Beitrag 3 Bienvenido – Willkommen in Niedersachsen

→ Peter Grünheid

Ausgangslage Sommer 2011 – der Ruf nach Fachkräften wird in Deutschland immer größer. Und in Spanien steigt die Arbeitslosigkeit dramatisch an. Selbst Angela Merkel erklärt in Madrid, in Deutschland werden Fachkräfte gebraucht, „Kommt nach Deutschland!“ – doch nichts ist seither passiert. Offenbar fehlen Strukturen, doch welche?

Das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft (BNW), genauer Mitarbeiter der Abteilung Forschung und Entwicklung in Oldenburg, wollen der Sache auf den Grund gehen. In einem internen Projekt, also ohne öffentlichem Auftrag oder Förderung, beginnen sie mit der Recherche. Ziel ist es, herauszufinden, ob tatsächlich niedersächsische Unternehmen bereit sind, spanische Fachkräfte einzustellen, und ob spanische Fachkräfte das überhaupt wollen. Und wenn die Antwort beides Mal „ja“ lautet, was müssen wir tun, um die Bedingungen dafür zu schaffen?

Da es aus anderen Projektzusammenhängen Kontakte nach Spanien gibt, beginnt die Recherche in Andalusien. Südspanien gilt als besonders betroffen von der Krise. Die Erwerbslosenrate in Andalusien ist gerade unter den 18- bis 35-Jährigen am höchsten. Sie soll weit über 50 Prozent betragen.

Bildungsträger in Sevilla und Huelva, die wir zu Beginn kontaktierten, bestätigen die absolute Bereitschaft spanischer Fachkräfte nach Deutschland zu kommen, viele lernten schon Deutsch. Selbst Vertreter der Gewerkschaft kneifen die Lippen zusammen und bestätigen: „Es ist traurig, dass unser Land unseren Leuten nicht helfen kann, aber es sieht so aus, als sei es für viele die einzige Chance, ins Ausland zu gehen.“

Über persönliche Kontakte führen wir viele Gespräche mit Vertretern von Institutionen. Zu Beginn völlig ohne Vermittlung durch offizielle deutsche Stellen. Dabei ist immer ein professioneller Dolmetscher.

Bei Gesprächen mit Arbeitslosen, denen wir unsere Projektidee vorstellen, bestätigt sich der Eindruck. Manche kommen bildlich gesprochen mit gepackten Koffern zu Gesprächen, und viele sind schon enttäuscht über die Schwierigkeit, Kontakte in Deutschland zu finden.

Auch in Niedersachsen sind wir unterwegs und sprechen zahlreiche Institutionen und Verbände an. In Informationsveranstaltungen stellen wir auch Unternehmen unsere Idee vor. Das Interesse ist zwar groß, doch auch die Erwartungen der Unternehmen. Die perfekte Fachkraft mit guten Deutschkenntnissen und beruflicher Anerkennung soll am besten am nächsten Tag schon im Betrieb sein. Für die damit verbundenen Kosten erwarte man natürlich eine Förderung. So kommt es nicht zu einem direkten Auftrag. Die Haltung bleibt interessiert, aber abwartend. Der Druck, Fachkräfte zu finden, ist vermutlich noch nicht groß genug. Jeder scheint darauf zu warten, dass ein anderer den ersten Schritt wagt. Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir die Sache selbst anpacken.

Inzwischen ist auch die spanische Botschaft in Berlin über unser Vorhaben informiert und unterstützt uns mit Kontakten. Als wir von einer Gruppe Kraftfahrer hören, die bereits sprachlich vorqualifiziert in Motril auf Angebote aus Deutschland wartet, sehen wir eine gute Chance, passende Unternehmen zu finden. Schließlich sei der Bedarf an Kraftfahrern groß. Doch die Antwort der Logistikunternehmen, die wir ansprechen, ist ebenso lapidar wie ernüchternd: kein Interesse. Durch verstärkte Ausbildung hätte man den Bedarf ausgleichen können – und von Fachkräften aus dem Ausland hielte man nichts, dazu sei in dem Gewerbe Sprache und Zuverlässigkeit zu wichtig.

Das Programm
Wir entwickeln ein Modell für einen idealen Vermittlungsprozess. Er sieht von Beginn an eine intensive Phase der „Integration“ vor. Im Sinne eines one stop shops sollen alle nötigen Schritte definiert und angeboten werden: Alle Übersetzungsleistungen, die passgenaue Auswahl der gesuchten Fachkraft, die sprachliche und kulturelle Vorbereitung der Bewerberinnen und Bewerber bereits in Spanien, die sprachliche Vorbereitung bereits in Spanien, die Wohnungssuche in Deutschland, Begleitung und Unterstützung der Zugewanderten in der ersten Zeit zum Beispiel bei Behördengängen, die Durchführung von Deutschkursen, die Begleitung von Praktika und von Anerkennungsverfahren und auch ein Angebot von Freizeitaktivitäten oder eine Vermittlung zu Vereinen gehören dazu.

