Kontakt- und Beziehungskompetenz

Diese Kompetenz ermöglicht …

  • echte Zusammenarbeit und Kooperation zu fördern.
  • zurückgehaltene und ungenutzte Potenziale von Menschen zu entwickeln und dem Unternehmen verfügbar zu machen.
  • die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeitenden zu steigern.
  • die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden sowie das Klima im Unternehmen zu verbessern.
  • die Führungsqualität zu optimieren.
  • alle Bereiche, Tools und Verfahren, die auf ein hohes Maß an Kooperation angewiesen sind, erfolgreicher zu machen.

Typische Erfahrung:

„Die Leute bringen sich nicht ein, sie machen nicht richtig mit, sie bleiben unter ihren Möglichkeiten.“ 

Neue Haltung:

Vom „Die Mitarbeitenden sind reine Arbeitskräfte.“ hin zum „Ich interessiere mich für Dich als Mensch und als Arbeitskraft.“

Was ist Kontakt- und Beziehungskompetenz und wofür ist sie hilfreich?

Die Qualität und die Bedeutung einer Beziehung sind nicht sofort sichtbar und daher vielleicht auch vernachlässigbar. Wenn es im Alltag jedoch darauf ankommt, zeigen sich deren Wirkung und Bedeutung: Sowohl für die Resultate und Ergebnisse als auch für das Wohlbefinden der Beteiligten. Was ist damit gemeint?

Im betrieblichen Kontext steht das Ergebnis im Vordergrund. Wir kooperieren, wir führen, wir werden geführt, wir sitzen in Meetings und Workshops, wir arbeiten in der Werkstatt oder bei Kundinnen und Kunden, um Resultate mit anderen Menschen zu erzeugen. Dabei geht es um Resultate, die wir allein nicht hervorbringen könnten. Damit dies koordiniert gelingen kann, werden Weisungen, Stellenbeschreibungen, Arbeitsverträge und andere Managementtools verwendet. Darüber wird festgelegt, wer was tun und was dabei herauskommen soll. Dies kann so weit gehen, dass minutenweise festgehalten wird, wie lange eine Tätigkeit zu dauern hat und was dabei erzielt werden muss. Plakativ können wir dabei an eine klassische Fabrik, eine McDonald’s-Filiale oder aber auch an Pflegekräfte und das medizinische Personal denken. Diese Beispiele eint, dass sie in der Praxis betriebswirtschaftlich gut „funktionieren“ können. Sie eint aber auch, dass sie die vorhandenen Potenziale der Beschäftigten nicht nutzen und dass sie unter bestimmten Rahmenbedingungen nicht mehr adäquat auf neue Anforderungen „antworten“ können.

Heute tragen die wachsende Komplexität des Geschäftes und die steigenden Marktdynamiken dazu bei, dass immer mehr Betriebe für ihr Überleben am Markt darauf angewiesen sind, dass Mitarbeitende selbst entscheiden, die Kundschaft zufriedenstellen, Produkte entwickeln, abteilungsübergreifend zusammenarbeiten, mitdenken, kreativ sind und Verantwortung übernehmen. Oder in anderen Worten: Wir sind zunehmend auf das „Beste der Menschen“ angewiesen. Nämlich auf deren Freiwilligkeit, Motivation, Kreativität und deren Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und eigenverantwortlich Lösungen zu finden. All dies lässt sich jedoch nicht allein durch klare Ansagen, Anweisungen, Prozessbeschreibungen, Prämien oder Motivationstechniken mobilisieren. Menschen bringen ihr „Bestes“ deutlich bereitwilliger ein, wenn sie untereinander echten Kontakt und lebendige Beziehungen erfahren.

Wir wissen heute, dass einer der wirkmächtigsten Erfolgsfaktoren für das Ergebnis von professionellen Beziehungen – wie beispielsweise die Arzt-Patienten- oder die Lehrer-Schüler-Beziehungen – die Beziehungsqualität der Beteiligten ist. Damit ist gemeint, dass die Beziehungsqualität zwischen Arzt und Patient (neben den eingesetzten Methoden und verabreichten Medikamenten) einen erheblichen Einfluss auf den Heilungsverlauf – also das Ergebnis – hat. Dies ist auf den ersten Blick vielleicht nicht einfach zu verstehen. Viele Studien bestätigen dies und wir müssen uns nur an unseren eigenen Erfahrungen erinnern: Schaut der Arzt nur in den Bildschirm oder mich an? Schaut er nur auf mein Knie oder auf mich als ganzen Menschen? Habe ich das Gefühl, mit meinem Anliegen gesehen zu werden oder werde ich nicht einmal richtig angehört? All dies hat eine Wirkung! Gleiches gilt für den Lernerfolg in der Lehrer-Schüler Beziehung – auch hier zeigt sich, dass die Qualität des Kontakts/der Beziehung einer der stärksten Einflussfaktoren auf das Ergebnis ist.

