteren" Gründerpersonen liegt womöglich in den unterschiedlichen Gründungsmotiven, wie der RKWStudie zu entnehmen ist: Während rein monetäre Anreize allein nicht selten eine nachrangige Rolle spielen (können), stehen bei Senior Entrepreneuren Selbstverwirklichung sowie die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen im Vordergrund (RKW, 2013).

Deshalb sollen – so der Expertenkreis – neue Vorbilder bekannt gemacht werden, die die verschiedenen Gründungstypen, unabhängig von Größe, Umfang und Beweggründen, aufzeigen. Diesbezüglich ist weniger bekannt, dass die deutsche Gründerszene vor allem durch Soloselbstständige und Kleinstunternehmen geprägt ist. Laut KfW-Gründungsmonitor starteten 2013 ca. 77 % der Gründerinnen und Gründer alleine, viele blieben auch ohne Angestellte (2014).

PR- und Öffentlichkeitsarbeit

Die Verbreitung von Vorbildern sollte von einer breiteren Strategie der PRoder Öffentlichkeitsarbeit umrahmt werden, die – so der Expertenkreis – vor allem dazu beitragen sollte, den Bekanntheitsgrad von Gründerinnen und Gründern 45plus zu erhöhen und mit weit verbreiteten Klischees und Vorurteilen über diese Altersgruppe aufzuräumen. So weist die RKWStudie 2013 darauf hin, dass man mit diesen Menschen u.a. nachlassende oder fehlende Leistungsfähigkeit assoziiert. Weitere Probleme sind Unverständnis und mangelnde Unterstützung im persönlichen Umfeld: Alle diese Faktoren können den Erfolg ihrer Geschäftsideen behindern oder sogar im Keim ersticken (ebd.). Außerdem werden Gründerinnen und Gründer 45plus oft mit Notgründungen in Verbindung gebracht. Eine Ursache dafür ist sicherlich, dass die bekanntesten Gründungen aus Projekten kommen, die sich mit der Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit beschäftigt haben. Beispiele hierfür: Die Regionalpakte des BMAS-Programms "Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen". Informationen dazu auf: www.perspektive50plus.de.

"Insofern ist es wichtig, die Altersgruppe 45plus als erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer zu präsentieren, um ein realistisches Bild dieser äußerst vielfältigen Gruppe ins Licht zu rücken." 
– André Scheifers –

Dafür soll auch die Online-Best-Practice-Reihe "Senior Entrepreneurship" des RKW Kompetenzzentrums sorgen. Seit März 2015 erscheint sie regelmäßig im Blog Gründerökosystem des Fachbereichs Gründung.

Gründungskultur

Dass Wertschätzung für mehr Gründungen hierzulande erforderlich ist, ist unbestritten, wie im GEMLänderreport Deutschland ausdrücklich formuliert wird. Derzeit erleben wir einen Wandel der Berufsund Beschäftigungsformen: Kontinuierliche Berufsbiographien werden seltener, wechselnde Tätigkeiten, Arbeitsund Beschäftigungsformen hingegen zum Normalfall. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Expertenkreis, dass bereits in Schulen und Hochschulen die berufliche Option "Unternehmerin bzw. Unternehmer-Sein" in allen Bildungsinhalten verankert und sowohl Schülerinnen und Schülern als auch Studentinnen und Studenten vermittelt werden sollte. Nur auf diese Weise kann eine größere Offenheit für die Themen "Existenzgründung und Unternehmertum" erzielt werden.

"Das klassische Berufsleben (Ausbildung - Langzeitbeschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber - Karriere - Rente) wird aussterben. Arbeitnehmerinnen und -nehmer wechseln immer häufiger den Arbeitgeber (…), d.h. Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung spielen eine immer größere Rolle in unserem Wertesystem." 
– Erika Siepmann –

Empfehlung 2
Informationen streuen, Motivation aufgreifen
Neu sehen, was man weiß

Das Gründungsinteresse in der Altersgruppe 45plus wächst. Laut DIHK-Gründerreport ist der Anteil von Gründungswilligen 50plus an der IHK-Gründungsberatung im Zeitraum 2002 – 2012 von 12% auf 20% gestiegen (DIHK, 2013). Um dieses Potenzial nutzbar zu machen, empfiehlt der Expertenkreis, potenzielle Gründerinnen und Gründer bereits im Vorfeld mit den notwendigen "Gründungsinformationen" zu versorgen. Dabei ist es unerlässlich, zunächst einmal zwischen den zwei angesprochenen Grundtypen, Notgründerinnen und -gründern oder Chancengründerinnen und -gründern, zu unterscheiden.

Bedarfsorientierte Informationsvermittlung

Je nach konkreter Zielgruppe muss der Informationsbedarf geschlechtersensibel und lebenslauforientiert definiert werden, um die jeweiligen Ansprüche zu befriedigen. Gerade Frauen ab dem mittleren Alter gründen häufig nach der Familienphase, um sich www.rkw-kompetenzzentrum.de & www.senior-entrepreneurship.de 13 beruflich neu aufzustellen. Für beide Geschlechter gilt darüber hinaus, dass viele in der Selbstständigkeit eine besondere berufliche Chance sehen, sich selbst zu verwirklichen, d. h. "das zu tun, was sie schon lange oder schon immer tun wollten".

Zug statt Druck

Motivation spielt in der Vorgründungsphase eine entscheidende Rolle. Erzeugen kann man sie u. a. durch Gruppenveranstaltungen für Gründungsinteressierte. Die Vermittlung von passgenauen Informationen und die Vorstellung von Vorbildern (Empfehlung 1) erleichtern die Gründungsentscheidung. Einmal diese getroffen, sollten sich die Ratsuchenden nach Möglichkeit intensiv mit der eigenen Gründung auseinandersetzen. Zentrale Frage dabei ist: Wie verschaffe ich mir als Gründerin und Gründer, Unternehmerin und Unternehmer all die Informationen, die für mein Business relevant sind? Welche Quellen "zapfe ich an"? Eine aktive Beteiligung vereinfacht den gesamten Beratungs- und Gründungsprozess.

"Insbesondere in der Gruppe der chancenreichen Gründungen ist es wichtig, Selbstständigkeit als Chance zu kommunizieren, um die Eigeninitiative zu stärken. Die Beraterin bzw. der Berater wird somit zur Begleitperson im Gründungsprozess:  Sie ermutigt die Ratsuchenden, aktiv zu werden und hilft, wo diese nicht weiter kommen." 
– Lothar Hunshelm–

Bewährte Portale und Institutionen

nutzen Um die erforderlichen Informationen zu streuen, können bewährte Portale sowie Institutionen helfen. Einige geeignete Webseiten auf Bundesebene sind: www.existenzgruender.de , www.existenzgruenderinnen.de , www.arbeitsagentur.de , www.kfw.de , www.dihk.de. Hinzu kommen die Gründungsportale der einzelnen Bundesländern und Regionen, z. B.: www.thex.de , Thüringen www.frauundberuf-bw.de , Baden-Württemberg www.competentia.nrw.de , Nordrhein-Westfalen www.startercenter.nrw.de , Nordrhein-Westfalen www.startercenter.hessen.de , Hessen u.v.m.

Die zuständigen Akteure, nämlich Beratungseinrichtungen, Kammern, Wirtschaftsförderungen, Banken und Unternehmen sollen dabei eine aktive Rolle spielen.

Sowohl PR-Maßnahmen (Empfehlung 1) als auch Informationskampagnen (Empfehlung 2) sollen nachhaltig ausgerichtet sein und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Andernfalls lässt sich das Interesse an Gründungen nicht verstetigen.