Social Entrepreneurship als Teil von Entrepreneurship Education

Oder: Wie man bereits in der Schule soziale Probleme unternehmerisch angehen kann

Unfaire Produktionsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern, große ökologische Fußabdrücke, Integrationskonflikte – gesellschaftliche Probleme begegnen uns überall. Manch einer mag von deren Fülle und Größe gelähmt sein. Andere hingegen möchten im Kleinen ihren Beitrag zur Lösung sozialer Probleme leisten oder engagieren sich unternehmerisch – so die Schülerin Emilia Wienekamp, die sich als Geschäftsführerin der Schülerfirma „Macadamiafans“ für den fairen Handel von Macadamianüssen einsetzt (siehe Interview). Auch diese Schülerfirma ist Teil des „sozialen“ Unternehmertums oder – wie in der Fachsprache bezeichnet – des „Social Entrepreneurship“. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „Social Entrepreneurship“ und warum ist er auch im Schulkontext relevant?

Social Entrepreneurship: Was ist das?

Eine gängige Definition für das Phänomen des sozialen Unternehmertums konnte sich in der Forschung zwar bisher nicht durchsetzen (BMWi 2016), jedoch herrscht Einigkeit über das wesentliche Abgrenzungsmerkmal: Während bei üblichen Unternehmungen der ökonomische Gewinn im Fokus steht, ist es bei Social Entrepreneurship ein gesellschaftliches Problem, welches im Bestfall durch die unternehmerische Tätigkeit gelöst wird (BMWi 2016).

Von dem maßgeblichen Unterschied der Gemeinwohlorientierung abgesehen, unterscheiden sich Sozialunternehmer kaum von „normalen“ Unternehmern: Beide Gründer müssen ein wirtschaftlich tragfähiges Unternehmen aufbauen, indem sie ein gangbares Geschäftsmodell entwickeln und unternehmerische Mittel einsetzen (BMWi 2016).

Social Entrepreneurship in Deutschland

So unterschiedlich wie die gesellschaftlichen Probleme sind, so vielfältig sind auch die Bereiche, in denen Social Enterprises gegründet werden. Die Tätigkeitsfelder der Sozialunternehmen reichen von gesellschaftlicher Inklusion über Umweltund Naturschutz bis hin zu Entwicklungshilfe – in Deutschland werden besonders viele Sozialunternehmen im Bereich Arbeitsmarktintegration, soziale Dienste und Bildung gegründet (Spiess-Knafl et al. 2013: 26).

Oft müssen dabei die Unternehmer innovative Ansätze entwickeln, um das anvisierte gesellschaftliche Problem anzugehen, da in der Regel klassische Angebotsund Nachfragemodelle nicht funktionieren (BMWi 2016). Die angestrebte positive Wirkung auf das fokussierte Problem, „Social Impact“ genannt, kann dabei auf unterschiedliche Weisen realisiert werden. Zum Beispiel durch die Bereitstellung eines bisher nicht verfügbaren Produkts oder Services für eine bestimmte Zielgruppe, aber auch durch eine fairere Neugestaltung der jeweiligen Wertschöpfungsketten (Sander et al. 2018: 167–182).

Im internationalen Vergleich erweist sich die Gründungsaktivität im Bereich Social Entrepreneurship, ebenso wie bei Gründungen im Allgemeinen, als ausbaufähig (vgl. Bosma et al. 2016). Erklärt wird das mit der generellen deutschen Gründungsscheu sowie den spezifischen institutionellen Strukturen (vgl. Schwarz 2014: 178 ff.).

Einen Beitrag zur Stärkung der „sozialen“ Gründungskultur leisten Benjamin Klein und Annika Surmeier vom Social Impact Lab Stuttgart in ihrer täglichen Arbeit mit Social Startups. Bei einem Besuch des Labs haben wir mit ihnen darüber gesprochen, warum sie Social Entrepreneurship wichtig finden und wie sie arbeiten.