Welchen Einfluss besitzt die Beziehungsqualität Ihrer Erfahrung nach auf die Ergebnisse von Teams und Organisationen (gar nicht, gering, mittel, hoch)?

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Im Unternehmen geht es nicht um Lern- oder Heilungserfolge, sondern um Arbeitserfolge, also die Resultate. Hier rücken weniger die informellen Beziehungen zwischen den Beschäftigten als vielmehr die Arbeitsbeziehungen zwischen Führenden und Geführten sowie zwischen Menschen, die gemeinsam Ergebnisse produzieren ins Blickfeld. Und auch hier zeigt sich, dass andere Arbeitsergebnisse möglich werden, wenn neben klaren Anweisungen, Stellenbeschreibungen und Zielen die Beziehungsqualität berücksichtigt und gepflegt wird. Eine gute Beziehungsqualität wirkt beispielsweise darauf, …

  • ob die Freiwilligkeit, Energie und Motivation der Mitarbeitenden mobilisiert werden.
  • ob mit Konflikten produktiv (klärend) oder unproduktiv (unbearbeitet) umgegangen wird.
  • wie kritisierbare und unliebsame Entscheidungen akzeptiert und getragen werden.
  • wie sehr Veränderungsvorhaben mitgetragen werden.
  • wie sich das Wohlbefinden und die Gesundheit der Beteiligten entwickeln.
  • inwieweit sich die Potenziale und die Kreativität der Mitarbeitenden entfalten können.
  • ob Zusammenarbeit und Kooperation wirklich funktionieren.
  • ob und wie (in Krisenzeiten) Vertrauen gehalten werden kann.
  • ob und wie Menschen bereit sind, sich führen zu lassen.
Sind die im Text genannten Wirkungen einer guten Beziehungsqualität für Sie oder Ihr Unternehmen hilfreich oder gar erforderlich?

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Wie würden Sie die Beziehungsqualität in Ihrem Unternehmen beschreiben? Wie wirkt sich diese Qualität auf die Ergebnisse oder den Kontakt zur Kundschaft aus?

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Würde diese Form der Zusammenarbeit zu Ihrem Unternehmen oder Team passen? Gegebenenfalls auch in „kleinen Dosen“?

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Wenn wir uns daran erinnern, dass unzählige Veränderungsvorhaben scheitern, viele Menschen nur mäßig motiviert ihrer Arbeit nachgehen und nur einen kleinen Teil ihres Potenzials in die Arbeit einbringen oder die Zusammenarbeit meist unter den Erwartungen bleibt, wird deutlich, welche Bedeutung die Kontakt- und Beziehungskompetenz für manche Unternehmen und deren Leistungsfähigkeit haben kann. Oder in anderen Worten: Vieles spricht dafür, dass wir über die Beziehungsqualität einen wirkmächtigen Faktor nutzen können, der bisher oft vernachlässigt wurde.

