Kompetenzen
Digitalkompetenz
Nie zuvor gab es so viele Informationen wie aktuell, die ausgewertet, verarbeitet und mit einem 360-Grad-Blick versehen werden wollen. Ihnen soll – statt nach dem bekanntem Rezept langer Analyse und langfristiger Planung – mit viel Kreativität, Geschwindigkeit und klarem Fokus auf digitale Möglichkeiten begegnet werden. Führungskräfte müssen ihre Aufmerksamkeit als bewusste Ressource wahrnehmen und viel gezielter einsetzen. Wie können Probleme digital bearbeitet, Prozesse digitalisiert und Bedürfnisse mit Hilfe von digitalen Prozessen befriedigt werden? Diese Frage lässt sich nur im Rückgriff auf die Führung selbst beantworten: Sind wir als Führungsmannschaft überhaupt antwortfähig? Sind wir vom Top-Management bis zur ersten Führungsebene überhaupt mit dem aktuellen Know-how zu den Implikationen der Digitalisierung ausgestattet? Diese Fragen mögen schon antiquiert anmuten, denn natürlich sind alle noch am Probieren und keiner hat wirkliche Gewissheit. Aber wie viel von dem, was wir wissen könnten, wissen wir tatsächlich? Das beginnt mit der Digitalisierungskompetenz ganz oben (Achtung: neue Asymmetrie!), geht über die Frage der strategischen Nutzung eigener und fremder Daten bis hin zu den innovativen Potenzialen des eigenen Geschäfts und der Weiterentwicklung des eigenen Marktes.
Die Verarbeitung von Information zu Produkten und Services muss iterativ erfolgen, unter Einbeziehung multidisziplinärer Teams und in kurzen, schnellen Zyklen. Lernen und Gelerntes gleich wieder verproben und die eigene „experience curve“ rasch nach oben entwickeln. Geschwindigkeit ist tatsächlich wichtiger als Perfektion. „Fail early to succeed sooner“ (David Kelley, Stanford) – damit tun sich vor allem klassische deutsche Mittelständer schwer.
Zukunftskompetenz
Allem voran braucht es ein attraktives Zukunftsbild, das motiviert, orientiert und die eigene Identität stimmig fortschreibt. Die klassische Vision hat ausgedient. Attraktive Entwürfe der eigenen Zukunft brauchen mehr Bodenhaftung, Menschennähe und tatsächlich gelebte Werte, um ihre Funktion zu erfüllen. Sie müssen auch offen bleiben, um Glaubwürdigkeit, Partizipation und Lust auf diese gemeinsame Geschichte zu machen. Nur so sind sie für die junge Workforce (und auch für die alte!) attraktiv. Führungskräfte müssen das Zukunftsbild verkörpern – und zwar im Alltag, nicht in Broschüren oder Bekenntnissen. Zukunftsbilder bleiben fest und dienen als Entscheidungshilfe, wenn trotz großer Datenmenge keine faktenbasierte Entscheidung möglich ist. Und weiterhin bleiben Intuition und Erfahrung der Führungskräfte gefragt.
Ambiguitätstoleranz
Es braucht eine gewisse Demut vor dem, was möglich ist. Es ist zu akzeptieren, dass man nicht alles wissen, nicht alle Fakten kennen kann, um sicher zu entscheiden. Dafür gibt es die Intelligenz von vielen und die oben erwähnte Intuition. Dieser zu folgen, benötigt das Vertrauen und die Einsicht, dass es keine Schwäche ist, sich aufgrund neuer Erkenntnisse anders zu entscheiden, sondern dass Flexibilität und Responsivität auch den entscheidenden Vorsprung verschaffen können.
Kommunikations- und Kontext-Gestaltungs-Kompetenz
Führung muss sich selbst neu bemächtigen, indem sie tut, was nur Führung tun kann und das ist die kluge Vorgabe von Kommunikationswegen. Es geht also um Kontextgestaltung innerhalb und außerhalb der Organisation. Das heißt aber auch, die bestehenden Asymmetrien (Wissensverteilung, Zuständigkeiten, Netzwerke) neu zuzuschneiden und neue Rollen zu etablieren. Hier bestehen vor allem für traditionelle, gut strukturierte Unternehmen vielfältige Möglichkeiten. Anders als zum Beispiel Startups, die sich aufgrund zu vieler enger Bindungen und Freundschaften häufig in Beziehungsdilemmata verstricken (Wassermann 2012), können etablierte Unternehmen auf distanziertere Beziehungsstrukturen zurückgreifen, die potenziell eine flexiblere Kommunikationsgestaltung ermöglichen.
Was ist also zu tun? – Praktische nächste Schritte
Eine kraftvolles, geteiltes Zukunftsbild etablieren und emotional verankern
Starke Führung muss also einen nicht-hierarchischen, aber sehr wohl unternehmerischen Lösungsprozess auf Basis eines kraftvollen Zukunftsbildes organisieren. Natürlich ist eine Verortung in den aktuellen Trends und erfolgreichen Grassroot-Bewegungen sinnvoll. Anstatt sich aber nur an anderen zu orientieren, ist auch die Frage sinnvoll, welchen Trend man auf Basis der in der Unternehmensgeschichte entwickelten Stärken, der Analyse der eigenen Daten und des Wissens vom Markt selbst auslösen könnte. Mit einem Middle-Top-DownApproach kann hier viel erreicht werden.
