II.II Die Tools: Leistungsspektrum und Grenzen
II.II Die Tools: Leistungsspektrum und Grenzen
Auf Grundlage der Eingrenzung der wichtigsten Wissensgebiete und der Einschätzung zu den jeweiligen Wissensarten können die geeigneten Tools ausgewählt werden. Einige Tools eignen sich nach der obigen Beschreibung besser für den Umgang mit Wissen/ implizitem Wissen und andere für Daten/ Informationen/ explizitem Wissen.
Die Instrumente, Methoden oder Verfahren im Umgang mit Wissen können von einer Softwareanwendung (wie Suchmaschinen, Unternehmenswikis) bis hin zu einer moderierten Großgruppenmethode (wie einer Open-Space-Veranstaltung) reichen. Selbst die übliche Regelkommunikation wie der "Jour-Fixe" kann ein Instrument zur Steuerung von Wissen sein. Für die Praxis ist es notwendig zu wissen, für welche Haupteinsatzbereiche und für welche Wissensarten sich die Instrumente eignen.
Wissensarten und Instrumente
Wichtig ist, dass im "Hintergrund" der Instrumentenauswahl die beschriebenen Arten des Wissens nicht vernachlässigt werden, da so erst die geeigneten Instrumente für die jeweilige Aufgabenstellung ermittelt werden können. Anhand der Wissensarten lässt sich entscheiden, ob schwerpunktmäßig eher
Personalisierungsstrategien, sogenannte "people-to-people Tools", die sich eher zur Sicherung von implizitem und Erfahrungswissen eignen und/ oder
Kodifizierungsstrategien, sogenannte "people-to-document Tools", die sich gut zur Dokumentation von Daten, Informationen und explizitem Wissen eignen) zum Einsatz kommen müssen.
Beispiele…
Für das vorrangegangene Beispiel des Einkäufers des norddeutschen Maschinenbauunternehmens empfiehlt sich der Einsatz der Kodifizierungsstrategie, da sich die Kenntnisse über die Anlagen und Produktionsprozesse der Zulieferer gut in Dokumenten, Wiki-Artikeln oder anderen Medien verschriftlichen lassen. Die nachfolgenden Kollegen können so darauf zurückgreifen und auf dieser Grundlage die Preisverhandlungen führen. Beispiele für die passenden Tools und Methoden sind in der folgenden Übersicht aufgeführt.
In einem anderen Unternehmen ist der in Kürze ausscheidende Chefkonstrukteur in der Lage, anhand eines Prototyps oder einer Entwurfszeichnung mit wenigen Blicken zu erkennen, ob das Gerät eine reelle Chance zur Marktreife im gegebenen Kostenziel hat. Auch in diesem Beispiel hat das Wissen Auswirkung auf die Kosten des Unternehmens, da so, Fehler, die erst bei der Produktion aufgetreten wären, bereits im Entwurfsstatus beseitigt werden können. Dieses über viele Jahre aufgebaute Erfahrungswissen des Konstrukteurs lässt sich nur bedingt schriftlich dokumentieren. Sein Wissen muss daher potenziellen Nachfolgern über die Instrumente der Personalisierungsstrategie zur Verfügung gestellt werden. Beispiele für Tools und Methoden finden sich in der Abbildung 7.
Einsatzbereiche der Instrumente
Die Unterscheidung der Einsatzbereiche Wissen erzeugen, Wissen verteilen und Wissen sichern ist ebenfalls bei der Auswahl hilfreich, indem sie die jeweiligen Einsatzmöglichkeiten der Instrumente verdeutlicht. Je nach gewünschter Zielstellung des Vorhabens, bieten sich schwerpunktmäßig verschiedene Tools an. Jedoch sind die Grenzen durchlässig und die Instrumente nehmen in der Praxis oft mehrere Aufgaben war und lassen sie sich mehreren Einsatzbereichen zuordnen. Beispielsweise dient das Instrument "Beraterverträge" (ausgeschiedene Experten werden über Beraterverträge an das Unternehmen gebunden.) in erster Linie der Wissenssicherung, da die ausgeschiedenen Experten ihr Wissen weiterhin in das Unternehmen einbringen können. Jedoch kann das Instrument "Beraterverträge" ebenso der Wissensverteilung dienlich sein, wenn die ausgeschiedenen Experten ihr Wissen an ihre Kollegen weitergeben. Die Zuteilung in der Instrumentenliste bildet daher lediglich den Haupteinsatzbereich der einzelnen Tools ab.
