Geschäftsideen dynamisch entwickeln
Neuland erkunden durch Kundennähe und agiles Projektmanagement gepaart mit einer gehörigen Portion Mut und Intuition.
RKW: Herr Herting, Ihr Unternehmen ist führend im Bereich Tribo-Akustik, könnten Sie uns bitte erklären, was damit gemeint ist?
Jens Herting: Ursprünglich ein Handelsunternehmen hat sich ZINS im Laufe der Jahre zu einem Spezialisten in Sachen Prüftechnik für Tribo-Akustik entwickelt. Wir bedienen damit eine absolute Nische, in der es weltweit wenig Wettbewerb gibt. Tribologie ist die Wissenschaft der Interaktion zwischen zwei Materialoberflächen. Daraus ergeben sich gewollte oder ungewollte akustische Phänomene: Wo und warum knarzt, rappelt oder quietscht es beispielsweise in einem Auto? Welche Reibgeräusche erzeugen zwei Textilien? Um das systematisch messen und objektiv bewerten zu können, entwickeln wir ständig neue Verfahren, Prüfstände und Dienstleistungen.
Wie kommen Sie zu den neuen Ideen?
Die Zeiten, in denen Kunden mit Entwicklungsanfragen auf uns zu kamen, sind eher vorbei. Wir sind sicherlich Querdenker – und gute Ideen ergeben sich in der Regel aus Gesprächen mit Kunden und Kooperationspartnern: Wo sind unerfüllte Bedarfe? Wo tut sich eine neue Marktnische auf? Und was davon könnte zu uns passen?
Ob Servicetechniker oder Vertriebsmitarbeiter – das Ohr in diesem Sinne immer am Markt zu haben, ist bei uns eine Aufgabe für jeden Mitarbeiter mit Kundenkontakt. Aber wir gehen auch ganz aktiv auf unsere Kunden zu, etwa indem wir Hausmessen organisieren oder Workshops.
Das hört sich so an, als hätten Sie eher zu viele Ideen als zu wenige …
Ja, das ist so. Diese Ideen aufzunehmen und in eine richtige Bahn zu lenken, ist Aufgabe von uns Geschäftsführern. Da ergänzen wir uns gut mit unseren Perspektiven und können Chancen erkennen, ohne uns dabei zu verzetteln.
Um die Mitarbeiter und deren Know-how einzubinden, setzen wir uns auch regelmäßig mit ihnen zusammen und prüfen gemeinsam im lockeren Gespräch die Ideen auf ihr Potenzial und ihre Machbarkeit.
Letztlich bleibt die Auswahl aber immer ein gutes Stück weit Intuition, Bauchgefühl und Erfahrung. Wir betreten mit unseren Verfahren und Produkten meist absolutes Neuland. Es handelt sich doch praktisch immer um Weltneuheiten – und ohne Vergleichsbasis lässt sich der Erfolg kaum seriös berechnen und prognostizieren.
Wie machen Sie aus Ihren besten Ideen den nächsten Markterfolg?
Da muss man natürlich gucken, wie man das finanziert und die Ressourcen bereithält. Dafür investieren wir ganz gezielt und langfristig in Forschung und Entwicklung, um auch in Zukunft neue Produkte auf den Markt bringen zu können.
Aber natürlich ist das auch anspruchsvoll für das Projektmanagement. Wir wissen zwar, wo wir hinwollen, aber der Weg dorthin ist sehr steinig und ganz schlecht zu planen. Da muss man häufig genug auch Sackgassen hinnehmen und einen Umweg suchen, um das anvisierte Ziel zu erreichen. Deswegen haben wir inzwischen gelernt, dynamischer als früher an die Sache heranzugehen und uns lieber viele kleine Zwischenziele zu setzen als größere langfristige. Dafür haben wir unsere Mitarbeiter auch geschult und entsprechende Planungssoftware angeschafft.
Ich glaube stark an die Bedeutung von Intuition, wenn es um die Entwicklung neuer Geschäftsideen geht.
Was bedeutet diese Arbeitsweise für Sie als Führungskraft?
Ich sehe meine Aufgabe darin, mit meinen Mitarbeitern zu kommunizieren, ihnen den Rücken freizuhalten und sie zu unterstützen, damit sie ihre Aufgaben bestmöglich erledigen können, auch die Fäden zusammenzuführen und sie in wichtige Richtungen weiterzuspinnen. Das gibt sowohl den Mitarbeitern Freiräume, um sich in einem definierten Rahmen zu entwickeln und auszutoben, als auch uns als Geschäftsführung, um uns regelmäßig und systematisch neben dem Tagesgeschäft mit strategischen Fragen zu befassen.
Das ist mir sehr wichtig, denn mein Sichtfeld wird im Tagesgeschäft immer enger und da brauche ich Gelegenheiten, es auch wieder zu öffnen. Dafür tausche ich mich gern mit Kunden, Mitarbeitern, anderen Unternehmern und Sparringspartnern aus und suche den Perspektivwechsel.
Was würden Sie anderen Unternehmen noch empfehlen, um vorne am Markt zu bleiben?
Meine Kernbotschaft wäre: Mehr Mut haben und sich auf seine Intuition verlassen. Ich glaube stark an die Bedeutung von Intuition, wenn es um die Entwicklung neuer Geschäftsideen geht. Zahlen, Daten, Fakten sind wichtig, aber man darf nicht zu akademisch an die Sache herangehen. Mehr Perspektiven verschaffen dabei einen größeren Blick aufs Ganze und eine sicherere Intuition für Entscheidungen. Und man darf nicht den Mut verlieren, immer wieder aufzubrechen, aber auch Schiffbruch zu erleiden. Es ist wichtig, rechtzeitig loslassen zu können, ein Scheitern zu akzeptieren und sich wieder neu aufzustellen – auch wenn es nicht einfach ist.
Herr Herting, vielen Dank für das spannende Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Unternehmen weiterhin viel Erfolg.
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