Das ist ein großer personeller und logistischer Aufwand und damit ein finanzielles Risiko, das die Betriebe tragen müssen. Und sie haben – wie bei einem Mitarbeiter aus Deutschland auch – keine Garantie, dass er in einem Jahr noch im Unternehmen ist.

Im Oldenburger Münsterland finden wir dann Betriebe, die mehr als Interesse zeigen. Hier ist der Fachkräftemangel schon deutlich spürbar. Bei einer Arbeitslosenquote von unter sechs Prozent ist besonders bei Elektrikern und Elektroingenieuren der Bedarf groß. Es gelingt uns, vier Betriebe – darunter zwei Elektrobetriebe – für ein Modellprojekt zu gewinnen. Das Modellvorhaben kann stattfinden, da die beteiligten Unternehmen alle nur einen relativ geringen Anteil bezahlen, der in keiner Weise die entstandenen Kosten deckt.

Auch in Spanien ist die Suche nach Partnerorganisationen nicht einfach. Bildungsträger wittern möglicherweise ein Geschäft und versprechen viel – ob sie das halten können, ist fraglich. Arbeitsagenturen scheinen eher unflexibel und haben Bedenken. Niemand möchte junge Spanier ins Ungewisse schicken. Vorher muss alles ganz genau geklärt werden. Denn mittlerweile sind auch „Anwerbetrupps“ aus mehreren Ländern in Spanien unterwegs, die Arbeitslose mit „garantierten Jobangeboten“ locken, einige Hundert Euro kassieren und dann verschwinden. Erst im südspanischen Murcia stoßen wir auf eine Ausbildungseinrichtung des Metallverbandes, die von sich aus den Kontakt sucht und schnell und pragmatisch eine Kooperation angehen möchte.

Um den Prozess zu vereinfachen und zu konkretisieren, beschließen wir, Arbeitgeber und ausgewählte Arbeitssuchende vor Ort zusammenzubringen. Im Rahmen einer Unternehmerreise sollen Unternehmer und Verbandsvertreter auf vorher ausgewählte spanische Erwerbslose treffen. Die einwöchige Reise wird aufwendig organisiert. Wir planen Treffen an drei verschiedenen Orten: Sevilla, Huelva und Murcia. Überall brauchen wir Ansprechpartner, Räume müssen organisiert, Hotels gebucht werden. Jedes Unternehmen soll qualifiziert Gespräche mit Bewerbern führen können, also brauchen wir eine entsprechende Zahl an Dolmetschern. Dass wir mit Englisch nicht weit kommen, wissen wir mittlerweile, und wir wollen ja eine gute Dienstleistung anbieten. Auch soll die Reise in einem Film dokumentiert werden.

Es ist auch ein Test, ob unsere spanischen Partner uns die Profile liefern, die angefragt wurden. Denn das Matching stellt ein großes Problem dar. Wir müssen uns auf die Partner verlassen können, dass sie uns Bewerber mit den Qualifikationen und der Berufserfahrung vorstellen, die von den Betrieben erwartet werden. Berufsabschlüsse lassen sich aber nicht einfach vergleichen. Auch im BQ-Portal sind bis dahin nur wenige Ausbildungsprofile hinterlegt.

Im Juni 2012 reisen wir mit Unternehmensvertretern und Vertretern von Verbänden nach Andalusien und Murcia. Unsere drei spanischen Partner leisten gute Arbeit. Zu jedem Treffen erscheinen viele Bewerberinnen und Bewerber, alles wirkt sehr gut organisiert. Allerdings wundern wir uns auch über Bewerber mit völlig unpassenden Profilen. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass der Bildungsträger einfach alle eingeladen hat, die besonders interessiert erschienen, Anforderungsprofile spielten keine Rolle. Die eingeladenen Kraftfahrer, Architekten oder Bauingenieure waren enttäuscht, als sie erfuhren, dass es nur um Pflege- und Elektrofachkräfte ging. Bei einem anderen Partner wundern wir uns über viele Automechaniker, die zu Bewerbungsgesprächen erscheinen. Niemand kann sich das erklären. Während des Recruiting-Meetings mit etwa 200 Teilnehmenden, die auf einen Arbeitsplatz in Deutschland hoffen, finden wir heraus, dass auch hier wieder der Fehler in der Kommunikation lag: Bei der Übersetzung der Anforderungsprofile durch den spanischen Partner ist aus „Automatisierungstechniker“ ein „Automechaniker“ geworden. Für uns ist klar, dass wir in Zukunft Übersetzungen selbst anfertigen müssen.

