Einführung
Wenn wir uns die jüngste Entwicklung der Altersstruktur von Existenzgründerinnen und Existenzgründern in Deutschland anschauen, fällt eins ins Auge: Die deutschen Gründerinnen und Gründer werden langsam, aber kontinuierlich älter. Das belegen die Ergebnisse des KfW-Gründungsmonitors der vergangenen Jahre.
Zwar sind Menschen ab 45 Jahren immer noch eher seltener am Gründungsgeschehen beteiligt. Die meisten Gründerinnen und Gründer in Deutschland sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Aber: Die Gründungen 45plus sind trotz leichtem Rückgang bzw. Stagnation der Gründungszahlen in Deutschland insgesamt deutlich angestiegen.
Menschen zwischen 45 und 64 Jahren sind aktuell an rund einem Drittel aller Gründungen beteiligt, während sie im Jahr 2006 vergleichsweise lediglich ein Viertel der Gesamtgründungen ausmachten. Wachstumstreiber ist derzeit die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen: Sie haben von 2013 auf 2014 um über ein Drittel zugenommen (siehe Abbildung 1).
Vorreiter USA
Der Trend, der sich ablesen lässt, ist weltweit nicht neu. So waren die Senior Entrepreneure (Late Bloomers) in den USA die Hauptakteure der Blütezeit der Gründungen in den 90er-Jahren. Aktuell machen die über 45-Jährigen in den USA sogar die Hälfte der Gesamtgründungen aus. Gründen im fortgeschrittenen Alter ist deshalb dort kein neues Phänomen mehr. Ganz im Gegenteil: Babyboomer gehören selbstverständlich zum Gründungsgeschehen und zur Gründerszene.
Zunahme der Gründungstätigkeit von Menschen 45plus
Senior Entrepreneure werden sicherlich das Gründungsgeschehen auch in Deutschland in den nächsten Jahren prägen. Das liegt zum einen daran, dass sie weiterhin den größten Teil der Bevölkerung ausmachen werden. Zum anderen zeigen auch ältere Menschen aus verschiedenen Gründen ein großes Interesse an der beruflichen Selbstständigkeit. Das belegen unter anderem die IHK-Zahlen zur Gründungsberatung in der Abbildung 2. Das bedeutet: Nicht nur der demografische Wandel, sondern auch die steigende Unsicherheit bzw. die wechselhaften Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt werden in den nächsten Jahren voraussichtlich für eine kontinuierliche Zunahme der Gründungstätigkeit von Menschen 45plus sorgen.
Arbeitsmarktpolitische Bedeutung
Eine besondere Bedeutung haben die Gründungen 45plus aus arbeitsmarktpolitischer Sicht. Das frühzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben – freiwillig die einen, zwangsweise (zum Beispiel aufgrund von Umstrukturierung oder Schließungen in Unternehmen) die anderen – bietet die Möglichkeit des Neustarts in eine späte Erwerbsphase: als Unternehmerin oder Unternehmer.
Berufliche Chance
Viele Spätgründerinnen und -gründer empfinden diesen Neustart als eine besondere berufliche Chance. Die Selbstzufriedenheit mit der Gründungsentscheidung ist in dieser Altersgruppe besonders hoch.
Lebenslagen, Kompetenzen und Bedürfnisse
Über die Unterstützung hinaus, die jede Gründerin und jeder Gründer auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit benötigt, brauchen Gründungsinteressierte ab dem mittleren Alter spezielle Informationen sowie eine professionelle und sensible Gründungsberatung, die ihre unterschiedlichen Lebenslagen, Kompetenzen und Bedürfnisse berücksichtigt. Das geht unter anderem aus dem RKW-Empfehlungskatalog „Senior Entrepreneurship – Hinweise für die Beratungspraxis 45plus“ hervor.
Vor diesem Hintergrund geht dieser Leitfaden auf Chancen und Risiken älterer Gründerinnen und Gründer ein. Er zeigt damit gleichzeitig die zielgruppenspezifischen Themen und besonderen Beratungsinhalte auf, die mit den verschiedenen Bedarfsarten und Problemen dieser Zielgruppe verknüpft sind.
Der Leitfaden
Der vorliegende Leitfaden richtet sich in erster Linie an Gründungsberaterinnen und -berater, aber auch an ältere Gründerinnen und Gründer selbst. Er ist als „Baukasten“ aufgebaut und enthält:
- Hinweise mit Erläuterungen zu typischen Herausforderungen für Senior Entrepreneure
- praxisnahe Ratschläge zum Umgang mit diesen Herausforderungen
- weiterführende Informationen und Tipps als Anregung für die alltägliche Beratungspraxis
- Checklisten, verwendbar als Arbeitsunterlagen für das Beratungsgespräch
- „Best Practice“-Beispiele, an denen sich ablesen lässt, welche Faktoren zum Erfolg führen und wie sich Herausforderungen meistern lassen
Welche Information oder welcher Ratschlag jeweils von Bedeutung ist, hängt vom einzelnen Gründungsfall ab. Besonderes Augenmerk hat der Leitfaden dem Thema Finanzierung, in erster Linie der Fremdkapitalbeschaffung, geschenkt. Der Grund: Gründerinnen und Gründer 45plus setzen unter dem Strich etwas mehr Eigenkapital und externe Finanzmittel als Jüngere ein. Dazu kommt, dass Finanzierungsprobleme typische Hürden sind, die Gründungswillige 45plus aufgrund des fortgeschrittenen Alters überwinden müssen.
Dank und Ausblick
An dieser Stelle gilt ein herzlicher Dank den Mitgliedern des Expertenkreises „Senior Entrepreneurship“, deren umfassendes Wissen sowie deren tägliche Erfahrung mit Senior Entrepreneuren in diesen Leitfaden eingeflossen sind. Der Expertenkreis hat sich bislang im Rahmen thematischer Workshops mit folgenden Schwerpunkten beschäftigt: Beratung (im Jahr 2014) und Finanzierung (ab 2015). Eine Vertiefung der Diskussion rund um die Finanzierung, diesmal mit dem Schwerpunkt „alternative Finanzierung“, wird in weiteren Workshops 2016 folgen.
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