Trend: Wellness und Gesundheit
Christoph Creutzburg, PROJECT M GmbH
Gesundheitsurlaub liegt im Trend: 2009 zählte die Reiseanalyse Urlaub + Reisen rund vier Millionen Urlaubsreisen als Gesundheitsurlaub. Bis 2020 wird ein Anstieg auf ca. sieben Millionen erwartet. 2010 zeigen bereits 19 Prozent der Deutschen Interesse an einem Wellnessurlaub in den nächsten drei Jahren, 15 Prozent an einem Gesundheitsurlaub, 13 Prozent an einer Kur im Urlaub und neun Prozent an Fitnessferien. Interessant ist auch die hohe „weiche“ Bedeutung, die das Reisemotiv Gesundheit im Urlaub hat: Für 36 Prozent der Deutschen ist „etwas für die Gesundheit tun“ im Urlaub „besonders wichtig“.
Gesundheitstourismus – ein Markt im Wandel
Mehrere bedeutende Einflussfaktoren prägen die künftige Nachfrage nach gesundheitstouristischen Leistungen. Zum Einen vollziehen sich Veränderungen auf der Nachfrageseite: Demografischer Wandel und die Veränderung der Lebensstile beeinflussen die Zahl potenzieller Kunden – Stichwort „LOHAS“: Die Ausrichtung des Lebensstils auf Gesundheit und Nachhaltigkeit wird bei immer mehr Menschen zu einem vorherrschenden Lebensstil. Und die potenziellen Kunden nehmen damit Einfluss auf die erforderliche Art gesundheitstouristischer Leistungen. Zum Anderen entstehen durch den medizinisch-technischen Fortschritt neue gesundheitliche Angebote, wodurch sich wiederum neue Möglichkeiten ergeben, tourismusnahe Produkte zu gestalten.
Chance demographischer Wandel
Der demographische Wandel nimmt maßgeblichen Einfluss auf den Gesundheitstourismus. Bedeutsam ist vor allem der Bevölkerungszuwachs bei den über 65-Jährigen, der sich in den kommenden Jahren vollziehen wird. Die weitere Zunahme alterstypischer Erkrankungen ist signifikant, wie folgende Beispiele zeigen: Bis 2030 gehen Experten von einer deutlichen Zunahme altersbedingter Krankheitsbilder aus, z. B.: Apoplex (Schlaganfall) um 46 Prozent, Demenz um 63 Prozent, Diabetes und Folgeerkrankungen um 30 Prozent, Herzinfarkt um 51 Prozent, Krebs um 34 Prozent, Oberschenkelhalsfraktur um 50 Prozent; Rheumatoide Arthritis um 25 Prozent. Hierdurch gewinnen gesundheitlich „sichere“ Angebotsformen an Bedeutung: Barrierefreiheit wird zur Pflicht, begleitende Gesundheitsservices und sogar medizinischtherapeutische Überwachung im Urlaub nimmt im Angebotsportfolio einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Der Bedarf an Urlaubsangeboten, die trotz chronischer Erkrankung wahrgenommen werden können, steigt. Auch die zunehmende Diagnose altersunabhängiger Erkrankungen wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten bietet die Möglichkeit, neue Produkte zu entwickeln.
Vielfältige Angebote mit einem Ziel: Sich gesund und wohl fühlen
Die eingangs zitierten Interessen der Reisenden verdeutlichen: Für den einen zählt schon das entspannte Wandern in unberührter Natur oder der Besuch der Wellnessoase im Hotel zur Gesundheitsvorsorge, der andere will seine persönliche Performance verbessern, sei es durch kosmetische Behandlungen, kosmetische Chirurgie oder gezieltes Training in einer Sportart. Heute drehen sich viele Angebote darum, „Prävention“ gegen- über Altersbeschwerden und Attraktivitätsverlust zu betreiben. Ein Trend, der sich zukünftig unter dem Motto Better-Aging statt Anti-Aging verstärken wird.
Eine andere Qualität erhält der Gesundheitstourismus, wenn Programme der Sekundär- oder Tertiärprävention dienen und somit für Menschen mit einer Diagnose gedacht sind, beispielsweise bei chronischen Erkrankungen. Angebote, die über die Barrierefreiheit hinaus die besondere Bedürfnislage bei ausgewählten Erkrankungen in einem urlaubstypischen Ambiente berücksichtigen, haben künftig eine große Chance. Gefragt sind beispielsweise Spezialisierungen auf bestimmte Krankheitsbilder (Indikationen) – immer entsprechend der Möglichkeiten vor Ort. Touristische Leistungsträger haben hier besonders gute Möglichkeiten, Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, wenn sie mit Partnern kooperieren, z.B. aus den Bereichen Fitness, Medizin und anderen Dienstleistern der Gesundheitswirtschaft. Traditionell arbeiten in der Tourismuswirtschaft Unternehmen verschiedener Branchen erfolgreich zusammen, neu ist die Ausschau nach Partnern aus bisher weniger beachteten Wirtschaftszeigen wie die Medizintechnik.
Der „Neue Gesundheitstourismus“: Quo vadis?