Wie lässt sich nun eine gute Beziehungsqualität beschreiben, was macht sie genau aus? Aus Sicht des Autors lässt sie sich im Sinne einer Aufzählung nicht scharf definieren. Daher soll hier eine Annäherung stattfinden. Vorab: Mit guter Beziehungsqualität ist nicht gemeint, dass sich jeder mit jedem gut verstehen muss oder dass Vorgesetzte mit den Mitarbeitenden nach Feierabend noch ein Bier trinken gehen. Ebenfalls müssen wir auch keine freundschaftlichen Beziehungen zu allen aufbauen oder per Du sein. Es geht vielmehr darum, ob und wie wir uns gegenseitig im Berufsalltag begegnen.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir soziale Wesen sind und einen Teil unserer Bedürfnisse, aber auch unsere Selbstwahrnehmung und Potenziale durch unsere Mitmenschen erfahren und regulieren, können wir uns fragen, ob dafür auch im Kontext Arbeit Raum sein soll. Aus nachvollziehbaren Gründen haben wir dies die letzten Jahrzehnte aus dem Berufsleben rausgehalten. In einer klaren Welt mit klaren Aufgaben galten Beziehungen eher als nicht zu kontrollierender Störfaktor beziehungsweise wurden sie unter den Beschäftigten in den Pausen und zwischendurch gelebt. Wie beschrieben brauchen heute Unternehmen zunehmend „mehr“ von den Beschäftigten. Dieses „mehr“ wird ermöglicht, wenn die Mitarbeitenden in den beruflichen Beziehungen auch „mehr“ sein dürfen. Was ist damit genau gemeint? Vereinfacht beschrieben macht es einen Unterschied, ob ich – die viele Lebenszeit, die ich bei der Arbeit verbringe – lediglich als reine Arbeitskraft oder (zumindest ein Stück weit) auch als (ganzer) Mensch, mit meinen Nöten, Ideen und meiner Einzigartigkeit gesehen und behandelt werde. Es geht darum, dass wir uns gegenseitig in unserer Eigenart zeigen (dürfen) und auch vom Gegenüber wahrgenommen werden. Dazu gehört auch, dass wir unsere Gefühle, Meinungen, Interessen und Eigenarten in die Arbeit einbringen. Im Kreis der Kolleginnen und Kollegen wird dies oft realisiert. Jedoch liegen die Potenziale in unseren praktischen „Arbeitsbeziehungen“. Also in den Führungs- und Kooperationsbeziehungen, wo Leistung erbracht wird. Genau hier macht es einen Unterschied.

Vielleicht klingt dies unspektakulär und trivial oder es löst Sätze aus wie: „Wir sind hier, um Spitzenleistung zu erbringen und der Rest gehört ins Private.“ Diese Skepsis ist berechtigt und viele Unternehmen kommen auch ohne die beschriebenen Ausprägungen von Beziehungsqualität aus. Zur Erinnerung: Die klassische Fabrik und die McDonald’s-Filiale funktionieren auch ohne. Andere Unternehmen brauchen, und wieder andere wollen, jedoch mehr. Das Herstellen einer guten Beziehungsqualität wird daher zu einer Zukunftskompetenz, für Unternehmen und Menschen, die das „Beste“ von ihren Mitarbeitenden wollen – entweder um überlebensfähig zu bleiben oder auch aus dem Wunsch heraus, eine andere Kultur zu etablieren.

Brauchen Sie dieses „mehr“ in Ihrem Unternehmen? Wenn ja, eher aus innerer Überzeugung oder aus geschäftlichem Bedarf?

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Wie kann ich Kontakt- und Beziehungskompetenz entwickeln?

Gute und erfolgreiche Beziehungen sind am Ende eine Art „Black box“ – daher gibt es leider keine allgemeingültige Anleitung für erfolgreiche und produktive Beziehungen. Eine Grundwahrheit ist jedoch gewiss, am Ende braucht es immer die Bereitschaft beider Seiten. Praktisch bedeutet dies, dass das Gegenüber bei der Ausgestaltung und Pflege miteinzubeziehen ist – die Verantwortung für die Beziehungsqualität liegt dann nicht mehr in den Händen einer Person. Wie dies einfach umgesetzt werden kann, wird im nächsten Abschnitt über das Tool „Führungs- und Kooperationsdialog entlang der Sache“ beschrieben).

 

Trotzdem haben wir selbst auch einen gewissen Einfluss darauf, ob und wie sich die Beziehungsqualität entwickelt und ob das Gegenüber unsere Angebote annehmen wird. Daher beziehen sich die im Folgenden aufgeführten Inhalte, im Wesentlichen auf die Aspekte, die wir selbst in der Hand haben, um die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche und belastbare Beziehungen zu erhöhen. Durch uns sind im Alltag insbesondere drei Ansatzpunkte beeinflussbar:

  • unsere Haltung gegenüber Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden und allen Beteiligten
  • das Bewusstsein gegenüber unseren inneren Bildern, Gefühlen und Urteilen sowie deren Wirkung
  • die Einbeziehung menschlicher Grundbedürfnisse in Beziehungen und den Alltag
Wie begegnen Sie sich in Ihrem Unternehmen? Mehr in der Subjekt-Objekt- oder in der Subjekt-Subjekt-Beziehung?

