Anwendungsfelder von Social Entrepreneurship in der Schulbildung

Wenn wir darauf blicken, wie an der sozialen Tiefenstruktur heutiger Schulen gearbeitet wird, dann erkennen wir einen klaren Fokus auf die Förderung von Klassen und Schulgemeinschaft sowie auf eine prosoziale Verortung von Schule in lokalen Kontexten, z. B. durch Sozialpraktika oder andere Formen des Service Learnings. Die konkrete Grundlage dieser Tiefenstruktur ist, dass in den allermeisten Fällen Schulen auf mehr oder weniger altershomogene Klassen bauen und dabei in verschiedener Hinsicht solidarische Gruppen genieren. Schüler erfahren sich so in sozialisatorisch bedeutsamer Weise als Teil einer Gruppe (und darin wieder als Teil von kleineren Gruppen). Für das – spätere – Funktionieren verschiedenster gesellschaftlicher Institutionen (z. B. in der Nachbarschaft, in Vereinen oder politischen Gruppierungen) ist diese Erfahrung wohl kaum zu überschätzen.

Soziale Kompetenzen werden daher nicht nur in den aktuellen Bildungsplänen großgeschrieben. Selbst wenn von Individualisierung die Rede ist, dient dies in erster Linie durch spezifische Förderung der Integration von schwächeren Schülern und in zweiter durch Nicht-Frustration der stärkeren. Insgesamt stellt unsere heutige Gesellschaft mit der Schule einen wichtigen Schutzraum für die lernende Generation zur Verfügung.

Auch wenn es an Schulen immer einen Wettbewerb, insbesondere um Noten, gibt, erscheint in dem Kontext eines solchen Schulsystems eine curriculare Ausrichtung auf individualistischen wirtschaftlichen Wettbewerb zumindest nicht optimal verortet (dies wäre selbstverständlich auch eine missverständliche Verkürzung des Konzepts und der Ziele von Entrepreneurship Education). Dennoch muss gerade auch dieses Schulsystem auf die Anforderung reagieren, bestimmte auf die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt vorbereitende Persönlichkeitsentwicklungen zu fördern und „unternehmerische Kompetenzen“ im weitesten Sinne bei den Schülern zu entwickeln.

So werden auch entrepreneurshiporientierte Schülerwettbewerbe klassischerweise von Teams durchgeführt – u. a. meist ohne für Wirtschaftsbetriebe typische hierarchische Entscheidungsstrukturen. Eine Verknüpfung zwischen der sozialen Tiefenstruktur in der Schule als solidarische Gruppe und den Anforderungen, denen unternehmerisches Handeln unterliegt, sollte sich durch einen stärkeren Fokus auf Social Entrepreneurship besser herstellen lassen. Social Entrepreneurship bedeutet nicht nur wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, sondern auch den sozialen Mehrwert als unternehmerisches Ziel im Blick zu haben. Unternehmerisch handeln bedeutet hier, mit Mut und Offenheit neue Wege zu gehen und auch ideologische Grenzen zu überwinden.

Social Enterprises sind – nicht ganz im Einklang mit dem von Gemeinnützigkeit geprägten deutschen Verständnis – im EU-Verständnis Unternehmen, die profitorientiert wirtschaften, aber vor allem soziale, nachhaltige oder auch kulturelle Unternehmensziele verfolgen, d. h. die erwirtschafteten Gewinne wiederum mit Blick auf diese Zielsetzungen einsetzen (ec.europa.eu/growth/sectors/social-economy/enterprises_en).

Aus dieser Perspektive heraus wird im Rahmen des Erasmus+ Projekts „InTSEnSE“ (Internationalising Trading for Social Enterprise Sustainability and Education), an dem die Abteilung für Wirtschaftslehre der Pädagogischen Hochschule Freiburg beteiligt ist, ein besonderer Aspekt der Wirtschaftlichkeit von Sozialunternehmen untersucht, nämlich Internationalisierungsprozesse und -strategien. Die Projektpartnerschaft wird von der Glyndwr University, Wales, geleitet und umfasst vier Hochschulen (neben Großbritannien und Deutschland noch in Irland und Griechenland) sowie vier weitere Bildungseinrichtungen (in Litauen, Lettland, Großbritannien und Italien).