Der Gesundheitstourismus bietet aufgrund des demografischen Wandels, neuer Altersbedürfnisse, neuer Lebensstile und neuer Bedürfnislagen große Chancen. Für die gesundheitstouristischen Anbieter bedeuten die enormen Potenziale aber keine „Wachstumsgarantie“. Kundenorientierung und Alleinstellung sind in einem umkämpften Markt wichtiger denn je. Thesenartig zusammengefasst beschreiben folgende Punkte die künftige Entwicklung des „Neuen Gesundheitstourismus“:
Gesundheitstourismus …
- gehört künftig zum selbstverständlichen Angebot jeder Urlaubsdestination – Sicherheit, Komfort, Barrierefreiheit werden vor allem bei älteren Zielgruppen bedeutender.
- wird zunehmend differenzierter – Bietet reiche Möglichkeiten der Spezialisierung auf Subthemen und Ausbildung von Alleinstellungsmerkmalen (z. B. nach Indikationen).
- fordert neue Kombinationen und Paketangebote, die über den Aufenthalt hinaus gehen – die Verbindung Urlaub und Wohnumfeld.
- ist zunehmend medizinisch-therapeutisch abzusichern – Messbare Ergebnisse und Wirkungsnachweise sind gefragt.
- wird indikationsorientierter – Primärprävention wird deutlich medizinischer und wird langfristig in Bedeutung von Sekundär-/Tertiärprävention abgelöst.
- wird nachhaltiger – Vorsorgeuntersuchungen, Gesundheitschecks sowie Coachingangebote mit Ziel Lebensstiländerung, Leistungsfähigkeit, Altersbeschwerden, -krankheiten und Attraktivitätsverlust werden immer bedeutender.
- braucht Anbieternetzwerke zwischen professionellen Gesundheitsdienstleistern und der Hotellerie, Fitnessanbietern und Ärzten, etc.
- benötigt zielgruppenspezifische Vertriebswege.
Praxisbeispiele
Spezialisierung auf Indikationen
- Das Smaragdhotel Tauernblick in Österreich ist zertifizierter Partnerbetrieb im Verein Hohe Tauern Health. Es bietet Gesundheitsurlaub für Allergiker und Asthma-Kranke mit Eingangs- und Abschluss-Check durch einen Arzt, eine allergikerfreundliche Atmosphäre, allergenarme Zimmer mit geringer IndoorFeinstaubbelastung. Das Küchenpersonal ist speziell für Bedürfnisse von Allergikern und Asthmatikern geschult. www.tauernblick.at Ähnliches funktioniert auch in der Stadt: Das 4-Sterne Hotel centrovital in Berlin verbindet Gesundheitschecks, Prävention und fachärztliche Betreuung bei Herzerkrankungen und Bluthochdruck mit Sightseeing, Kultur, Wellness und Unterhaltung. www.centrovital-berlin.de
- In Kooperation mit dem Medikamenthersteller Novo Nordisk Pharma AG positioniert sich das Schweizer Hotel Valbella Inn (Lenzerheide) als Diabetes Prophylaxezentrum und bietet spezielle Schulungswochen für Betroffene und ihre Angehörigen an, begleitet von Fachärzten und Ernährungsberatern.
- Die Verbindung von Wandern mit gesundheitlichem Mehrwerten setzen die „TeutoVitalWanderwelt“ (Teutoburger Wald) oder die „GesundheitsPfade Wanderherz“ (Bad Rothenfelde/Osnabrücker Land) um, die sich auf Herz-Kreislauf-Indikationen, teilweise gekoppelt mit technischen Innovationen im Bereich der Telemedizin, fokussieren. Hier können Gäste trotz gesundheitlicher Risiken besondere Wandererlebnisse genießen. www.vitalwanderwelt.de, www.schuechtermann-klinik.de
Wellness und Gesundheit als Leit-Lebensstil
- Die psychische Gesundheit steht im Zentrum bei den Pauschalen „Integratives Coaching“, die Kooperationspartner in den Ammergauer Alpen zusammengestellt haben. In Kursen können die Gäste mit qualifizierten Coaches lernen, ihren „Alltag zu entrümpeln“, die Natur gegen den Stress einzusetzen und ihre eigenen Potenziale besser zu nutzen. Ergänzt wird das Coaching durch Wanderungen, z. B. auf dem Meditationsweg Ammergauer Alpen. www.ammergauer-alpen.de
Info |
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Mehr Informationen zum Thema finden Sie auf den Internetseiten „Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland - Handlungsempfehlungen zur Entwicklung und Implementierung erfolgreicher gesundheitstouristischer Angebote“. Ziel des bundesweiten Projekts ist es, gesundheitstouristische Marktpotenziale aufzuzeigen, Best Practice-Beispiele vorzustellen, Innovationen zu erklären und Erfolgsfaktoren im Gesundheitstourismus zu verdeutlichen. Es handelt sich um ein Projekt des Deutschen Tourismusverbandes e.V., unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als Zuwendungsgeber. |
- © gerlinde / Photocase – 281-strandkorb-fuesse.jpg