Mitarbeiterorientierte Führungskultur
Mitarbeiterorientierte Führungskultur
Die Ausführungen zu Themenbereichen wie Leistung und Gesundheit, Integration leistungsgewandelter Beschäftigter und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten haben deutlich gemacht, dass Vorgesetzte differenziert auf die Belange der unterschiedlichen Beschäftigtengruppen eingehen müssen. Der Umgang mit alternden und "bunten" Belegschaften erfordert auch passende Formen der Ansprache von Mitarbeitenden mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und Motivation. Dies macht die Einbeziehung der Beschäftigten bei Entscheidungen besonders wichtig und erfordert Achtsamkeit für Unterschiede zwischen den Beschäftigtengruppen. Die folgenden Punkte benennen Anforderungen an eine mitarbeiterorientierte Führung im demografischen Wandel und markieren Felder, auf denen Vorgesetzte gegebenenfalls Unterstützungsangebote in Gestalt von Schulungen und Tools benötigen.
Dialogfähigkeit bei der Definition von Leistungsvorgaben:
Führungskräfte müssen die betrieblichen Leistungsziele in ihren Verantwortungsbereichen umsetzen. Handlungsspielräume bestehen für Vorgesetzte meist darin, mit den Beschäftigten zu vereinbaren, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen die Vorgaben auf die Bereiche und Teams "herunter gebrochen" werden. Und sie können den Teams Unterstützungsangebote zur Erfüllung der Ziele unterbreiten. Kommunikations- und Dialogfähigkeit der Vorgesetzten sind somit gefragt.
Zusammenhalt fördern:
Vorgesetzte müssen auf einen guten, leistungsförderlichen Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten hinwirken. Im demografischen Wandel kommt es speziell auf eine gute Kooperation zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen an, um Stärken der Gruppen gut zu kombinieren und Schwächen älterer wie jüngerer Beschäftigter auszugleichen. Hierbei ist eine faire Lastenverteilung zwischen den Beschäftigten von großer Bedeutung. Die Entlastung der Älteren von besonders anstrengenden Tätigkeiten sollte nicht einseitig zulasten der Jüngeren erfolgen. Eine dauerhafte Überforderung der Jüngeren ist zu vermeiden. Denn dies würde Konfliktstoff für die Gruppen und die Gefahr eines frühzeitigen gesundheitlichen Verschleißes der jüngeren Mitarbeitenden mit sich bringen (näheres zum Thema Leistungsfähigkeit und Gesundheit siehe oben).
Feedback und Wertschätzung:
Führungskräfte müssen ihr "Ohr" nahe an den Mitarbeitern haben und ihnen regelmäßig Feedback geben. Auf diese Weise erfahren sie Wertschätzung, was wiederum die sozialen Bindekräfte im Arbeitsbereich stärkt und die Motivation der Mitarbeitenden erhöht. Die Wahrnehmung dieser alltäglichen Aufgaben ist zeitaufwändig, leistet aber einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Leistungsfähigkeit.
Auf Bedürfnisse im Privatleben der Beschäftigten Rücksicht nehmen:
Viele Beschäftigte haben in ihrem privaten Umfeld Verpflichtungen der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen oder müssen ihre Arbeitszeiten mit (EhePartnern abstimmen. Für solche Belange der Work-Life-Balance sollten Vorgesetzte offen sein und gemeinsam mit den Mitarbeitenden nach Lösungen suchen, die betriebliche und private Erfordernisse vereinbar machen.
Gegen Defizitbilder des Alterns angehen:
Vorgesetzte müssen darauf hinwirken, dass die heute noch verbreiteten Defizitbilder des Alterns innerhalb der Arbeitsbereiche nicht mehr weitergetragen werden. Defizitbilder verstellen den Blick für das tatsächliche Leistungsvermögen der einzelnen Mitarbeitenden. Damit werden produktive Potenziale, wie zum Beispiel der Erfahrungsreichtum Älterer verschenkt. Überdies schaden sie der Motivation und der Zusammenarbeit zwischen den Generationen.
