3.4 Geschlechtsspezifische Beratung
3.4 Geschlechtsspezifische Beratung
Ausgangslage
Eine genderspezifische Ansprache fehlt weitgehend. Dabei ist unstrittig: Weibliche Gründungen sind derzeit auf dem Vormarsch. Der Anteil der Frauen an den Gesamtgründungen im Jahr 2014 ist laut KfW-Gründungsmonitor mit 43 Prozent auf ein Rekordniveau angestiegen. Nach aller Erfahrung gründen Frauen zudem anders als Männer. Sie ziehen meist kleinere Geschäfte vor oder starten als Soloselbstständige. Weibliche Gründungen finden vornehmlich im Bereich der sozialen und personenbezogenen Dienstleistungen statt.
Dazu kommt: Frauen haben in der Regel vielschichtigere, zum Teil auch brüchigere Lebensund Erwerbsbiografien, und zum Zeitpunkt der Gründung ein höheres Alter. Geschlechtsspezifische Unterschiede (Familienphase, Vereinbarkeitsproblematik) wirken sich auch auf die Gründungsentscheidung aus.
Schließlich müssen viele Frauen mittleren Alters immer noch mit der Doppelbelastung Beruf/Familie zurechtkommen. Fehlt die Zeit, so können sich potenzielle Gründerinnen gegen eine Gründung entscheiden. Allerdings kommen auch oft für Frauen Nebenerwerbsgründungen in Betracht. So gründen laut KfW-Gründungsmonitor 2015 Frauen nur im Vollerwerb seltener als Männer. Im Nebenerwerb gründen sie genauso häufig. Andererseits versuchen viele Frauen, sich mittels Selbstständigkeit einen maßgeschneiderten Arbeitsplatz zu schaffen. Dies soll ihnen letztendlich erlauben, Familie und berufliche Tätigkeit zu vereinbaren, wie die KfW in ihrer Studie „Chefinnen im Mittelstand“ (2011) deutlich macht.
Darüber hinaus gibt es weitere geschlechtsspezifische Hürden, die vor allem ältere Gründerinnen belasten. Darunter finden sich traditionelle Rollenund Familienbilder, die klassische Arbeitsteilung im Familienumfeld und gesellschaftliche Normen und Werte, nach denen Unternehmertum immer noch als „männliche Domäne“ angesehen wird. Die Folgen sind unzureichende gesellschaftliche Anerkennung, fehlende Unterstützung im persönlichen Umfeld, weniger identitätsstiftende Vorbilder und mangelndes Selbstbewusstsein als Unternehmerin (RKW-Studie, 2013).
Handlungsvorschläge
Angehende Gründerinnen benötigen zunächst einmal eine geschlechtsspezifische Ansprache. Das bedeutet Frauen in der weiblichen Form anzusprechen, auch wenn die Kundin selbst von sich in der männlichen Form spricht (Gründerin, Designerin, Grafikerin, IT-Spezialistin etc.), gerade bei Berufen, die eher männerdominiert sind.
Zweitens brauchen Gründerinnen eine spezielle Herangehensweise an die Gründung, bei der die Besonderheiten weiblicher Gründungen Berücksichtigung finden. Die Beratung sollte deshalb unbedingt auch auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern eingehen, das heißt auf die unterschiedlichen Lebens- und Berufsbiografien von Frauen und Männern.
Gender-Peer-Beratung
Die Erfahrung zeigt: Frauen lassen sich gerne von Frauen beraten. Beraterinnen sind über Frauennetzwerke vor Ort oder die bundesweite gründerinnenagentur – bga zu finden. Vor allem in sensiblen Fällen oder bei Frauen in Krisensituationen soll eine Gender-Peer-Beratung (Frauen mittleren Alters oder ältere beraten gleichaltrige Frauen) organisiert werden. Denn ältere Frauen können Hemmungen haben, sich einem jungen männlichen Berater anzuvertrauen. Dahinter schwebt die Angst, nicht ernst genommen zu werden. Eine Gender-Peer-Beratung schafft dagegen eine entspannte Atmosphäre, in der sich sensible und emotionale Themen eher ansprechen lassen.
Lebenssituation und Lebensplanung
Die meisten Gründerinnen wünschen dabei vor allem eine selbstständige Tätigkeit, die zu ihren individuellen Lebenssituationen und Lebensplanungen passt. Ganz entscheidend dabei ist, dass der Zeitaufwand für die Tätigkeit und die verbleibende Zeit, vor allem für die Familie, in einem vertretbaren Verhältnis stehen.
Dazu gehört auch, Regenerationsphasen in alle Planungen mit einzubauen und die Jahresarbeitszeitplanung so zu bemessen, dass immer wieder vorkommende Ausfallzeiten realistisch berücksichtigt sind. Wichtige Bausteine der Zeitplanung sind zudem geplante Kooperationen oder die Beschäftigung von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die jeweils als Vertretung infrage kämen, falls die Unternehmerin beispielsweise wegen Krankheit der Kinder ausfällt. In dem Zusammenhang ganz wichtig: Die Familie frühzeitig in konkrete Arbeitsaufgaben einzubinden. Ohne deren Unterstützung geht nichts.
Weitere Informationen:
Eine Übersicht aller Angebote für Frauen bietet die bundesweite gründerinnenagentur – bga in ihrer internetgestützten überregionalen Expertinnen-/Experten-Datenbank. Darin sind über 1.500 Beratungseinrichtungen, Expertinnen/Experten und Netzwerke aus ganz Deutschland gelistet, die auf Gründerinnen und Unternehmerinnen spezialisiert sind.
Kontakt: www.gruenderinnenagentur.de.
Tipp: „Die Altersgruppe Gründerinnen 45plus hat große Potenziale. Sie braucht eine persönliche Ansprache, die die Lebensumstände mit in das Gründungsvorhaben einbindet, eine wertschätzende Unterstützung und den Wegebau zu anderen Unternehmerinnen.“ – Claudia Körner-Reuter, Trägerverein Frauen und Wirtschaft e. V., Wildeshausen
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