Organisationsberatung ohne Rezepte Oder: Was braucht der Mittelstand wirklich?
Wer das falsche Problem gut löst, ist schlechter dran als der, der das richtige Problem schlecht löst.
Mit guten Gründen sind Mittelstand oder Firmeninhaber oft gegen Beratung skeptisch bis allergisch. Instinkt und Erfahrung lassen sie gegenüber schnellen Rezepten (vom grü- nen Tisch), Lösungen auf der Grundlage von „Best practice“ und Versprechungen aller Art vorsichtig sein. Unternehmer sind noch „verrückt“ genug, ihre Entscheidungen nicht an den Rechnungen von Unternehmensberatern auszurichten, sondern mit Weisheit und Gespür für die Lage und die Zukunft zu agieren.
Und dennoch – das Managen von Unerwartetem, das Erkennen von musterunterbrechenden Innovationen am Markt, das Sich-in-Frage-Stellen trotz viel Kompetenz, das Ernstnehmen von Selbstgefährdungspotentialen durch den vergangenen Erfolg: All das geht mit Beratung, die weiß, was sie tun kann und was nicht, besser. Bisweilen geht es allein gar nicht. Oft ist es gerade der vergangene Erfolg, der für eine andersgeartete Zukunft blind macht.
Beratung ist in dynamischen Zeiten für den Mittelstand dann wirksam, wenn sie nicht primär die Probleme der Gegenwart bearbeitet, sondern mehr die Problembearbeitungsfähigkeit für künftige Probleme im Blick hat. Je mehr die Zukunft sich von der Gegenwart unterscheidet, desto entscheidender ist das. Kunden ist dann geholfen, wenn sie nach Beratung besser darin sind, für Probleme Lösungen zu finden, die sie noch gar nicht kennen, weil es die Probleme von morgen und übermorgen sind.
Woran kann man nun Berater und Beratungsansätze erkennen, die für eine unbekannte Zukunft ertüchtigen?
Die Beratung verzichtet konsequent auf Rezepte und standardisierte Vorgehensweisen.
Wer Rezepte einkauft, kauft von der Stange. Wer sich prospektierte Leistungen verkaufen lässt, bekommt Besserwisserei und eben Verkäufer, nicht Berater. Was für andere richtig war, muss nicht auf einen selbst passen. Berater können daher immer erst nach (!) dem Kennenlernen des Unternehmens wissen, was nötig ist.
Die Beratung achtet primär darauf, wie und wann sie etwas anwendet, nicht nur auf das, was sie tut.
Die Abneigung gegen die Arroganz klassischer Unternehmensberater ist im Mittelstand verbreitet. Herauszufinden, wie ein Berater kommuniziert, wie er zuhört, welche Akzeptanz er bei den Mitarbeitern findet, ist daher ganz besonders wichtig. Wie formuliert er Kritisches, Unliebsames? Ist er wirklich unabhängig oder nistet er sich im Unternehmen ein?
Die Beratung klärt die Frage: Wo schränkt der Kunde seine Freiheit zu wählen ein?
Wenn sich etwas verändern soll, muss man überprüfen, welche Entscheidungen, künftig anders entschieden werden müssen. Eingespielte Routinen, unbekannte andere Möglichkeiten, erprobtes Know-how garantiert Kompetenz. Beratung hilft herauszufinden, wo ein Unternehmen selbstverliebt in unpassend gewordene Lösungen ist und sich mit neuen, verunsichernden anderen Möglichkeiten beschäftigen muss.
Die Beratung erarbeitet mit dem Kunden ein Verständnis davon, wie er seine Freiheit einschränkt.
Das Aufgeben von Freiheitschancen kennt viele Wege: Abwerten („Neumodisches Zeug!“), Alternativen leugnen („Das muss man so tun!“), für untauglich halten („Das ist nichts für uns!“), sich für kompetent halten („Das funktioniert so nie!“), Ängste leugnen („Ich habe das alles im Griff!“), Illusionen pflegen („Das kommt nicht so schnell/ schlimm!“) sind einige der häufigsten. Hier braucht es einen Berater, der unerschrocken bleibt.
Die Beratung weiß, dass jede Handlung immer Nachteile hat oder auch Schäden hervorruft.
Wer etwas verbessert, macht etwas anderes so gut wie immer schlechter. Darum haben Veränderungen in Unternehmen nie nur Freunde, sondern immer auch berechtigte Gegner. Zu jeder Wahrheit ist auch das Gegenteil wahr. Gute Beratung achtet also immer auch auf die unerwünschten Wirkungen dessen, was neu gemacht wird.
Die Beratung weiß, dass Veränderung immer Widerstand erzeugt, weil Prozessmusterwechsel die Stabilität des Bisherigen gegen sich haben.
Wer Beratung sucht, hat immer etwas bislang richtig gemacht (sonst könnte er sie sich gar nicht leisten). Das (alte) Richtige kommt somit immer in Konkurrenz mit dem (neuen) Richtigen. Daraus folgt Instabilität und Verunsicherung. Widerstand gegen Neues ist immer ein gutes Zeichen, weil es ein Hinweis darauf ist, dass das Neue wirklich neu ist und das Alte sich ernst nimmt.
Fazit
Mittelstandsgerechte Beratung erfordert ein Vorgehen, das mit mehrwertiger Logik – also mehreren richtigen Lösungen auf ein Problem – arbeitet. Solche Berater nutzen ein Denken und Handeln in Prozessschritten und ein kontinuierliches Auswerten von verborgenen, impliziten Gründen und Motiven. Dann entdeckt man in Beratungsprozessen nie nur lautere Motive, sondern viele Ängste, Sorgen und Nöte. Ohne eine Beschäftigung damit ist nachhaltige Veränderung in komplexen Verhältnissen nicht zu haben. Es braucht Vertrauen, Durchhaltevermögen, die Bereitschaft sich mit Schmerzlichem, Unangenehmem abzugeben und den Willen, die eigenen Fehler zu entdecken.
Klaus Eidenschink | Organisationsberater, Coachingausbilder, Exekutive-Coach, Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching e. V. (DBVC), Mitglied des Präsidiums im DBVC | Studium der Theologie, Philosophie und Psychologie, Verheiratet, 2 erwachsene Töchter | Gründer und Leiter von „HEPHAISTOS, Coaching-Zentrum München“, Ausund Fortbildungsgänge für Trainer und Berater | in der Geschäftsleitung des Gestalttherapeutischen Zentrums Würmtal | Betreiber des Beratungsportals „Metatheorie der Veränderung“
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