Auswahl, Anwendung und Kombination
In der Praxis müssen die Methoden und Tools jedoch oftmals kombiniert werden. Für das Unternehmen aus der Elektroindustrie (siehe Beispiel für Werkzeug "Wissensarten und -verfügbarkeit" auf Seite 20) ist zur Sicherung des Prozesswissens entschieden worden, Interviews mit Herrn Müller durchzuführen und die Ergebnisse in strukturierter Form in einer Datenbank abzulegen (Kodifizierungsstrategie). Gleichzeitig stoßen diese Tools an klare Grenzen, wenn das Anlage-und das Kundenwissen der Schlüsselkraft gesichert werden sollen. Ein Teil dieser Wissensgebiete kann durchaus dokumentiert und ebenfalls in einer Datenbank abgelegt werden – was immer auch getan werden sollte.
Für die impliziten und nicht dokumentierbaren Anteile sind für diese Wissensgebiete Lerntandems (mit einem zuvor ausgewählten Nachfolger) und Projektdebriefings ausgewählt worden – also Tools der Personalisierungsstrategien. Warum? Weil in den Debriefings die Erfahrungen der Schlüsselkraft ausgetauscht und dem gesamten Team zugänglich gemacht und in dem Lerntandem konkret durch den Nachfolger aufgebaut werden können. Am Beispiel des Anlagenwissens von Herrn Müller muss in Erinnerung gerufen werden, dass Wissen durch das Zusammenspiel von Informationen und Praxis entstanden ist. In anderen Worten: Das Wissen lässt sich nicht im herkömmlichen Sinne übertragen oder sichern. Daher müssen also Möglichkeiten zur praktischen Anwendung durch einen Nachfolger geschaffen werden (z.B. Lerntandem, begleitete Anwendung beim Kunden), damit er das geschäftsrelevante Anlagenwissen überhaupt (neu) aufbauen kann.
An einem Beispiel soll dies nochmals erläutert werden: Wenn wir das Kochbuch eines Spitzenkochs aufschlagen und ein Rezept nachkochen wollen, sind wir weit von seinem Wissen entfernt – auch wenn das Buch reichlich explizites Wissen enthält. Seine Erfahrung, sein weit reichendes Hintergrundwissen über Lebensmittel und sein erarbeitetes Können werden beim Kauf des Buches nicht mitgeliefert, sie müssen erst entwickelt werden. Für den Aufbau und die Entwicklung eines adäquaten Nachfolgers (der beispielsweise das Anlagenwissen von Herrn Müller aufbauen soll) müssen jedoch entsprechende Vorlaufzeiten berücksichtigt werden – bei einem Spitzenkoch können das viele Jahre sein. Diese Zeit kann jedoch deutlich verkürzt werden, wenn ein gutes Kochbuch und ein erfahrener Koch als Lehrer zur Verfügung stehen. Hier kommen also Personalisierungsstrategien (Unterstützung durch den erfahrenen Koch) und Kodifizierungsstrategien (gutes Kochbuch und Rezepte) zusammen.
Eine Übersicht zum Überblick über alle WM-Tools und Methoden findet sich im Anhang (eine ausführliche Beschreibung der Tools und Methoden kann dem Anhang des entsprechenden pdf-Dokuments des Leitfadens entnommen werden).
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