Doch die Resonanz ist gut. Die Betriebe sind zufrieden mit den Gesprächen. Sie identifizieren passende Bewerber und wollen sofort loslegen. Allerdings versprechen sie ebenfalls mehr, als sie halten können.

Denn bis zu einem Vertragsabschluss ist es noch ein langer Weg. Die Qualifikation der Bewerber entspricht zwar den Vorstellungen der Betriebe, aber wie eine konkrete Integration in den Betrieb aussehen kann und welche Schritte dazu nötig sind, ist den meisten nicht klar. „Welchen Sprachstand sollen die Bewerber haben? Was heißt B1? Wie lange dauert das? Sind die Berufsabschlüsse auch anerkannt? Wie funktioniert ein Anerkennungsverfahren? Wer bezahlt das?“ sind nur einige der Fragen, auf die wir jetzt eine Antwort finden müssen.

Aus über 200 Fachkräften werden schließlich 20 ausgewählt, die einen Sprachkurs in Spanien beginnen sollen. Zehn davon fangen Ende Juli tatsächlich auch an.

Auf dem Weg nach Deutschland
Der erste Schritt ist ein vierwöchiger Sprachkurs in Spanien. Der Sprachkurs wird von uns in Kooperation mit unserem spanischen Partner organisiert.

Gleichzeitig erhalten die Teilnehmer eine „interkulturelle Vorbereitung“, und wir führen intensive Einzelgespräche. Jeder muss wissen, was ihn in Deutschland erwartet. Auch hier müssen zahlreiche Fragen beantwortet werden: „Was ist mit meiner Frau? Ich habe gehört, es gibt Kindergeld, wie geht das? Lerne ich auch, wie ich auf Schnee fahren muss? Was muss ich bezahlen? Was ist, wenn ich nicht übernommen werde? Was werde ich verdienen?“

Die vier Wochen im August sind eine intensive Zeit im sommerlich trägen Murcia. Dann, zehn Monate nach unseren ersten Terminen in Spanien, kommen die Fachkräfte nach Deutschland.

Anfang September beginnt das Praktikum im deutschen Betrieb. Über andere Kanäle können wir noch zwei spanische Ingenieure vermitteln, die zur Gruppe stoßen. Sie sprechen immerhin etwas Englisch, was es für das Praktikum etwas einfacher macht. Bislang haben alle noch keinen sicheren Arbeitsvertrag, und das Praktikum soll klären, ob sich Bewerber und Betrieb unter den Bedingungen geringer Sprachkenntnisse auf einen Vertrag einlassen wollen. Wir kümmern uns um möblierte Wohnungen, zweisprachiges pädagogisches Personal und versuchen, so viel wie möglich zu lernen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Alle Bewerber erhalten vom Betrieb ein Vertragsangebot und entscheiden sich, in Deutschland zu bleiben. Die Sprachkenntnisse sind immer noch ein großes Problem, aber alle sind zuversichtlich. Eine Gruppe hatte ja nur vier Wochen Deutschunterricht. Nach dem Praktikum werden über das Programm „Berufsbezogene Deutschförderung“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge berufsbegleitend weitere Deutschkurse angeboten. Ziel ist ein Sprachstand von B1.

Sprachkurs
Für den Sprachkurs entwickelt das BNW zwei Modelle. Zum einen ein Teilzeitmodell – vier Tage im Betrieb, zwei Tage Sprachkurs für drei Betriebe – und zum anderen ein Vollzeitmodell mit kompletter Freistellung für den vierten Betrieb .

Nach den anfänglichen Schwierigkeiten entwickeln die Teilnehmer eine hohe Lernmotivation und absolvieren Lernabschnitte in schnellem Tempo. Jeder Tag Deutschunterricht bedeutet einen Schritt näher an den deutschen Arbeitsmarkt.

Dem zeitlichen Ablauf des Kurses geschuldet, wird über die Weihnachtszeit eine längere Pause von fast vier Wochen gemacht, damit die Teilnehmer zurück nach Spanien reisen können. Bei der Rückkehr stellen wir fest, dass die Sprachkenntnisse erheblich unter der Pause gelitten haben und bis zum Bestehen der B1-Prüfung viel nachgearbeitet werden muss. Das wird aufmerksam von den Betrieben beobachtet und kritisiert. Natürlich geht ihnen das Erlernen der Sprache viel zu langsam. Um die Zielvorgabe der Unternehmen – Einsatz im Kundendienst muss möglich sein – schnell zum Erfolg zu führen, gibt es jetzt eine Konzentration auf die gesprochene Sprache.