Die derzeit sieben Social Impact Labs in Deutschland sind Einrichtungen der Social Impact gGmbH, der Agentur für soziale Innovationen. Die Labs bieten Raum, Networking und Events rund um Social Entrepreneurship an. Außerdem werden Social Entrepreneure in ihrer Gründungsphase begleitet, um deutschlandweit diese Art der Gründungskultur zu fördern. www.socialimpact.eu

Was sind für Sie Social Startups und was unterscheidet sie von „normalen“ Startups?

Klein: Ein Social Startup ist „social“ in dem Sinn, dass es ein gesellschaftliches Problem identifiziert hat, das mit dem Startup gelöst werden soll. Ein Startup ist es dadurch, dass es unternehmerische Mittel nutzt, wie ein gewöhnliches Startup auch. Wie beim Social Entrepreneurship steht also hier die Lösung eines gesellschaftlichen Problems im Vordergrund, bzw. der Social Impact.

Und wie fördern Sie solche Startups in Ihrem Lab?

Surmeier: Wir haben ein strukturiertes Programm, das Wirkungsschaffer-Stipendium. Mit diesem fördern wir jährlich um die 20 Startups durch Coaching, Workshops und Zugang zu unserem Netzwerk bei der Umsetzung der Geschäftsidee.

Klein: Genau. Und dabei ist uns der Gedanke des Ausprobierens sehr wichtig. Wie der Zusatz „Lab“ im Namen schon andeutet, können Startups hier experimentieren, probieren und auch mal scheitern – wie in einem „echten“ Labor.

Wieso brauchen Social Startups einen eigenen Raum und spezielle Unterstützung?

Klein: Dafür gibt es tatsächlich recht viele Gründe; der Hauptgrund ist jedoch, dass der gesellschaftliche Kontext, in welchem diese Startups agieren, die Unternehmung wesentlich verkompliziert.

Surmeier: Aus unserer Erfahrung gibt es verschiedene Herausforderungen für Sozialunternehmer. Am Anfang ist bei Social Startups das Geschäftsmodell schwieriger zu definieren, als es bei klassischen Startups der Fall ist. Auch bei der Wahl einer passenden Organisationsform besteht oft großer Beratungsbedarf. Später scheint es bei Social Startups noch mal schwieriger zu sein, die Motivation aufrechtzuerhalten, da so viele unterschiedliche und komplexe Anforderungen gleichzeitig zu meistern sind. Außerdem ist es eine große Herausforderung, die beabsichtigte soziale Wirkung zu erreichen und zu messen. Neben dem gewünschten Impact kann es auch zu nicht intendierten Folgen kommen, die dann möglicherweise gelöst werden müssen.

Zum Abschluss eine wichtige Frage: Warum ist Social Entrepreneurship wichtig?

Surmeier: Veränderungsprozesse beginnen meist im ganz Kleinen: Die Social Startups entwickeln unterschiedliche Ideen für unterschiedliche Probleme. Werden diese, wie kleine Pflanzen, gepflegt, also in nahrhaften Boden gepflanzt, ausreichend Licht und Raum gegeben, können sie wachsen. Eine einzelne Pflanze allein schafft es zwar nicht, das Ökosystem zu verändern, doch zusammen – also quasi in der Summe – ist das möglich. Und so können die unterschiedlichen sozialen Unternehmen auch einen Wandel in der Wirtschaft zu mehr Verantwortung und Nachhaltigkeit bewirken.

Vielen Dank für das Interview!

Social Entrepreneurship Education

Soziales Unternehmertum ist ein wichtiges Thema und birgt das Potenzial in sich, das Wirtschaftssystem gerechter zu gestalten. Warum Social Entrepreneurship allerdings auch in die Schule gehört und wie man nachhaltige Inhalte an Schüler vermittelt, berichtet Franziska Keich von StartGreen@School im folgenden Interview:

Ziel von StartGreen@School ist die Förderung einer nachhaltigen Gründungskultur an Schulen. Damit leistet StartGreen@School einen Beitrag zur Verankerung der Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen. Das Projekt wird im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. www.start- green.net/school

Frau Keich, StartGreen@school hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Themen Entrepreneurship und Nachhaltigkeit an Schulen zu bringen. Warum?