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Was würde passieren, wenn Sie dies ändern würden? Wäre dies überhaupt förderlich?

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Die Haltung

Was unser Verhalten bestimmt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, was wir wichtig und unwichtig finden und vieles mehr wurzelt in unserer inneren Einstellung, unserer Haltung oder (neudeutsch) dem Mindset. Die Haltung ist eine der Wurzeln unseres Handelns. Sie lässt sich weniger über Weiterbildung oder eine Vorgabe entwickeln. Sie formt sich über unsere Erfahrungen und unsere daraus resultierenden Einsichten. Hier folgen ausgewählte Aspekte einer kontakt- und beziehungsförderlichen Haltung. Diese können wir im Alltag ausprobieren und auf deren Wirkung bezüglich der erlebten Beziehungsqualität beurteilen:

Objekt- vs. Subjektbeziehungen

Das (zumindest partielle) Loslassen von der Subjekt-Objekt-Beziehung zu anderen Menschen beziehungsweise den Mitarbeitenden ist der vielleicht wichtigste Aspekt, um Kontakt- und Beziehungskompetenz zu entwickeln. Damit ist gemeint, dass das Gegenüber nicht mehr (oder zumindest weniger als bisher) zum Objekt oder Gegenstand gemacht wird, um ausschließlich für das Erreichen von Zielen dienlich zu sein. Denn ein derart ausgestaltetes Zusammenspiel von Geben und Nehmen beschränkt sich auf die Erfüllung von Aufgaben gegen Geld. Im Gegensatz dazu steht die Begegnung von Subjekt zu Subjekt beziehungsweise von Mensch zu Mensch. Auch dabei können die Aufgaben und Sachfragen im Mittelpunkt der Beziehung stehen, jedoch nicht mehr allein. Es kommen weitere Aspekte hinzu, wie das Interesse und die Wertschätzung am Gegenüber, dessen Befindlichkeiten und persönlichen Einstellungen zu aktuellen Lebensfragen. Diese Art des Kontakts schließt jedoch nicht aus, Unangenehmes und Missstände anzusprechen. Ärger, Konflikte und negativ bewertete Gefühle haben darin denselben Platz wie Wertschätzung und positiv bewertete Gefühle – an beiden lässt sich wachsen, wenn wir bereit sind, diese selbst einzubringen und gleichermaßen dafür zu werben, dass das Gegenüber sich dazu auch ermuntert fühlt. Dies ist in der Praxis anspruchsvoll (siehe nächster Punkt). Daher liegt hier der Fokus auf kleinen Haltungsänderungen. Denn bereits durch schrittweise Veränderungen lässt sich eine spürbare Wirkung für eine bessere Kontakt-und Beziehungsqualität erreichen. Im Abschnitt Tools und Übungen am Ende dieser Publikation findet sich die Anleitung „Kleine Räume“. Sie enthält, wie ein Erfahrungsraum moderiert und gestaltet werden kann, um Kontakt und Begegnung in der beschriebenen Art zu ermöglichen.

Kontrolle aufgeben

Dieser Haltungswechsel kann uns jedoch herausfordern. Während bei vielen Alltagsaufgaben noch Zahlen, Prozesse, Ressourcen und „Professionalität“ im Vordergrund stehen, geht es beim Wirken im Kontakt vor allem um Menschen in ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit. Damit wird auch der „sichere“ Raum des Verstandes und der Berechenbarkeit verlassen und der Raum für das unberechenbare und nicht kontrollierbare Zwischenmenschliche betreten. Dadurch kann jedoch auch ein Verlust von Kontrolle einhergehen, der gegebenenfalls als riskant wahrgenommen wird. Beispielhaft: Darf ich mich auch mal schwach zeigen und was ist, wenn dies ausgenutzt wird? Was ist, wenn das Gegenüber zu emotional reagiert oder die ganze Lebensgeschichte auftischt, bleibt dann noch Zeit für die Sache? Oder, wenn ich beispielsweise im Rahmen des jährlichen Personalgesprächs den festgelegten Pfad des Frage- und Beurteilungsbogens weglege, kann sich das Gespräch in eine andere Richtung entwickeln. Kontakt- und Beziehungskompetenz erfordert daher die Bereitschaft, dieses Wagnis einzugehen und ein (klein) wenig auf Kontrollierbarkeit und Vorhersehbarkeit zu verzichten.

