Anwendungsfall: Leistungsbeurteilung und Personalentwicklung
Die Vorsorglich Kranken- und Altenpflege GmbH ist mit ihren sechs Standorten als verlässlicher Partner in der Versorgung ihrer meist gutbetuchten Klienten bekannt. Innerhalb seines Marktsegments ist das Unternehmen (regionaler) Marktführer, es beschäftigt rund 160 Mitarbeiter. Neben klassischen Altenpflegeleistungen bietet das Unternehmen ein breites Spektrum an privaten Zusatzleistungen an. Es besteht eine Kooperation mit einem regionalen Altenpflegeheim, das ebenfalls im Premiumsektor positioniert ist. Im Rahmen einer modernen Seniorenwohnanlage kooperieren die beiden Unternehmen miteinander. In den vergangenen Jahren experimentierte das Unternehmen mit unterschiedlichen Führungsstrukturen, kürzlich stand ein Geschäftsführerwechsel an.
Im Zuge ihrer Einarbeitung fiel der neuen Geschäftsführerin auf, dass sich in den vergangenen Monaten die Beschwerden von Patienten häuften, außerdem fand sie Indizien dafür, dass die Spielräume bei den Kunden nicht mehr so gut genutzt werden, wie es früher der Fall zu sein schien. Sprich: Sinnvolle Leistungen wurden den Kunden auch innerhalb des gesetzlichen Rahmens oder des vereinbarten Kostenrahmens von den Pflegekräften häufig gar nicht erst angeboten. In einer Branche, in der es außerordentlich auf Reputation und „Mund-zu-Mund-Propaganda“ ankommt, musste die Geschäftsführerin den ersten Aspekt als deutliches Warnsignal werten, der zweite war zumindest für den moderaten Wachstumskurs abträglich. Die Geschäftsführerin sprach dies im Führungskreis des Unternehmens an. Gemeinsam wurden einige Maßnahmen vereinbart, auch Anpassungen in der Führungsstruktur sollten mittelfristig in Angriff genommen werden. Oben auf der Prioritätenliste stand allerdings das Thema Personalentwicklung. Alle Führungskräfte sahen dies als Baustelle, für die ihnen im Tagesgeschäft oft die Zeit fehle.
Dem Personalverantwortlichen wurde der Auftrag erteilt, Aufgabenbeschreibungen und Anforderungsprofile auf der Grundlage von Jobfamilien zu erstellen. Dies wiederum sollte als Referenz für die Führungskräfte dienen, um Leistungen zu beurteilen und Personalentwicklungsmaßnahmen für die Mitarbeiter ihres Bereiches anzustoßen. In einem Workshop mit den Führungskräften und einem Betriebsratsvertreter wurden neun Jobfamilien gebildet und rudimentär beschrieben. Die Jobfamilie „Pflegekräfte“ wurde außerdem dreigestuft – von der Juniorpflegekraft mit Standardpflegeaufgaben über die Pflegekraft bis hin zum Fallmanager, der das Leistungsportfolio für Topkunden verantwortet. In Einzelgesprächen mit den Führungskräften konnte der Personalverantwortliche diese rudimentären Beschreibungen anreichern und finalisieren.
Die bisher als unnötige Pflichtübung abgewerteten Mitarbeiterjahresgespräche wurden genutzt, um mit den Mitarbeitern die für sie zutreffenden Beschreibungen zu besprechen und einen ersten Eindruck vom „Förderbedarf“ zu gewinnen. Ein erster Effekt zeigte sich unmittelbar: Die Pflegekräfte fühlten sich stärker als bisher (auch) für die nicht unmittelbar pflegebezogenen Aufgaben verantwortlich. Der Job des Fallmanagers (und die damit verbundene Verantwortung für den einzelnen Fall) gewann an Attraktivität (auch monetär), so dass am Ende nur noch wenige Weiterbildungen tatsächlich notwendig waren. Und in diesen Fällen waren die Weiterbildungen unmittelbar am betrieblichen Bedarf orientiert. Das Klima unter den Beschäftigten verbesserte sich auch deshalb, weil sie sich ,gesehener‘ fühlen. Dies kam auch bei den Kunden an, die Beschwerdequote ging deutlich zurück.
In diesem Beispiel werden Jobfamilien in ihrer gesamten Tiefe genutzt. Mit der Ausarbeitung der Aufgaben, Anforderungen und Vernetzungen ist ein erheblicher Aufwand verbunden (siehe auch Jobfamilien-Beschreibung, S. 19ff.). Dafür kann der Anwender damit ein einfach handhabbares Kompetenzmanagement umsetzen, das sich sowohl für einen Blick aufs Gestern im Sinne von Leistungsbeurteilungen als auch für den Blick aufs Morgen im Sinne von Personalentwicklung eignet. Dieser betriebliche Standard vereinfacht die Passung von Stelle und Person, ohne dass „das Rad jedes Mal neu erfunden“ werden müsste. Gleichsam entsteht Transparenz in der Belegschaft hinsichtlich Entwicklungsmöglichkeiten und Gehaltsunterschieden. Kompetenzkataloge und Messprobleme, die in vielen gängigen Kompetenzmanagementansätzen an der Tagesordnung sind, entfallen.