Keich: Etwas vereinfacht und knapp formuliert: Weil es die Zukunft ist. Das Thema Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Auch die Schüler sind sich dessen bewusst. Dieses Bewusstsein soll verstärkt werden und wir machen Mut, Lösungen auch praktisch (und ggf. unternehmerisch) umzusetzen.

Und wie bringen Sie das Thema in die Schule?

Keich: Wir haben Angebote für Lehrkräfte und Schüler – ab der 5. Klasse, bundesweit. Beispielsweise vermitteln wir Schulbesuche in nachhaltige Unternehmen, loben jährlich den StartGreen@ School-Award für nachhaltige Schülerfirmen aus und bieten Gründercamps an.

Gibt es bestimmte Methoden, die Sie dabei z. B. bei den Gründercamps einsetzen?

Keich: Eine Methode, die wir sowohl selbst anwenden als auch in unseren Lehrerfortbildungen vermitteln, ist das Sustainable Business Canvas. Den haben wir speziell an das Schulumfeld angepasst. Mithilfe des Canvas können die Schüler die ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte ihres Geschäftsmodells erarbeiten und anschaulich darstellen.

Gibt es bestimmte Kompetenzen, die zukünftige Sustainable Entrepreneurs mitbringen sollten?

Keich: Kritisches Denken, Hinterfragen bestehender Strukturen und Prozesse, der Umgang mit und die Bewältigung von Zielkonflikten sind ebenso bedeutsam wie eine gesunde Portion Neugier. Nachhaltiges Wirtschaften erfordert auch eine ganzheitliche Sichtweise auf die vier Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie, Soziales, Kultur). Das hat die Studie von UnternehmensGrün ergeben, die im Rahmen des Projektes „Mach Grün! – Berufe entdecken und gestalten“ durchgeführt wurde. Zu den Schlüsselqualifikationen gehören neben diesen Soft Skills natürlich auch eine Reihe von klassischen Fähigkeiten und Kenntnissen in den jeweiligen Fachgebieten.

Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, um Social Entrepreneurship und nachhaltige Themen an junge Menschen zu vermitteln?

Keich: Generell geht es um das Verständnis davon, dass sich eine gute und zukunftsfähige Wirtschaft gemeinwohlorientiert ausrichtet. Bei der Vermittlung an junge Menschen sind zwei Dinge wichtig für den Erfolg: Die Lehrenden, die motivieren die Schüler, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit innerhalb, aber auch außerhalb des Unterrichts auseinanderzusetzen – und der Austausch mit der Praxis. Ich erinnere mich an eine Berliner Schule, die eine Veranstaltungsreihe mit Gründern organisiert hat. Das war super, denn es ermöglichte praxisnahes Lernen und direktes Nachfragen bei echten Entrepreneuren!

Vielen Dank für das Gespräch!

Von der Theorie in die Praxis

Es ist wichtig, schon in der Schule junge Menschen für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu sensibilisieren und zu motivieren, aktiv die Zukunft zu gestalten. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten und Angebote, mittels deren Schüler nicht nur Social Entrepreneurship kennenlernen, sondern auch ihr eigenes (KonsumVerhalten reflektieren und viele weitere Kompetenzen schulen können.

Ein Blick in die Praxis ist dabei nicht nur für Schüler ein guter Weg, um Zusammenhänge besser zu verstehen und realitätsnah zu lernen. In diesem Sinne schließt dieses Kapitel mit einem Einblick in die Schülergenossenschaft „Macadamiafans Göttingen eSG“ ab. Die 15-jährige Emilia Wienekamp ist seit einem Jahr Geschäftsführerin der Schülergenossenschaft und hat uns im Gespräch erklärt, was die Genossenschaft macht, wie sie organisiert ist und warum ihr die Arbeit Spaß bereitet.

Frau Wienekamp, können Sie uns zunächst erzählen, was die Macadamiafans machen?

Wienekamp: Wir sind eine Schülergenossenschaft, die fair gehandelte und biozertifizierte Macadamianüsse in der Schule, bei Schulveranstaltungen und über unseren Onlineshop vertreibt. Außerdem sind die Nüsse bei unseren Partnern Contigo und dem Weltladen sowie bei weiteren Geschäften in Göttingen erhältlich.