Auf die Interessen und Belange der Jüngeren achten:
Vorgesetzte brauchen eine Sensibilität für das Gefüge von Einfluss und Status in ihrem Wirkungsfeld. Nicht immer sind Ältere in einer schwachen und Jüngere in einer starken betrieblichen Position. Ältere Beschäftigte sind häufig aufgrund ihrer langjährigen Betriebserfahrung, ihrer Verwurzelung im Kollegenkreis und auch eines „guten Drahts“ zu ihren Vorgesetzten gegenüber Jüngeren im Vorteil. Dies birgt die Gefahr in sich, dass die jüngeren Beschäftigten wegen ihrer geringeren innerbetrieblichen Verankerung und Vernetzung bei der Aufgabenverteilung und in Bezug auf Wertschätzung benachteiligt werden. In solchen Fällen sollten Vorgesetzte gegensteuern.
Vorbildrolle von Vorgesetzten:
Die Art und Weise, wie Vorgesetzte Probleme angehen und mit ihren Mitarbeitenden umgehen, hat eine prägende Wirkung für den Arbeitsalltag und die Kooperationsbeziehungen innerhalb der Bereiche. Das Arbeitsverhalten der Beschäftigten, ihre Erwartungen und ihr Sicherheitsgefühl richten sich nicht zuletzt daran aus, was der Vorgesetzte vorlebt.
Empfehlung: Die Vorgesetzten bei der Neubestimmung ihres Führungsverhaltens unterstützen
Führungsstile müssen zu den betrieblichen Traditionen, den Anforderungen der Arbeit und zu den Belegschaften passen. Eine Blaupause für „die richtige“ Führung gibt es nicht. Es gibt je nach betrieblichen Bedingungen unterschiedliche Wege zur Ausgestaltung demografiefester Führung.
Generell gilt aber: Die Unternehmensführung muss Prioritäten und Zielsetzungen bei den Gestaltungsmaßnahmen deutlich machen. Damit eine demografiefeste Mitarbeiterführung in der alltäglichen Praxis wirksam wird, sind überdies Überzeugungsarbeit bei den Vorgesetzten und Unterstützungsangebote erforderlich. In diesem Zusammenhang können folgende Eckpunkte genannt werden.
Führungsverständnis klären:
Wertschätzung, die Berücksichtigung der Mitarbeiterbelange und Gesprächsbereitschaft sind stets notwendige Bestandteile einer demografiefesten Führung. Es gibt aber eine beträchtliche Bandbreite, wie dies realisiert werden kann. An einem Ende des Spektrums befindet sich eine Führung mit beträchtlichen fachlichen und organisatorischen Entscheidungsbefugnissen gegenüber den Beschäftigten. Dies schließt aber nicht aus, dass die Vorgesetzten die Belange der Mitarbeitenden beachten und deren Fachwissen und Erfahrungen wertschätzen und bei Entscheidungen berücksichtigen. Am anderen Ende des Spektrums stehen Führungsstile, die den Mitarbeitern weitreichende Entscheidungsbefugnisse einräumen und weitgehend auf Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Beschäftigten setzen. Diese Führungsprinzipien müssen von der Unternehmensführung klar definiert werden. Sie muss Verantwortlichkeiten auf Fach- und Führungsebene klären und Grundprinzipien der Führung benennen.
Einbindung der Vorgesetzten bei der Definition der Führungsprinzipien:
Die Vorgesetzten müssen mit ihren Problemsichten bei der Festlegung der Führungsprinzipen frühzeitig einbezogen werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie die Führungsprinzipien mit Überzeugungskraft im Alltag umsetzten. Workshops mit Führungskräften, die den Vorgesetzten Gelegenheit dazu geben, Führungsprobleme zu artikulieren und Verbesserungsbedarf zu benennen, liefern wichtige Hinweise auf Anpassungsbedarf bei der Führung.
Kompetenzentwicklung bei Führungskräften:
Führungskräfte kennen sich häufig bei fachlichen Belangen der Produktion sehr gut aus, sind aber wenig mit modernen Führungsstilen und Anforderungen einer demografiefesten Führung vertraut. In diesem Fall sind bedarfsgerechte Qualifizierungsmaßnahmen, gegebenenfalls verknüpft mit Tools, angebracht. Die Angebote sollten die betrieblicherseits gewünschten Führungsprinzipien sowie auch Themen der Führung im demografischen Wandel umfassen:
- Schulungsangebote zur Entwicklung einer wertschätzenden und mitarbeiterorientierten Führungskultur.
