Beitrag 2 Lösungsansätze gegen verstärkten Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze
→ Joachim Scheer und Herber Hüsgen
Auch in der Branche des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus sind nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzt worden. Nicht nur die fehlende Eignung der Jugendlichen, sondern auch sinkende Schülerzahlen und der Drang zum Studium vergrößern das Delta des Fachkräftemangels. Obgleich die Branche schon frühzeitig die demografische Entwicklung erkannt hat und seit einigen Jahren durch eine gezielte Nachwuchswerbekampagne gegensteuert, vergrößert sich gleichwohl die Problemlage.
Der Kampf um die guten Fachkräfte zwischen Unternehmen innerhalb der Branche wird härter. Viele Unternehmen müssen lange suchen, um die benötigten Fachkräfte zu finden, wenn sie diese denn überhaupt finden. Der Wettbewerb um die Auszubildenden von heute und morgen und um die qualifizierten Mitarbeiter wird intensiver.
Der Mangel auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Deutschland führt automatisch zu Überlegungen, auch in der binnenmarktabhängigen Branche des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus mit Menschen aus der Europäischen Union (EU) Arbeitsund Ausbildungsplätze zu besetzen und so dem Fachkräftemangel zu begegnen. Gleichzeitig sind aus den bekannten Folgen der Banken- und Wirtschaftskrisen insbesondere der Mittelmeeranrainerstaaten in der EU sehr angespannte Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituationen im jeweiligen Land entstanden, so dass die Möglichkeit der Anwerbung ausländischer Jugendlicher und Fachkräfte für die leerstehenden Ausbildungs- und Arbeitsplätze naheliegt. Erste Erfahrungen in unserer Branche werden nachfolgend dargestellt.
Nehmen wir doch einfach „spanische Fachkräfte“
Im Januar 2012 berichtete ein spanischer Vertreter der dortigen Branche der Landschaftsgärtner über die zunehmende Anspannung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation in seinem Land. Der deutsche Vertreter antwortete interessiert mit dem Hinweis, dass eine umgekehrte Anspannung in Deutschland bestünde und sich demografisch bedingt verstärke. Gemeinsam stellte man die Überlegung an, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Entsprechend entstand ein ungeplantes und wenig vorstrukturiertes Projekt, das im Rahmen der europäischen Verbandsarbeit auf Zuruf vereinbart und konkret über die europäische Vereinigung der Landschaftsgärtner abgewickelt wurde. Der deutsche Vertreter plante, seine Mitgliedsbetriebe in Deutschland zu fragen, ob Interesse an der Vermittlung von etwa 50 spanischen Fachkräften bestehe. Ein europäisches Projekt zur Vermittlung arbeitsloser spanischer Landschaftsgärtner in fachkräftesuchende deutsche Landschaftsgärtnerbetriebe war geboren.
Der europäische Dachverband European Landscape Constractors Association (ELCA) wurde 1963 gegründet, um die Zusammenarbeit und den Informationsund Erfahrungsaustausch in Europa branchenspezifisch zu fördern. Das über Berichte und auf Zuruf entstandene Projekt passte auch originär in die bei der ELCA definierte Aufgabe, die Förderung der Nachwuchsausbildung und gegenseitigen Austausch von jungen, qualifizierten Landschaftsgärtnern zu fördern.
Ablauf des Projekts
Dem deutschen Mitgliedsverband der ELCA, Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) wurde ein Pool von 50 arbeitssuchenden Spaniern vom spanischen Mitgliedsverband der ELCA in Aussicht gestellt. Wir haben unsere Mitgliedsverbände und deren Mitglieder darüber informiert, dass entsprechende Lebensläufe 50 arbeitsloser Spanier über uns vermittelt werden könnten und wir demnächst entsprechende Unterlagen digital zur Verfügung stellen. Uns wurden 50 Lebensläufe zugesandt, ohne dass wir uns Gedanken darüber gemacht haben, wie die konkrete weitere Kommunikation und die Kontaktvermittlung zu unseren deutschen Mitgliedsunternehmen gestaltet werden sollte. Für den spanischen Verband war mit der Übersendung der Lebensläufe sein Teil zunächst abgeschlossen: Alles weitere lag bei einem Mitarbeiter des deutschen Verbandes.
Die übersandten Lebensläufe waren zu unserer Überraschung allein in Spanisch verfasst und ganz offensichtlich ursprünglich nicht auf die Bewerbung auf den deutschen Arbeitsmarkt vorgesehen. Die Übersetzungen ergaben, dass die Qualifikationen der Bewerber sehr unterschiedlich und im Hinblick auf die Fachkräfteeignung äußerst schwer zu bewerten waren. Hinzu kam, dass die Unternehmen ebenfalls sehr differenzierte Fachkräfteanforderungen an neue Mitarbeiter besaßen und insoweit neue Problemlagen offensichtlich wurden.
Andererseits war das Interesse auf Seiten unserer Mitgliedsbetriebe durchaus sehr groß, da man mit Spanisch sprechenden Mitarbeitern von der iberischen Halbinsel durchaus gute Erfahrungen gemacht hat und daher ihnen mit einer positiven Grundstimmung begegnet. Also hat man schlichtweg die übersetzten Lebensläufe an die interessierten Unternehmen weitergegeben. Von den 50 Bewerbern konnten tatsächlich auch drei in unsere Mitgliedsbetriebe vermittelt werden.