Können Sie uns erläutern, was die Schülergenossenschaft zu einem sozialen Unternehmen macht?

Wienekamp: Wir haben eine innovative Wertschöpfungskette, die es uns erlaubt, den kenianischen Bauern einen angemessenen Lohn zu zahlen. Mit diesen stehen wir auch in direktem Kontakt, vor Kurzem waren sogar zwei Mitarbeiter aus Kenia zu Gast bei uns. Mit dem Gewinn der Macadamiafans fördern wir außerdem die „Welt:Klasse Göttingen“, die Schülerteams Lernerfahrungen in China ermöglicht.

Wie genau kann man sich die Genossenschaftsorganisation bzw. den -alltag vorstellen?

Wienekamp: Da die Schülergenossenschaft im Wahlpflichtunterricht angebunden ist, treffen wir uns jeweils am Freitagmorgen und bearbeiten, was anliegt. Es gibt verschiedene Abteilungen wie der Wareneingang, die Wettbewerbsabteilung, Kundenakquise. Außerdem treffen wir uns natürlich außerhalb dieser Zeit zum Verkauf der Nüsse bei Veranstaltungen, wenn Termine mit Kooperationspartnern oder die jährliche Einarbeitung der neuen Mitarbeiter anstehen.

Und was sind Ihre Aufgaben als Geschäftsleitung?

Wienekamp: Ich bin für den Geschäftsbericht verantwortlich, organisiere den Firmenalltag und pflege unser Netzwerk. Wir sind mit anderen Schülerfirmen vernetzt und tauschen uns regelmäßig aus. Zudem treffe ich mich mit unseren Kooperationspartnern und kümmere mich um Wettbewerbe; vor Kurzem habe ich zum Beispiel unsere Genossenschaft beim StartGreen@ School-Award vorgestellt.

Was gefällt Ihnen an der Schülergenossenschaft?

Wienekamp: Es macht einfach Spaß. Ich habe viele neue Leute kennengelernt, mit denen ich unheimlich viele Erfahrungen sammeln konnte. Ich habe nun eine Vorstellung davon, wie ein Unternehmen funktioniert und was mich später erwartet. Außerdem verstehe ich jetzt wesentlich besser, was Nachhaltigkeit bedeutet und versuche auch mein Verhalten dahingehend zu verbessern.

Vielen Dank für das Gespräch und den spannenden Einblick!

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Hg.) (2016):
Soziales Unternehmertum. GründerZeiten Nr. 27. Berlin.

Bosma, Niels; Schøtt, Thomas; Terjesen, Siri; Kew, Penny (2016):
Global Entrepreneurship Monitor 2015 to 2016: Special Report on Social Entrepreneurship. Global Entrepreneurship Research Association. www.gemconsortium.org.

Jähnke, Petra; Christmann, Gabriela B.; Balgar, Karsten (2011):
Zur Einführung: Social Entrepreneurship und Raumentwicklung; in: Social Entrepreneurship. Perspektiven für die Raumentwicklung. Jähnke, Petra; Christmann, Gabriela B.; Balgar, Karsten (Hg.). Wiesbaden: Springer. S. 7–22.

Sander, Dirk; Jahnke, Thorsten; Binder, Clemens (2018):
Geschäftsmodelle von Sozialunternehmen; in: CSR und Geschäftsmodelle. Auf dem Weg zum zeitgemäßen Wirtschaften. Bungard, Patrick (Hg.). Springer. S. 167–182.

Spiess-Knafl, Wolfgang; Schües, Rieke; Richter, Saskia; Scheuerle, Thomas; Schmitz, Björn (2013):
Eine Vermessung der Landschaft deutscher Sozialunternehmen; in: Jansen, Stephan A.; Heinze, Rolf G.; Beckmann, Markus (Hg.): Sozialunternehmen in Deutschland. Analysen, Trends und Handlungsempfehlungen. Wiesbaden: Springer. 21–34.

Schwarz, Sabine (2014):
Social Entrepreneurship Projekte. Unternehmerische Konzepte als innovativer Beitrag zur Gestaltung einer sozialen Gesellschaft. Wiesbaden: Springer.