Szenario 7: Unprofessionelles Zeitmanagement gefährdet Marktpositionierung
1. Strategische Ausgangslage
Das Maschinenbauunternehmen mit 350 Mitarbeitern bewegt sich in einem hoch gesättigten Markt: Der Umsatz steigt kaum noch, man versucht, durch Steigerung der Produktvariantenvielfalt gegenzusteuern. Dadurch jedoch steigen die Komplexitätskosten überproportional, wodurch die Rendite sinkt. Gleichzeitig steigen die Kundenansprüche. Bei der Erfüllung der Qualitätsansprüche kann das Unternehmen dank der erfahrenen Facharbeiter noch gut mithalten. Die Forderungen nach immer kürzeren Lieferzeiten jedoch, die zunehmend zu einem kaufentscheidenden Faktor werden, sind für das Unternehmen immer weniger erfüllbar. Aufträge gehen an Wettbewerber verloren. Langsam dämmert es der Geschäftsführung, dass man sich zu sehr auf automatisierte Lösungen, wie das PPS-System in der Auftragsvorbereitung und -steuerung, verlassen und eine solide Zeitwirtschaft vernachlässigt hat. Das PPS-System allein, ohne ständig aktualisierte Daten aus Zeitaufnahmen und -analysen, ist nicht in der Lage, die exakte Steuerung einer Vielzahl parallel laufender Aufträge zu gewährleisten, und niemand kann mehr dem Kunden genau sagen, wann sein Auftrag ausgeliefert wird. Als Folge kommt hinzu, dass unvorhergesehene Bearbeitungsschritte und Liegezeiten die Aufträge verzögern und verteuern. Eilaufträge werden vorgezogen, anderes bleibt liegen. Die kalkulierten Preise decken kaum mehr die Kosten – bei zunehmendem Preiswettbewerb (s.o.). Intern kennt niemand den Break-even-Punkt eines Auftrages. Eine erste Analyse ergibt, dass die Auftragsdurchlaufzeiten steigen während die faktische Bearbeitungszeit pro Auftrag sinkt.
2. Zusammenhang mit den Personalressourcen des Unternehmens
Das Unternehmen „spielt“ mit seiner Wettbewerbsfähigkeit. Wenn alles so weiter geht, gerät es in eine Abwärtsspirale mit unvermeidlichem Personalabbau. Die Fehleinschätzung, durch Einführung eines PPS-Systems die Kosten für eine Zeitwirtschaft (und der entsprechenden Kompetenz) sparen zu können, rächt sich bitter. Sicherung zumindest eines Teils der Arbeitsplätze erfordert Reorganisation des Auftragsdurchlaufs in der Produktion inklusive Einführung einer Zeitwirtschaft. Parallel muss in entsprechende Kompetenzerweiterungen von Mitarbeitern in Produktion und Arbeitsvorbereitung investiert werden (MTM- bzw. Refa-Lehrgänge für AV-Personal und Meister).
Zugleich müssen weitere Komplexitätskosten (im gesamten Unternehmen) gesenkt werden, was für einzelne Mitarbeiter und Führungskräfte erhebliche Umstellungen bedeuten wird.
3. Optionen einer strategischen Vorsteuerung
In der Geschäftsleitung werden mehrere Optionen diskutiert:
- Durchführung einer Bestandsaufnahme, die den gesamten Auftragsdurchlaufprozess durchleuchtet.
- Teilnahme von zwei Meistern und einem AV-Mitarbeiter an einem MTM-Lehrgang „Prozessoptimierung mit Zeitanalysen und Zeitmanagement in Produktion und Logistik“.
- Reorganisation des gesamten Auftragsdurchlaufs nach Maßgabe der Bestandsaufnahme mit Unterstützung eines fachlich kompetenten Beraters.
- Einleitung eines Strategieprozesses der Geschäftsführung „Senkung der Komplexitätskosten durch Reduzierung der Variantenvielfalt – Erweiterung des bestehenden Baugruppenkonzeptes“
4. Mitarbeiterinteressen und Perspektive des Betriebsrats
Das Interesse der Mitarbeiter ist die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze auch in der Sättigungs- und Rückgangsphase des Marktsegmentes, in dem das Unternehmen sich bewegt. Der Betriebsrat kann sich nicht damit begnügen, alles weiter laufen zu lassen wie bisher. Will er Arbeitsplätze sichern, muss er darauf dringen, dass nicht nur kurzfristig die Mängel in der Auftragsbearbeitung angegangen werden, sondern dass sich das Unternehmen darüber hinaus auf die bevorstehende Marktrückgangsphase durch Kostensenkungen vorbereitet, die es in den erwartbaren Preiskämpfen überlebensfähig machen. Aber auch wenn das gelingt, wird sich eine Anpassung der Personalressourcen durch Abbau von Arbeitsplätzen nicht vermeiden lassen. Strategisch sind darüber hinaus Produktinnovationen erforderlich, mit denen das Unternehmen sich in (angrenzenden) Marktsegmenten mit Wachstumspotenzial positionieren kann.
Besonderer strategischer Fokus des Betriebsrats: In einer strategischen Personalplanung die Entwicklung der Personalressourcen so vorzusteuern, dass rechtzeitig sowohl ein sozialverträglicher Personalabbau, als auch die notwendigen Kompetenzerweiterungen durchgeführt werden können.
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