Wer sind die Gründerinnen und Gründer 45plus? Warum gründen sie?
Die „Älteren“ von früher sind heute Menschen im mittleren Alter. So bringt es die RKW-Studie „Gründerinnen und Gründer ab dem mittleren Alter: Schlüsselfaktor für die Wirtschaft“ (2013) auf den Punkt. Das bestätigen auch Ergebnisse aus der Alters- und gerontologischen Forschung (darunter zu den neuen Altersbildern, der Belastbarkeit im Alter usw.).
Sie lassen erkennen, dass für Menschen zwischen 45 und 65 Jahren eine neue demografische Klassifizierung fällig ist. Denn diese Personen sehen nicht nur um viele Jahre jünger aus als ihre Altersgenossen noch vor wenigen Dekaden, sie sind auch um ein Vielfaches gesünder und leistungsfähiger.
Senior Gründerinnen und Gründer durch Vielfalt gekennzeichnet
Die Gruppe der Senior Gründerinnen und Gründer ist extrem heterogen. Denn zu den unterschiedlichen persönlichen Eigenschaften kommen die individuellen Lebens- und Berufsbiografien, die sich meistens direkt auf die Auswahl des Gründungsprojekts bzw. auf die Art der beruflichen Selbstständigkeit auswirken. Nicht nur Babyboomer, sondern auch Menschen im Rentenalter entscheiden sich oftmals in den letzten Jahren für eine Weiter- bzw. Neubeschäftigung als Selbstständige. Die Gründe sind vielfältig: von der reinen ökonomischen Notwendigkeit bis hin zur späten Selbstverwirklichung oder Erfüllung der eigenen Träume. Ferner ist ein wichtiger Grund für Spätgründungen der Wunsch, im Alter aktiv zu bleiben.
Soziale und ökologische Ziele sind auch häufig im Visier älterer Gründerpersonen, womit sich diese Gruppe von den Gewinnmaximierungsabsichten jüngerer Start-ups grundsätzlich unterscheidet.
Dazu kommt: Gründerinnen und Gründer 45plus sind in der Regel besser gebildet als diejenigen unter 45, sie gründen mehrheitlich im Vollerwerb (siehe Abbildung 3, S. 11), die Beständigkeit Ihrer Gründungsprojekte (Erfolgschancen) ist höher. Innerhalb dieser Zielgruppe sind Chancengründungen in der Mehrzahl. Zuletzt besteht ein weiteres Merkmal älterer Gründerpersonen darin, dass diese sich von den Risiken in Zusammenhang mit der Selbstständigkeit weniger als Jüngere abschrecken lassen, wie aus einer Auswertung der KfW-Bankengruppe 2015 hervorgeht (siehe Abbildung 4).
Zwei verschiedene Gründergruppen
Vor allem für eine angemessene Beratung erscheint es sinnvoll, grob zwei verschiedene Gründergruppen zu unterscheiden:
Typ 1: Notgründungen
- Gründerinnen und Gründer aus der Arbeitslosigkeit oder in abhängiger, meist prekärer Beschäftigung, mit niedrigem Ausbildungsgrad oder brüchiger Berufsbiografie sowie mit wenig oder fehlender Berufserfahrung
- Gründungsmotiv: beruflicher Wiedereinstieg, finanzielle und soziale Absicherung
- Typische Herausforderung: die oftmals nur sehr geringen Rentenansprüche aufgrund des (zeitweiligen) Ausscheidens aus dem Arbeitsprozess. Sie brauchen deshalb präzise und ausführliche Informationen zum Thema Rente und Altersvorsorge (siehe Kapitel 3.8).
- Die berufliche Selbstständigkeit gilt für Arbeitslose sowie Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger oftmals als Einkommensbrücke bis zur Rente. Oder, wenn sie bereits in Rente sind, als Möglichkeit für einen Dazuverdienst.
Typ 2: Chancengründungen
- Erfahrene Gründerinnen und Gründer, gut bis sehr gut ausgebildet, mit langjähriger Berufserfahrung in Angestelltentätigkeit, manchmal sogar in Führungspositionen
- Gründungsmotiv: Selbstverwirklichung, Neustart als Chefin bzw. Chef, Erfahrung und Wissen weitergeben
- Typische Herausforderung: der Perspektivenwechsel, von Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer zum Selbständigen bzw. Kleinunternehmen. Gerade ehemalige Angestellte mittlerer oder höherer Ebene stehen vor der neuen Herausforderung wieder (einmal) „klein“ anfangen zu müssen: große Aufträge, klare Hierarchiestrukturen und helfende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind passé. Dazu gehört auch, viele neue Aufgaben selbst übernehmen zu müssen (zum Beispiel Auftragsakquise, Marketing oder Personaleinstellung), die sich gerade in der Phase des Unternehmensaufbaus selten delegieren lassen (siehe Kapitel 3.10).
Eine scharfe Trennung zwischen beiden Gründertypen gibt es gar nicht. Ganz im Gegenteil: Meistens ist eine Reihe von Mischtypen vorzufinden, die einen Teil der Eigenschaften beider Gründungsarten aufzeigen. So gibt es Managerinnen und Manager mittlerer Position, die vor der Firmengründung eine „Berufspause“ als Arbeitslose eingelegt haben. Umgekehrt kann sich eine notgetriebene Selbstständigkeit nach gründlicher Vorbereitung und effizienter Beratung letztendlich als erfolgreiche Berufsalternative entpuppen.
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