Immer mehr Start-ups im internationalen Geschäft

Interview mit Michael Sauermost, Germany Trade & Invest (GTAI)

Herr Sauermost, warum sind immer mehr Start-ups im internationalen Geschäft unterwegs?
Es ist in der Tat schon auffällig, dass die Quote der Start-ups, die eine Expansion ins Ausland im Visier haben, nach oben schnellt. Der Grund dafür ist eigentlich ganz simpel: Weil sie wachsen wollen. Dafür benötigen sie Kapital. Und da ist es bei zunehmender Konkurrenz im Kampf um Geldgeber ganz natürlich, eine Internationalisierung in den Fokus zu rücken. Was jedoch nicht heißt, dass sich jedes Start-up für eine "Auswanderung" eignet. Das wird bisweilen zu undifferenziert betrachtet.

Welches Start-up ist denn für ein Auslandsgeschäft geeignet, welches nicht?
Wer sich zuhause einen Namen gemacht hat, strebt mit seinem Produkt oder auch seiner Dienstleistung ins Ausland. So weit so gut. Allerdings trennt sich im Prinzip schon im Anfangsstadium schnell die Spreu vom Weizen. Natürlich spielt hier eine Rolle, ob das Produkt zum Zielmarkt passt. Darüber hinaus kommt jedoch etwas Entscheidendes hinzu: die frühzeitige Ausrichtung des Unternehmens. Nach unserer Erfahrung hat der Gründer definitiv mehr Erfolg beim Auslandsgeschäft, der von Anfang an ein internationales Engagement auf dem Zettel hatte. Dabei geht es darum zu prüfen, ob und wie sich ein Produkt oder eine Dienstleistung international verwerten lässt. Ist das technisch möglich? Ist das sprachlich möglich? Und dann muss der Businessplan entsprechend konzipiert sein.

Das fängt schon mit den Recherchen und Überlegungen zum Namen des Unternehmens oder seines Produkts an. Der muss global funktionieren. Nur wenige Gründer werden später im Ausland mit einem neuen Logo an den Start gehen wollen, weil sich der ursprüngliche Name nicht vermarkten lässt, weil er sprachlich oder kulturell nicht passt. Besonders was die internationale Namensgebung bei Automarken betrifft, spucken die Internetsuchmaschinen eine Vielzahl an interkulturellen PR-Unfällen aus. Die Kosten einer späteren Namensänderung kann ein Kfz-Riese natürlich besser wegstecken als ein aufstrebendes Jungunternehmen.

Welche besonderen Bedarfe haben Start-ups auf dem Weg ins internationale Geschäft?
Nicht wenige Start-ups haben einen ganz bestimmten neuen Markt im Visier. Um hier erfolgreich Fuß fassen zu können, sollten sie unbedingt einen internationalen Partner oder Mitarbeiter mit an Bord haben.

Wer noch keinen hat, muss auf Partnersuche gehen. Gegebenenfalls auch im Zielland. Da gehen Start-ups nach unserer Erfahrung mit viel weniger Berührungsängsten ans Werk als herkömmliche Unternehmen. Daneben sind die Anforderungen an rechtliche Unterstützung nicht zu unterschätzen. Und dass ein Start-up vor Ort als Unternehmen eingetragen ist, ist oft Voraussetzung dafür, Fördermittel im Zielland zu erhalten. Auch für die Unternehmensregistrierung ist oft ein lokaler Partner erforderlich.

Was sollten Start-ups bei der Länderwahl beachten?
Für die Auswahl des Ziellandes gibt es die unterschiedlichsten Kriterien. Passt das Produkt oder hat der Gründer eine besondere Affinität zu dem Land? Oder locken dort spendable Investoren? Nach unserer Erfahrung geht die Reise bislang meist in Richtung Standort des Investorenkapitals. Allerdings dürfte sich das in Zukunft eher dahin verändern, dass sich Start-ups bei ihrer internationalen Ausrichtung stärker dahin orientieren, wo ein Top-Absatzmarkt ist. Das liegt daran, dass die internationale Vernetzung dafür sorgt, dass Risikokapital stärker auch über Grenzen hinaus fließt. Man muss dem Geld also nicht mehr unbedingt hinterher auswandern. Dazu kommt, dass in einigen Ländern rein lokal orientierten Wagniskapitalgebern tendenziell eine Zurückhaltung gegenüber ausländischen Start-ups nachgesagt wird.

Welche besonderen Hilfen und Förderungen gibt es?
Bei uns in Deutschland gibt es immer mehr öffentliche und private Inkubatoren und Acceleratoren, die international ausgerichtet und vernetzt sind. Und innerhalb dieser Netzwerke können Start-ups ihre Fühler mit überschaubarem Aufwand auch nach neuen Märkten und internationalen Partnern ausstrecken. Im Ausland stehen nicht selten staatliche Förderprogramme auch für ausländische Gründer offen. Allerdings ist die Gewährung von staatlichen Fördermitteln oft an bestimmte Branchen geknüpft. Beispielsweise dort, wo ein besonderer Bedarf an Fintech-Lösungen oder digitalen High-Tech-Anwendungen besteht. Einige Länder haben auch vereinfachte Visamodalitäten für Gründer in technologischen Bereichen eingerichtet. Besondere Starthilfen für deutsche Gründer gibt es beispielsweise in den USA. Da gibt es zum einen den "German Accelerator Tech und Life Sciences" (www.germanaccelerator.com), zum anderen das Förderprogramm "STEP USA" (www.stepusa.io) in Form eines regelmäßigen Boot Camps der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York.

Welche besonderen Probleme können für Start-ups im Ausland auftreten? Wie kann man die lösen?
Start-up-Gründer sind oft überrascht, dass ihnen auf dem Weg in neue Märkte kein roter Teppich ausgerollt wird, sondern dass sie sich im Prinzip nicht von klassischen Unternehmen unterscheiden. Das heißt: Start-ups kommen um die normalen Spielregeln des Auslandsgeschäfts nicht herum: Zielmarkt und Konkurrenz analysieren, rechtliche Rahmenbedingungen und Vorschriften z.B. zur Etikettierung klären usw. Märkte, auf denen man einen langen Atem braucht, passen gar nicht zum Gründertraum vom schnellen Erfolg. Gerade bei einem „Auswärtsspiel“ stehen erst einmal lästige Hausaufgaben an, die Zeit und Geld verschlingen.

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