Die Deutschlehrerin muss den Teilnehmern immer wieder den Rücken freihalten, damit die Lernmotivation nicht sinkt, denn die Schulsituation ist für die Männer zwischen 22 und 47 Jahren trotz allem nicht leicht. Dazu kommt die prekäre Wohnsituation. Die möblierte Ferienwohnung ist relativ teuer, bei dem geringeren Entgelt während des Sprachkurses bleibt nicht viel über und die Kursteilnehmer beginnen auf eigene Faust mit der Suche nach einer günstigeren Wohnung. Jede Woche wird die Situation dringender, und obwohl im Vorfeld klar war, dass eine geklärte Wohnsituation die Voraussetzung für störungsfreies Lernen ist, gelingt es uns nicht, die Probleme schnell zu lösen. Jede freie Minute – und bald auch mehr – wird zur Wohnungssuche genutzt, das Gelingen der Suche an den Aufenthalt generell geknüpft.

Auch die Vermittlung zu Vereinen und anderen Kontakten gelingt nur schleppend. Fünf der Teilnehmer leben zusammen in einem Ferienhaus, das noch dazu etwas außerhalb der Stadt liegt. Sie scheinen regelrecht isoliert und verbringen die Zeit fast nur mit Deutschunterricht. Nicht einmal die Internetsticks, die schnell besorgt werden, funktionieren dort. Einem Anschluss an das hauseigene WLAN stimmen die Vermieter nach langem Verhandeln nicht zu. Der Kontakt zur „Außenwelt“ erfolgt fast nur über den Deutschkurs. Eine belastende Situation für die Teilnehmer wie für die Deutschlehrerin, die das alles auffangen muss. Als die erste Einladung von außen kommt, wird es geradezu wie eine Erlösung empfunden. Ein Befund, der Willkommenskultur in einem anderen Licht erscheinen lässt. 

Erst im zweiten Kursabschnitt kommt es vermehrt zu privaten Einladungen von Mitarbeitern. Das ist sofort auf jeder Ebene zu spüren, vor allem die Sprache macht einen Sprung.

Nicht zuletzt ist es unter den finanziellen Bedingungen – geringes Entgelt für die Zeit des Sprachkurses – unmöglich, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Gelegentlich organisierte Ausflüge konnten daran nur wenig ändern. Auch wenn die Arbeitgeber zum Teil unterstützen, indem sie für die Anfangszeit ein Auto zur Verfügung stellen.

Erfolgsfaktor „Kümmerer“
In den ersten Tagen des Sprachkurses wird deutlich, dass der Zeitaufwand für die „pädagogische Betreuung“ zu gering eingeschätzt worden war. Die pädagogische Mitarbeiterin wird – als einzige Ansprechpartnerin der Sprachkursteilnehmer in Deutschland – zu allen Fragen der Organisation des Alltags wie zum Beispiel bei Problemen mit den Vermietern etc. hinzugezogen und hat bald viele Überstunden angesammelt.

Neben der Krise bei der Wohnungssuche – etwa bei Absagen bereits sicher geglaubter Wohnungen – kommt es auch zu Krisen, wenn ein vom Unternehmen versprochenes Praktikum nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Die homogene Zusammensetzung der Gruppe, die zudem den ganzen Tag miteinander verbringt, führt zu Krisen, die nicht nur einzelne Personen, sondern die ganze Gruppe betreffen.

Generell hatten wir zudem unterschätzt, dass vier Teilnehmer nicht nur relativ jung und bislang noch nie im Ausland waren, sondern auch noch keine eigene Wohnung gehabt hatten.

Kritisch sehen wir mittlerweile auch die Funktion der pädagogischen Betreuung. Ein sozialpädagogischer Hintergrund geht vielleicht viel zu sehr vom klassischen Klienten des Bildungsträgers aus: Mangel an persönlicher und beruflicher Orientierung, problematische Verhältnisse im persönlichen Umfeld, ggf. sprachliche Defizite.

Tatsächlich handelt es sich aber bei zugewanderten Fachkräften um gut qualifizierte Menschen, die eine selbstständige Migrationsentscheidung getroffen haben und eine hochwertige Dienstleistung erwarten und keine pädagogische Betreuung.

So kann in wirklich schwierigen Momenten weniger die pädagogische Kraft helfen, als eine Bekannte spanischer Herkunft, die mit viel Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis die Situation entschärft.