Anonyme Vermittlung – konkrete Begegnung
Die Herstellung des Kontaktes eines unbekannten Menschen aus Spanien, der eine Datei mit seinem Lebenslauf über den BGL zu einem Garten- und Landschaftsbau-Betrieb in Deutschland vermitteln ließ, ist geglückt. Auf eigene Kosten reisten die Personen nach Deutschland und wurden von einem Beauftragten des Betriebes – meist in Begleitung eines Spanisch sprechenden Mitarbeiters – empfangen. Eine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit wurde unter einfachsten Mitteln ausprobiert, und drei Menschen haben ihre Heimat verlassen, um in einem fremden Land dem Beruf des Landschaftsgärtners weiter nachgehen zu können. Diese vermeintlich erfolgreiche Vermittlungstätigkeit war jedoch durch eine gehörige Portion Naivität begleitet. Es lagen aufgrund der geschilderten Umstände kein strukturiertes Vorgehen und keine klar definierten Aufgabenstellungen der jeweiligen Partner, betroffenen Personen und Betriebe vor. Interessierte spanische Arbeitskräfte wurden mit interessierten deutschen Arbeitgebern auf einfachem Weg über das Internet zueinander geführt. Mit der damit verbundenen Hoffnung, beiden etwas Gutes zu tun und gleichzeitig branchenspezifische berufliche Mobilität in der europäischen Union zwischen Spanien und Deutschland herzustellen. Mit dreien von 50 interessierten Personen ist es auch gelungen, wobei die Quote von sechs Prozent im Hinblick auf die vielleicht auch naive Erwartungshaltung als enttäuschend bewertet wurde.
Lehren aus dem Projekt
Vermittlungsbemühungen für berufliche Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften in Europa bedürfen eines strukturierten Vorgehens mit klar definierten Aufgaben der Partner im Anwerbeland auf der einen Seite und in Deutschland auf der anderen Seite. Ein Partner vor Ort sollte eine Vorauswahl potenzieller Bewerber treffen und die branchenspezifischen Besonderheiten vorsortieren. Gleichzeitig ist der Partner vor Ort Ansprechpartner für alle Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Ausbildung oder Arbeit in Deutschland unter den branchenspezifischen Besonderheiten ergeben. Aber auch in Deutschland sollte es einen „Kümmerer“ geben, der bei allen Fragestellungen hilfreich ist, wie beispielsweise Fragen rund um das Wochenende und Freizeit, lokale Anbindung, Sozialversicherung usw.
Qualifikationen
Beim Bewerber müssen die vorhandenen Qualifikationen tatsächlich und wahrheitsgemäß genauso vorstrukturiert werden wie die Interessenlagen. Gleiches gilt natürlich für die Arbeitgeberinteressen. Dazu bedarf es natürlich einer vergleichbaren Qualifikationsstruktur in der Branche zwischen deutschen und spanischen (Landschafts-)Gärtnern.
Bewerbungsunterlagen sollten möglichst mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt erstellt werden und wenn nicht in Deutsch, dann doch zumindest in Englisch abgefasst sein.
Fehlende Sprachkenntnisse
Fehlende Sprachkenntnisse sind natürlich das größte Hindernis und stellen eines der Probleme dar. In den konkreten Fällen hat man sich mit Spanisch sprechenden Mitarbeitern beholfen oder ist mit Englischkenntnissen weitergekommen. Tatsächlich dürfte aber eine Erwartungshaltung in den Unternehmen vorliegen, das dem Niveau B1 des europäischen Referenzrahmens entspricht. Dieses Niveau sollte im Hinblick auf eine endgültige Vertragsbindung erreicht werden.
Tarifverträge und Entlohnung
Grundsätzlich sind die Tarifverträge des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus vor allem in der Entlohnungssystematik nach Qualifikationsstruktur auf der einen Seite und der Struktur der tatsächlichen Tätigkeit auf der anderen Seite systematisch aufgebaut. Die Tarifpartner haben insbesondere die Durchlässigkeit der Qualifikationsstruktur auch für Arbeitnehmer, die gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten haben und entsprechende Tätigkeiten ausüben, durch entsprechende Kumulierungen in den Entgeltsystemen hergestellt. Ein Vergleich mit den tarifvertraglichen Rahmen- und Entlohnungssystemen in Spanien besteht nicht.
Resümee
Auf Zuruf zweier branchenspezifischer Verbandsvertreter im europäischen Landschaftsgärtnerverband konnten drei spanische Arbeitslose in deutsche Garten- und Landschaftsbau-Betriebe vermittelt werden. Noch fast ein Jahr ist ins Land gegangen von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag. Die Aktivitäten haben gezeigt, dass auf der einen Seite ein Potenzial besteht, arbeitslose oder ausbildungswillige Jugendliche in deutsche Betriebe zu vermitteln, dass aber auch auf beiden Seiten Ansprechpartner, die sich kümmern, zur Verfügung stehen müssen. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und möchte nun zwei Förderprogramme initiieren, da auch in vielen anderen Branchen vergleichbare Erfahrungen in Bezug auf diesen Themenkomplex gemacht wurden. Nämlich: die passgenaue Vermittlung von Auszubildenden an ausbildungswillige Unternehmen und die Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen, jugendlichen Fachkräften aus Europa.
- © FabrikaCr / iStock.com – Header_Website_1460_360_magazin.jpg