Sich hinterfragen

Erfahrungsgemäß sind Beziehungen und deren Gestaltung kein einfaches Feld. Wir haben Befindlichkeiten, Vorannahmen, Glaubenssätze und unsere Erfahrungen über Beziehungen und konkrete Personen, die in das tägliche Miteinander hineinwirken (mehr dazu im nächsten Kapitel). Ein wichtiger Schlüssel für den Aufbau von Kontakt- und Beziehungskompetenz ist daher die Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen – weniger die eigene Person, vielmehr unsere gesetzten Annahmen und inneren Bilder, die die Beziehungsqualität beeinflussen können.

Das Gegenüber einbeziehen

Neben unserer Erkenntnis darüber, wie das Eigene in Beziehungen wirkt und den damit verbundenen Möglichkeiten der Veränderung soll hier in Erinnerung gerufen werden, dass Beziehungen niemals durch uns allein gestaltet werden. Wir können zwar Angebote machen und gute Voraussetzungen schaffen, die einladend und öffnend auf das Gegenüber wirken, am Ende braucht es natürlich aber auch das Gegenüber. Wir bleiben daher angewiesen auf dessen Bereitschaft und Vermögen, die Beziehung mitzugestalten. Denn, wo jemand führt, braucht es auch jemanden, der sich führen lässt. Und da, wo wir auf Kooperation und Zuarbeit angewiesen sind, braucht es jemanden, der bereit dazu ist. Bereits die Einladung, die Arbeitsbeziehung mitzugestalten, also mitzuteilen, was gegenseitig dafür benötigt wird, damit gute Ergebnisse erbracht werden können, wirkt schon förderlich. In hierarchischen Arbeitsbeziehungen ist es hilfreich, dass diese Einladung von „oben nach unten“ erfolgt. Im Teil Übungen und Tools am Ende dieser Publikation findet sich der „Führungs- und Kooperationsdialog entlang der Sache“.

Hiermit können Menschen, die zusammenarbeiten, gemeinsam Aspekte für eine gelungene Arbeitsbeziehung herausstellen.

Die Wirkung innerer Bilder, Gefühle und Urteile

Unsere Haltung und inneren Bilder (z. B. neuronale Vernetzungen oder intuitive Bilder), aber auch unsere Vorstellungen und Gefühle sind wirkmächtig. Sie wirken auf unsere Urteile gegenüber anderen oder einer Situation und dadurch wiederum auf die Qualität der Beziehung und deren weiteren Verlauf. Sie sind so wirkmächtig, weil wir uns ihrer kaum bewusst sind und weil sie unabhängig zu unserer Absicht wirken. Die folgende Beispielreihe soll dies verdeutlichen:

Was passiert und wie wirkt es sich auf eine Situation aus, wenn die Geschäftsführung die Mitarbeitenden als Kinder betrachtet und sie daraufhin auch so behandelt? Oder: Wie wirkt es sich in einer stressigen Projektphase auf die Einsatzbereitschaft aus, wenn jemand seine Führungskraft als „Unhold“ und wie, wenn sie sie als „Mentor“ betrachtet?

Was ist Ihr erster Gedanke, wenn Sie am Arbeitsplatz einer Kollegin oder eines Kollegen vorbeilaufen und diese Person hat die Füße auf dem Tisch ausgestreckt? „Dieser Mensch hat keine Manieren, hier sollte mal jemand zurechtweisen!“, „Wir arbeiten hart und da wird gefaulenzt und einfach entspannt!“ oder „Da macht sich wohl jemand kreative Gedanken“. Und wie wirken Ihr Urteil und Ihre Gedanken auf den weiteren Kontakt mit diesem Menschen?

Wie könnte es wirken, wenn eine Führungskraft den Mitarbeitenden (vielleicht auch unbewusst) innerlich „überheblich“ in einem schwierigen Gespräch begegnet? Und wie wirkt es, wenn sie den Mitarbeitenden innerlich auf Augenhöhe begegnet. Und zu guter Letzt, wie würde es wirken, wenn sie den Mitarbeitenden aus einer „untergeordneten“ Haltung begegnet? Wie würden sich diese drei Haltungen auf den Gesprächsverlauf, auf das Gegenüber, dessen Beteiligung und Offenheit auswirken?