- Durchführung von Mitarbeiterfeedback- und Entwicklungsgesprächen, Berücksichtigung von Work-Life-Balance (siehe oben: Fallbeispiel KOB).
- Fachliche Schulungen zur Mitarbeiterorientierung im demografischen Wandel: Wissen zum Themenbereich Altern und Entwicklung der Leistungsfähigkeit, gesund führen, Kompetenzentwicklung (Näheres dazu siehe oben).
- Coaching der Führungskräfte: insbesondere bei weitreichenden Veränderungen, z. B. wenn im Unternehmen ein Organisationsentwicklungsprojekt durchgeführt wird.
Beispiel: DGW
Das folgende Beispiel stellt die wichtigsten Bausteine des Projekts zur Organisationsentwicklung beim Chemieunternehmen Deutsche Gasrußwerke dar. Es zeigt, dass auch KMU weitreichende strategische Maßnahmen zur Veränderung der Ablauforganisation und Führungsprinzipien durchführen.
Vor dem Hintergrund eines bereits sehr hohen Automatisierungsgrads in der Produktion sieht die Unternehmensführung die wirtschaftlichen Zukunftspotenziale weniger in einer weiteren Technisierung der Abläufe als vielmehr bei den qualifizierten und engagierten Beschäftigten. Um seine gute Wettbewerbsposition für die Zukunft zu sichern, hat das Unternehmen ein umfassendes Organisationsentwicklungsprojekt gestartet, das das herkömmliche hierarchische Führungsverständnis im Unternehmen überwindet und auf Eigenverantwortung und breite Beteiligung der Mitarbeitenden an den Entscheidungen im Unternehmen setzt. Die Vorgesetzten werden bei der Neubestimmung ihrer Führungsrolle begleitet und unterstützt.
Kernbestandteile des Organisationsentwicklungsprojekts:
- Einführung von Prozessteams: Das Unternehmen hat Prozessteams für die Produktionsplanung, Technik, Qualitätssicherung, Sicherheit etc. gebildet. Diese Teams sind Bereiche und Hierarchieebenen übergreifend zusammengesetzt. Sie steuern, koordinieren und optimieren die jeweiligen Prozesse. Die Mitarbeitenden in den Teams fällen gleichberechtigt Entscheidungen. Die Führungskräfte und Vorgesetzten arbeiten als normale Teammitglieder mit.
- Leitbild: Die zweite Säule des Organisationsentwicklungsprojekts bildete die Entwicklung eines Unternehmensleitbilds. Dabei gab es mehrere Diskussionsrunden und Feedbackschleifen, an denen alle Mitarbeiter beteiligt waren. Sie sollten sich mit ihren Bedürfnissen und Sichtweisen im Leitbild wiederfinden können. Die gemeinsam formulierten Werte beinhalten: Partizipation der Beschäftigten im Arbeitsalltag, Erkennbarkeit von Sinnbezügen bei der Arbeit, gute Informationspraxis sowie Wertschätzung und Vertrauen im Umgang miteinander, vollwertige Integration leistungsgewandelter Mitarbeitender.
Begleitung und Unterstützung der Vorgesetzten:
- Herstellung eines Konsenses über das neue Führungsverständnis in Diskussionsprozessen mit den Vorgesetzten. Zum Teil wurde dabei externe beraterische Unterstützung (Moderation) herangezogen.
- Die Neuorientierungen im Führungsverständnis von Vorgesetzten beinhalten: Übertragung von Verantwortung und Entscheidungen an Mitarbeitende bzw. Teams, Abkehr von weitreichenden Kontrollinteressen, Bereitschaft zur offenen und produktiven Austragung von Konflikten, Veränderungsbereitschaft.
- Die Vorgesetzten erhielten bei der Neubestimmung ihrer Rolle ein persönliches Coaching.
- Darüber hinaus wurden sie mit Schulungsangeboten z. B. zu modernen Führungsstilen und zum Gesundheitsmanagement unterstützt.
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