Change-Management für kleine und mittlere Unternehmen
Verantwortungsvolle Unternehmensführung muss die Grundlagen des Erfolgs permanent hinterfragen, das Geschäft von der Zukunft aus denken und nicht einfach eine erfolgreiche Vergangenheit kopieren.
I: Innovationsschub, Digitalisierung, Internationalisierung, neue Geschäftsmodelle
Change-Management ist in dreierlei Hinsicht anders als früher. Erstens hatten wir früher noch lange Zeiträume, um uns auf Dynamiken einzustellen. Heute müssen wir vor allem in der Umsetzung viel schneller sein. Acht Jahre Bankgeschäft in den sechziger Jahren waren eine unspektakuläre, konstante Periode ohne große Turbulenzen. Wenn wir die acht Jahre nach dem Crash von Lehman 2008 verfolgen, so hat sich im Banking fast alles verändert. Zweitens: Waren früher noch Produkte, Dienstleistungen oder Organisationen isoliert in Veränderungsprozessen, so betrifft dies heute das gesamte Geschäftsmodell. Will ein mittelständischer Maschinenbauer beispielsweise verstärkt in die industriellen Dienstleistungen einsteigen, so verändert dies nicht nur den Service, sondern Einkauf, Entwicklung, Fertigung, Personalentwicklung und nicht zuletzt die Unternehmenskultur. Drittens konnte früher noch ein überschaubarer Personenkreis große Veränderungen bewirken. Heute werden meistens sehr viele Wissens- und Entscheidungsträger benötigt, um die richtige Lösung auszuarbeiten und dann umzusetzen. Wenn sich etwa ein Unternehmen in die digitale Welt weiterentwickeln möchte, dann werden praktisch alle Kompetenzen und Erfahrungen der Mitarbeiter und Führungskräfte benötigt.
II: Welche sind nun die Orientierungsgrößen für Veränderung?
Erfahrene Unternehmer wissen, dass sie sich nicht auf die operativen Zahlen des Finanz- und Rechnungswesens verlassen können. Sinkende Gewinne und Verschlechterung der Liquidität sind natürlich Auslöser für Veränderungen. Allerdings ist es dann meistens zu spät, weil Zeit zur Korrektur fehlt. Folgende Fragestellungen können helfen, die Veränderungsnotwendigkeit des Unternehmens zu beurteilen und frühzeitig aktiv zu werden:
- Verändert sich der Kundennutzen, d. h. das, wofür der Kunde eine Rechnung bezahlt?
- Treten neue Wettbewerber in unser Geschäft ein, insbesondere solche aus anderen Branchen oder echte Start-ups?
- Beginnen sich Märkte zu sättigen bzw. sich in echte Preismärkte zu verwandeln?
- Sind wir mit neuen Fähigkeiten konfrontiert, die wir beherrschen müssen?
- Werden wir langsamer, komplizierter, umständlicher bzw. sind wir zu sehr erfolgsverwöhnt?
- Haben wir eine Kultur der Veränderungsbereitschaft, der Leistung und des Vertrauens?
- Sind wir offen und hinterfragen regelmäßig unseren Erfolg?
- Erkennen wir rechtzeitig neue Entwicklungen und sind wir schnell in der Umsetzung?
Mit diesen Fragen kann beurteilt werden, ob eine Transformation notwendig ist, das heißt ein Übergang von der heutigen „Alten Welt“ in eine „Neue Welt“. Dieser Schritt ist deswegen so schwierig, weil wir unsere Gewohnheiten haben und die alte Welt immer noch funktioniert. Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) haben gerade in der heutigen Zeit eine riesige Chance, und die liegt in ihrer Unternehmensgröße. KMU bedeutet im Rahmen des Change-Managements: kundenorientiert, mobil, unkompliziert. Das sind die Eigenschaften, die in Phasen von Marktdynamik und Transformation gefordert sind.
III: Die unternehmerische Gleichung des Change-Managements lautet „Dynamik des Marktes = Dynamik des Unternehmens“
Dies bedeutet, dass die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens mindestens so groß sein muss wie die des Marktes. Ansonsten fällt es zurück, wird überholt und bleibt in der Alten Welt stecken. Echte, große Veränderungen haben immer mit Verantwortung und Vertrauen zu tun. Beides entsteht über Zeit.
Verantwortung für ein Unternehmen, für eine Abteilung und generell für Menschen zu übernehmen heißt, langfristig zu denken. Mitarbeiter haben ein sehr feines Gespür, ob die Unternehmensspitze nur an Geld und Status orientiert ist oder an einem dauerhaften Geschäft. Und nur so entsteht auch dasjenige Vertrauen, das notwendig ist, gemeinsam das Unternehmen zu verändern.
Prof. Dr. Roman Stöger ist Professor für Strategisches Management an der FH Kufstein und Associate im malik management zentrum st.gallen. Er ist seit 20 Jahren in Projekten für Industrie, Handel, Finanzdienstleister bzw. Nonprofit-Organisationen im Einsatz und hat zahlreiche Bücher und Artikel zu den Themen Digitalisierung, Strategie, Innovation, Organisation, Produktivität und Führung geschrieben.
Kontakt: roman.stoeger(at)fh-kufstein.ac.at
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