Noch ein letztes Beispiel: Eine Führungskraft ist berechtigterweise mit der Leistung und der Entwicklungsfähigkeit von einem Drittel der Belegschaft unzufrieden. Ein mögliches Urteil könnte lauten: „Die passen mir nicht und die gehören nicht dazu!“ Ein anderes Urteil würde vielleicht so ausfallen: „Die passen mir zwar nicht, jedoch weiß ich, die gehören irgendwie zum Unternehmen!“ Wäre es denkbar, dass diese zwei ähnlichen und doch unterschiedlichen Urteile eine Wirkung haben? Beispielsweise, wenn die Führungskraft vor der Belegschaft steht, eine neue Strategie umsetzen möchte und auf das Mitmachen aller angewiesen ist?

Wenn Sie an Ihre letzten Gesprächskontakte denken und diese nochmals kritisch reflektieren: Mit welcher Haltung sind Sie dem Gegenüber begegnet? Und mit welcher Haltung wurde Ihnen begegnet?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Welche Auswirkung hatte dies auf die Beziehungsqualität und den Gesprächsverlauf?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Die Beispiele beschreiben mögliche Wirkungen unserer inneren Bilder, Gefühle und Urteile, die wir über andere treffen. Alle Beispiele eint, dass sie wie ein Filter wirken. Diese wirkmächtigen Filter bestimmen …

  • unser eigenes Erleben („Das, der oder die sind so!“).
  • die mögliche Beziehungsqualität, die daraus resultiert.
  • unsere Handlungen (also unser Tun und Nicht-Tun).
  • den weiteren Verlauf der Situation.
  • dadurch wiederum auch die Ergebnisse.

Unsere Filter haben noch weitere Wirkungsebenen:

Die Entwicklung des Gegenübers

Unsere Filter bestimmen nicht nur unsere Handlungen, sie wirken auch auf unser Gegenüber ein – auf dessen Verhalten und Entwicklung. Wenn eine Klassenlehrerin einen Schüler mit dem Filter „verlorener Fall“ betrachtet, wird dieser sich anders entwickeln, als wenn sie ihn als ein „außergewöhnliches Talent“ sieht. Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeitende, deren Führungskraft sie mit dem Filter „Kinder“ betrachtet, sich auf Dauer in bestimmten Situationen auch wie Kinder verhalten werden.

Wenn Sie mögen, probieren Sie für einen gewissen Zeitraum aus, Ihre Kolleginnen und Kollegen in ihren besonderen Stärken und Talenten zu betrachten. Vielleicht können Sie diese auch ansprechen oder hervorheben. Macht dies einen Unterschied?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Filter erschweren echten Kontakt

Alle Filter haben eine Gemeinsamkeit in Bezug auf die Beziehungsqualität. Dadurch, dass sie buchstäblich zwischen den Beteiligten stehen, werden nicht nur das eigene Erleben und der Verlauf der Situation beeinflusst, sondern auch der Kontakt wird erschwert beziehungsweise „getrübt“ – wir sehen das Bild beziehungsweise den Filter und „verlieren“ dadurch ein Stück weit unser Gegenüber. Genauer gesagt kann es passieren, dass wir mehr mit dem Filter oder einer Vorstellung interagieren als mit dem Gegenüber. Ein Beispiel: Wenn ich den „Sorgenfilter“ weglasse, den ich wegen schlechter Schulleistungen meines Kindes aufgelegt hatte, bekomme ich auf einmal das Kind in seiner Situation zu sehen – ich kann dann besser erkennen, wie es ihm geht und was es braucht. Davor war der Kontakt durch meine eigene Sorge verzerrt, da ein (Groß-)Teil der Aufmerksamkeit auf die Sorge gerichtet war. Durch das Erkennen, Prüfen und gegebenenfalls durch das Loslassen des Filters können vollkommen neue (Lösungs-)Möglichkeiten und eine andere Beziehungsqualität entstehen.