Ausgangspunkt des Projekts ist dabei, dass viele Sozialunternehmen einen lokalen oder nationalen Hintergrund haben, von dem aus sie ursprünglich ihre Waren oder Dienstleistungen angeboten haben (ebenso betrifft dies ihre Unterstützernetzwerke und die Finanzierung). Durch Wachstumserfordernisse und neue überregionale sowie internationale Bezugsund Vertriebsmöglichkeiten stehen diese Unternehmen neuen Herausforderungen aber auch Chancen und Märkten gegenüber. Auch Sozialunternehmen und ihre – potenziellen – Investoren sollten daher erkennen, dass Engagement, Exzellenz und Innovation in einem begrenzten Rahmen allein nicht immer ausreichen, um nachhaltige Geschäftsergebnisse zu erzielen. Für die Produktion von lokalen Lösungen für soziale Problemlagen müssen Sozialunternehmen innovativ sein und die Fähigkeit besitzen, als Anbieter und Nachfrager auch internationale Märkte zu beachten, um weiterhin die Dienstleistungen und Waren liefern zu können, die in ihren Heimatregionen und ggf. darüber hinaus benötigt bzw. nachgefragt werden.

In Teilen Europas sind Spezifika des Social Entrepreneurship, d. h. insbesondere die Frage, wie man die wirtschaftlichen und die sozialen Unternehmensziele gegeneinander abwägt, noch nicht durchgängig wahrgenommen und das Potenzial als Instrument zur Bekämpfung von sozialen und wirtschaftlichen Problemlagen in der Folge nicht entsprechend anerkannt. Daher möchte InTSEnSE dazu beitragen, Kapazitäten in diesem Sektor auf europäischer Ebene aufzubauen, um bestehenden Sozialunternehmen und neuen potenziellen Sozialunternehmern, die international handeln wollen, zu nachhaltiger Entwicklung und Wachstum sowie zu einer effizienteren Arbeitsweise zu verhelfen.

Ziele des Projekts sind daher die Identifizierung von Faktoren, welche die Internationalisierung von Handelspraktiken sozialer Unternehmen beeinflussen, sowie der Unterstützungsmechanismen für soziale Unternehmen, die eine mögliche Ausweitung von Handelsaktivitäten fördern können.

Diese Ergebnisse sollen dann von – potenziellen – Social Entrepreneurs genutzt werden, um zu lernen, wie man Hindernisse überwinden und durch internationalen Handel nachhaltiger werden kann. Ausgehend von diesen Ergebnissen werden entsprechend im Anschluss an diese Untersuchungen – unter der Leitung der PH Freiburg – Schulungsmaterialien zu Anwendungsmöglichkeiten und Umsetzungskonzepten entwickelt. Diese sollen sowohl in der Hochschul-, Weiter- und Berufsbildung als auch in formalen und informellen Zusammenhängen Anwendung finden. Die Zielgruppen für dieses Projekt sind daher bestehende und potenzielle Sozialunternehmen und ihre Mitarbeiter sowie Lehrende und Lernende verschiedener Bildungseinrichtungen (darüber hinaus noch relevante Entscheidungsträger in Verbänden und der Politik).

Um Social Entrepreneurship sowie die Erkenntnisse aus Forschung und Praxis auch in der Schulbildung zu verankern, bedarf es u. a. einer Integration dieser Ideen und Konzepte in die Ausbildung kommender Lehrkräfte. In der Ausbildung für das Fach WBS – Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung an der PH Freiburg nehmen Fragen nachhaltigen Wirtschaftens bereits einen großen Raum ein. Allerdings geschieht dies bisher noch eher aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Wir versprechen uns daher mit den Erfahrungen des Projekts InTSEnSE, stärker einzelwirtschaftliche Perspektiven und damit auch den expliziten Entrepreneurship-Aspekt vermitteln zu können. Dabei kann der internationale Fokus des Projekts als weiterer Anreiz zur Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik dienen. Langfristig können hier auch weiterreichende akademische Fragen angeschlossen werden, wie z. B. nach der lokalen und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von sozialem Unternehmertum oder dem Zusammenhang von ökonomischem, sozialem und symbolischem Kapital.

Allgemein erfordert dies, u. a. die Grenzen des klassischen Hochschulseminars aufzubrechen und eine entsprechende Öffnung der entsprechenden fachlichen Lehrerbildung für neue Konzepte hin zur Praxis zu erreichen. Vor allem erfordert es aber, dass Maßnahmen und Initiativen an Schulen, die sich der Entrepreneurship Education verpflichtet fühlen, und solchen, die soziales Lernen in den Fokus stellen, ihren Blick weiten, vermeintliche Grenzen überwinden und Gemeinsamkeiten finden. Vereinfacht gesagt geht es z. B. darum, den Businessplan um eine Nachhaltigkeitsanalyse und Sozialpraktika um eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zu ergänzen. Daneben gilt es, den – kritischen – Kontakt mit lokalen Sozialunternehmen zu fördern, um so lebendiges und spannendes Lernen sowie eine relevante Entrepreneurship Education zu ermöglichen.