So zum Beispiel in dem Fall, als ein Teilnehmer keine Arbeitserlaubnis erhält, da er marokkanischer Staatsbürger ist. Die telefonische Anfrage bei der Ausländerbehörde hatte zwar ergeben, dass das in einem Mangelberuf kein Problem sei, dennoch wurde es eines.

Glücklicherweise kann der Elektriker die spanische Staatsbürgerschaft in einem Schnellverfahren erhalten und weiterbeschäftigt werden. Dennoch eine Nervenprobe für alle Beteiligten.

Reprise
Ein Jahr nach der Ankunft der ersten zwölf Elektrofachkräfte und Ingenieure können wir Bilanz ziehen. Von den zwölf Personen sind noch acht in Deutschland. Zwei junge Männer sind in der niedersächsischen Provinz nie richtig angekommen. Heimweh und wahrscheinlich eine geringe Bereitschaft, sich den Bedingungen im Betrieb anzupassen, ließen sie Anfang des Jahres nach Spanien zurückkehren. Ob sie dort Arbeit gefunden haben, wissen wir nicht. 

Ein weiterer Elektriker hatte sich, obwohl er einen unbefristeten Vertrag erhalten hätte, entschlossen zu studieren, und ein vierter hatte ein Arbeitsangebot in Spanien, beide kehrten ebenfalls im Frühjahr zurück.

Die Arbeitskultur scheint etwas anders zu sein, welche Tätigkeiten ausgeübt werden und welche nicht. Möglicherweise ist die Unternehmenskultur in Spanien hierarchischer organisiert als in Deutschland, das Verhältnis zu Vorgesetzten deshalb nicht so intensiv wie hier. Eine Aussage, die wir auch hörten, war: „In Spanien arbeiten wir genauso lange oder länger, aber in Deutschland ist es viel dichter.“ Und „Es ist nicht die Arbeit, die anstrengend ist in Deutschland, sondern das ganze Deutschlandpaket …“

Dabei wird noch ein weiteres Element klar: Die spanische Fachkraft kommt nicht als Bittsteller nach Deutschland. Auch das Gehaltsgefüge ist in Spanien nicht so niedrig, wie man es in Deutschland erwarten würde. Mit einer Rückkehr nach Spanien, auch wenn sie ökonomisch unsinnig erscheinen mag, ist immer zu rechnen.

Nach Abschluss des Modellprojekts wurde die Vermittlung von Fachkräften aus dem Ausland verstetigt. Zurzeit sind die Mitarbeiter der Abteilung Unternehmensdienstleistungen des Bildungswerks dabei, niedersachsenweit Fachkräfte für Unternehmen zu vermitteln. Nach wie vor gestaltet sich die Vermittlungsarbeit schwierig. Vor allem die Abstimmungsprozesse mit den Betrieben vor der eigentlichen Vermittlung – also die Abfrage der erwarteten Kompetenzen und Qualifikationen, die Gestaltung der weiteren Betreuung in Sprachkursen etc. – stellen sich als aufwendig und komplex dar.

Mittlerweile wurden zahlreiche weitere Fachkräfte nach Niedersachsen vermittelt.
Anfang August 2013 kamen knapp 20 Pflegekräfte nach Hannover, weiterhin wurden Ärzte, IT- und Hotelfachkräfte vermittelt, alle mit relativ großem Aufwand. Im Moment scheinen Betriebe sich mehr für Auszubildende zu interessieren. Doch mit der Vermittlung von Auszubildenden aus Spanien beschäftigt sich das BNW nicht.

Tatsächlich scheint sich die Welt mittlerweile verändert zu haben. Die Bereitschaft der Unternehmen ist, wenn sie anfragen, größer. Es gibt inzwischen genug Beispiele erfolgreicher Projekte, so dass auch Kosten kein Ausschlusskriterium mehr sind. Auch Vermittlungsagenturen, die angeben, schon mehrere Hundert Spanier vermittelt zu haben, treten vermehrt auf. Auch wenn wir inzwischen erheblich mehr wissen, ist das Verfahren immer noch komplex. Die erhoffte Unterstützung durch das Förderprogramm Mobipro-EU ist bislang ausgeblieben. Die Antragstellung ist zu kompliziert und zu wenig einschätzbar. Vielleicht bringt die fällige Novellierung des Programms gegen Ende des Jahres eine Erleichterung.

Für uns und für viele Akteure ist die anfängliche Euphorie, in der jeden Tag etwas Neues passiert, verflogen, das Abenteuer „Fachkräfte aus dem Ausland“ ist im Alltag angekommen.

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