„Richtig“ und „Falsch“ führen nicht immer zum Ziel

Das letzte Beispiel mit der Belegschaft, die nicht den Anforderungen entspricht, soll noch etwas verdeutlichen: Es muss nicht immer um das „Richtig“ und „Falsch“ oder um das „Recht haben“ gehen. So kann es sein, dass ich mit meinem Urteil („ein Teil der Belegschaft erfüllt nicht die Anforderungen“) oder mit meinem Gefühl der Sorge um das Kind zwar richtig liege, jedoch kann beides (wie bereits beschrieben) den Kontakt und die Beziehung trüben und den weiteren Verlauf beeinträchtigen. Von daher kann ich mich fragen, ob mein Gefühl der Sorge dem Kind oder das harte Urteil gegenüber dem Belegschaftsteil dem Unternehmen wirklich helfen. Gute Lösungen ergeben sich erfahrungsgemäß eher, wenn wir einschränkende Bilder fallen lassen können, um den Kontakt zu stärken – selbst wenn wir richtig damit liegen oder uns im Recht befinden.

Beobachten Sie sich eine gewisse Zeit lang selbst: Mit welchen Filtern, Vorannahmen und Gefühlen gehen Sie in den Kontakt zu anderen? Was passiert, wenn Sie diese (für eine Zeit lang) loslassen?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Wären Sie dazu bereit, das „Richtig“ und „Falsch“ loszulassen, wenn es dem Ziel dienlich ist?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Kontakt- und Beziehungskompetenz braucht hierfür die Basiskompetenz der Achtsamkeit. Eine Achtsamkeit gegenüber unseren eigenen Filtern, die wir tagtäglich auf andere Menschen anwenden. Dies ist von Bedeutung, da wir ohne ein gewisses Training dazu neigen (meist unbewusst), anderen diese Filter förmlich überzustülpen. Ziel ist es daher, Bewusstsein für diese Vorgänge zu entwickeln, um selbst entscheiden zu können, ob und welche Filter wirken sollen. Das Bewusstsein darüber sowie die Bereitschaft, die eigenen Filter durch übende Achtsamkeit „kennenzulernen“, bilden einen Grundpfeiler der Kontakt- und Beziehungskompetenz. Im Abschnitt Übungen am Ende dieser Publikation findet sich dafür die Übung „Wahrnehmen und begrüßen meiner Filter“. 

Zuletzt sei hier auf die positive Wirkung unserer Gefühle, Urteile und inneren Bilder hingewiesen. Sie können auch beziehungsstiftend und öffnend wirken. So hat das Massachusetts Institute of Technology bei der Suche nach zentralen Erfolgsfaktoren von gelungenen Workshops herausgefunden, dass nicht die verwendeten Moderations-, Präsentations- und Didaktiktechniken für den Erfolg zentral waren, sondern eine wertschätzende und zugewandte Grundhaltung gegenüber den Teilnehmenden. Herausragende Ärztinnen und Ärzte, Lehr- und Führungskräfte verwenden neben ihrem Fachwissen möglicherweise ähnliche Bilder und Gefühle, wenn sie anderen begegnen und Resultate erbringen.

Wirkung und Bedeutung zentraler Bedürfnisse in Beziehungen

Der Mensch erfährt und reguliert als soziales Wesen einen Teil seiner Grundbedürfnisse über Beziehungen. Auch wenn der Verstand zwischen der Berufs- und der Privatwelt zu unterscheiden vermag, unsere Gefühle und Bedürfnisse bleiben morgens nicht vor dem Werkstor oder der Bürotür stehen. Das heißt, dass diese Bedürfnisse und deren Befriedigung auch im Berufsalltag – meist als Sachthema gekleidet, mal mehr und mal weniger bewusst – präsent und beziehungsprägend sind. Gute und tragfähige Führungs- und Kooperationsbeziehungen berücksichtigen diese und geben im Rahmen der Möglichkeiten auch Raum zu deren Entfaltung. Die Literatur über Grundbedürfnisse ist sehr umfangreich. In Anlehnung an Gerald Hüther bilden vor allem das Gefühl der Verbundenheit und der Wunsch nach Wachstum/Entfaltung wesentliche Aspekte unseres menschlichen Daseins. Etwas erweitert ergeben sich so zwei Bedürfnisgruppen:

  • Verbundenheit. Wir wollen uns sicher, verbunden und zugehörig fühlen.
  • Wachstum. Wir wollen frei sein, uns zeigen, uns entfalten und in unserer Einzigartigkeit gesehen werden.