Entscheidungsprozesse gemeinsam reflektieren und neu organisieren
Will man die eigene Organisation wirklich verändern, so kommt man nicht umhin, die bisherigen Entscheidungsprozesse neu zu gestalten. Hilfreich ist zunächst, sich auf die „Mittelklasse“-Entscheidungen zu konzentrieren. Es geht dabei weniger um die großen strategischen Entscheidungen, als vielmehr um gelungene Rahmensetzung im kleineren Stil. Hier können vor allem Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleiter ihren Gestaltungsspielraum ausschöpfen. Dazu braucht es die oben erwähnte Verankerung der generellen Richtung, des Zukunftsbildes in den Herzen der Mitarbeiter. Dabei ist nicht die charismatische, personifizierte Führung anzustreben, vielmehr müssen attraktive Settings für effektive Selbstorganisation geschaffen werden.
Sichere Räume für Innovation und Exploration etablieren
Für Innovation und Exploration muss man nicht ins Sillicon Valley oder nach Agilistan fahren. Die bessere und tiefere Erkundung des eigenen Marktes und des eigenen Business-Eco-Systems kann innovative Antworten auf die konkreten Probleme des organisationalen Umfelds bieten (Heitger & Serfass 2015). Wir haben mit mehreren Kunden die Erfahrung gemacht, dass gut vorbereitete und tief in die eigene DNA eingreifende Learning- und Innovation-Journeys zu befreundeten oder auch rivalisierenden Partnerunternehmen den vielbeschworenen Blick über den Tellerrand ermöglichen. Sie können tatsächlich neue strategische Ausrichtungen oder auch nur entscheidende Akzente in der Produktentwicklung auf den Weg bringen. Innerhalb des eigenen Unternehmens ist es wichtig, die Performanz von Silos gezielt zu fördern und Mitarbeitenden Möglichkeiten zu geben, Erfahrungen in völlig anderen Bereichen zu sammeln.
Die Organisation flexibel gestalten, in kurzen Zyklen arbeiten, antwortfähig sein
Die Einführung von agilen Strukturen im Alltag – und das in einem angemessenen, zur Organisation passenden Maße – ist ein wichtiger Schritt für die Gewährleistung der Beweglichkeit des Unternehmens. Dabei geht es nicht darum, dem Lehrbuch zu folgen und alles auf agil umzustellen, vielmehr können Modelle und Methoden dort angewendet werden, wo sie sinnvoll sind und zu den Mitarbeitern passen. Das richtige Maß muss gut erforscht werden, dafür braucht es gegebenenfalls anfängliche Qualifizierung und Begleitung. Der Schritt in Richtung Agilität ist jedoch zentral dafür, auf den Markt reagieren zu können: Richtungen festlegen, Schritte offenhalten, reflexiv und in kurzen Iterationen arbeiten und damit flexibel auf Veränderungen in der Umwelt antworten können.
Identität wahren, ehren was war, sich auch mal von etwas verabschieden, aber dankbar
Es geht nicht darum, Explore zu verherrlichen und Exploit zu negieren. Beide Seiten sind essenzieller Bestandteil der Führung, beide haben ihre Berechtigung, beides ihre Notwendigkeit – auf die Dosis und eine gute Balance kommt es an. Es braucht Stabilität und Innovation, eine kraftvolle Basis und ein luftiges Ideenmanagement, klare Strukturen und Freiräume, in denen Neues entstehen kann. Beiden Richtungen entsprechende Relevanz zu verschaffen und damit sowohl die Wurzeln als auch die Flügel zu stärken – das ist das angestrebte Ziel.
Gute Orte für Mitarbeitende schaffen, in denen diese ganzheitlich wahrgenommen werden und wirksam sein können
Das Thema Mitarbeiter-Zufriedenheit muss Karriere machen: es gehört als Top-Thema auf die Agenda der „obersten Heeresleitung“(KPMG 2018) – denn die Menschen und ihr Engagement sind die wichtigsten Ressourcen jeder Organisation. Dabei geht es darum, den Mitarbeitern Räume zu schaffen, in denen sie sich sicher, erwünscht und gebraucht fühlen. Es gilt, das Gefühl zu vermitteln, dass sie als ganzer Mensch erwünscht sind, sich einbringen können und ihre Arbeit so gestalten können, dass sie produktiv und wirksam sein können. Nicht nur der rationale, funktionierende Mensch ist gefragt, auch sein Persönlichkeit, seine Emotionen – je mehr davon, desto mehr Initiative und Engagement ist zu erwarten.
Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die Führungsaufgabe Nummer eins dieser Tage.“ – Daniela Sommer –
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