Diese grundlegenden Bedürfnisse können im betrieblichen Kontext nicht vollkommen erfüllt werden. Ebenso ist eine Führungskraft nicht für deren Erfüllung bei den Teammitgliedern verantwortlich. Die Beziehungsqualität kann jedoch verbessert werden, wenn sie (ab und an) Raum bekommen und sie kann verschlechtert werden, wenn sie dauerhaft frustriert werden. Das erste Bedürfnis wird beispielsweise durch zu starke Einschränkungen der Freiheit, das Fehlen von Entfaltungs-und Entwicklungsmöglichkeiten und das „nicht gesehen werden“ frustriert. Das zweite kann wiederum durch eine unsicher empfundene Arbeitsumgebung sowie der Erfahrung, nicht dazuzugehören und kein wertvoller Teil des Unternehmens zu sein, frustriert werden. Wie lässt sich dies im Alltag berücksichtigen?

Wir können unsere Kommunikation, unsere Entscheidungen oder unser (Führungs-)Verhalten, aber auch die Verteilung von Aufgaben oder das Organisationsdesign diesbezüglich ausrichten. Oft sind es auch die kleinen Aufmerksamkeiten im Alltag, die sich in einfachen Sätzen zeigen, die zur aktuellen Situation passen müssen, da sie sonst „aufgesetzt“ wirken können: „Ohne Dich hätten wir das Projekt nicht herumreißen können.“, „Ohne Dein Organisationstalent wären wir aufgeschmissen.“, „Ich sehe, dass Du es eigentlich anders haben wolltest.“, „Jeder von Euch ist ein wertvoller Teil des Unternehmens.“, „Derzeit kann ich leider nicht für sichere Arbeitsplätze garantieren.“ Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, wo wir diese zentralen Bedürfnisse im Kontakt mit anderen Menschen berücksichtigen können. Andersherum wird das vielleicht zunächst irrational wirkende Verhalten anderer verständlicher, wenn wir wissen, was uns als Mensch antreibt und wichtig ist. Im Abschnitt Übungen und Tools am Ende dieser Publikation findet sich das Tool „Resonanzund Dialogfähigkeit“. Dieses gibt Orientierung im Umgang mit Grundbedürfnissen im Arbeitsalltag.

Wenn Sie an vergangene Gespräche oder Konflikte denken, entdecken Sie gegebenenfalls Bedürfnisse, die in Sachthemen mit hineingewirkt haben (z. B. der Versuch nach Anerkennung, Freiraum etc.)?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Machen aus Ihrer Sicht die im Text genannten Beispielsätze einen Unterschied im Kontakt miteinander und wenn ja, welchen?

Tragen Sie hier Ihre Gedanken ein:

 

 

 

 

 

Zusammengefasst können wir im Alltag folgende Aspekte berücksichtigen, um Kontakt- und Beziehungskompetenz aufzubauen ...

  • Das Gegenüber anstelle eines Objekts (reine Arbeitskraft) mehr als Subjekt (Mensch und Arbeitskraft) betrachten und behandeln.
  • Sich selbst zeigen und auch das Gegenüber sehen und bestätigen (im Positiven wie im Negativen).
  • Bewusstsein gegenüber den eigenen Bildern, Vorstellungen und Filtern sowie deren beziehungsgestaltender Wirkung erlangen.
  • Das „Risiko“ eingehen, Kontakte und Beziehungen nicht kontrollieren zu können und offen gegenüber dem Unerwarteten zu sein.
  • Das Gegenüber in die berufliche Beziehungsgestaltung als mitverantwortlich einbeziehen.
  • Unsere menschlichen Grundbedürfnisse (ein Stück weit) im Alltag und der Beziehungsgestaltung berücksichtigen.
  • Für Klarheit bezüglich der Anforderungen, Aufgaben und Erwartungen sorgen.
  • Sich auf Augenhöhe begegnen.
  • Die gegenseitige Erfahrung machen, beim Gegenüber etwas bewirken zu können/gehört zu werden.
  • Bereitschaft, Zeit in die Pflege der Beziehungen zu investieren.
  • Potenziale und Stärken im Gegenüber sehen und benennen.
  • Sich auch auf Konflikte und Ärger einlassen.