Tanz mit ungewissem Ausgang

Führen in modernen Organisationsansätzen

Moderne Organisationskonzepte – Sammelbegriff: New Work – bieten auf der Oberfläche gute Antworten zu praktischen Fragen im Umgang mit der steigenden Komplexität oder dem zunehmenden Bedarf an kreativen Lösungen. Doch damit ergeben sich auch veränderte Anforderungen an Führende und Geführte. Eine davon ist es, sich hierfür auf einen „Tanz mit ungewissem Ausgang“ einlassen zu können.

Dies gewinnt gerade dann an Bedeutung, wenn Unternehmen anspruchsvolle Märkte bearbeiten (müssen). Der Übergang von eher vertikal (Tendenz: überschaubare Massenmärkte) hin zu horizontal (Tendenz: schnell variierende und komplexe Märkte) strukturierten Teams, Abteilungen und Unternehmen beinhaltet weniger Hierarchie, mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe und mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten sowie die Erfordernisse gelungener Kooperation zwischen Menschen, die sich unterschiedlich gut kennen und mögen. Die Erfahrung zeigt, dass dies keine Selbstläufer sind! Führende und Geführte, müssen sich gleichermaßen, so die These, viel mehr als früher auf Unsicherheit und Ungewissheit einlassen können.

Dies ist zum einen für den professionellen Umgang mit geschäftlichen Entscheidungen von Bedeutung, da immer komplexere Märkte, Leistungsprozesse und weitere Faktoren nicht beherrschbar und teilweise auch nicht verstehbar sind. Dies kann dazu führen, dass (wichtige) Entscheidungen auf immer „wackeligeren“ Grundlagen getroffen werden müssen. Zum anderen erfordert die horizontale Zusammenarbeit deutlich mehr Abstimmung und Kooperation zwischen Menschen, was wiederum mehr Kommunikation bedarf. Sowohl die Komplexität des Geschäfts als auch mehr Kommunikation mit Menschen führen Führungskräfte zwangsläufig zur Unsicherheit, da beides kaum kontrollierbar und beherrschbar ist. Zwar ist in eher vertikal geprägten Strukturen auch nicht alles sicher beziehungsweise kontrollierbar, jedoch haben die Systeme (Hierarchie, Prozesse, Tools) die Freiräume der Menschen eingegrenzt und die Erwartungen an sie und ihre Leistungen präzisiert und so berechenbar gemacht. In horizontalen Strukturen ist es dagegen „offener“ und damit unsicherer, was die Menschen machen. Führungskräfte geben Verantwortung ab und wissen nicht, ob und was am Ende herauskommt. Gleiches gilt für die Bearbeitung von Konflikten, kreative Prozesse oder den Erfolg von Kooperation.

Führende können hier vor einem Dilemma stehen: Einerseits werden sie dafür bezahlt Verlässlichkeit für die Organisation herzustellen und andererseits sind die Prozesse offener und ungewisser als in vertikal geprägten Organisationen. Der „Tanz mit ungewissem Ausgang“ beschreibt dies. Um im Bild zu bleiben: Ging es früher eher um die gekonnte Ausführung der vorgegebenen Tanzschritte (Jive, Foxtrott, Walzer) geht es heute – beziehungsweise in horizontal geprägten Strukturen – eher um einen freieren improvisierten Tanz ohne vorgegebene Schrittfolge und mit mehreren Gegenübern. Eine wichtige Kompetenz für diesen Tanz ist das Zulassen und Annehmen von Unsicherheit. Dazu gehört auch das Loslassen von Tanzschritten beziehungsweise Tools, Prozessen, Vorgaben oder der vermeintlichen Sicherheit der Distanz und Kontaktlosigkeit, die eine Hierarchie bieten kann. Führungskräften denen es gelingt diese Ungewissheit „auszuhalten“, zu begrüßen und als Bestandteil erfolgreicher Führung zu sehen, können das Potenzial moderner Organisationsansätze besser nutzen und werden auch persönlich entlastet.

Die Frage nach der Wirksamkeit von Führung – egal ob in traditionellen oder modernen Organisationsansätzen – beantwortet sich unserer Erfahrung nach weiterhin in den drei Wirkfeldern erfolgreicher Führung: Management, Kontakt und Beziehung sowie Selbstführung. Auch wenn sie in herkömmlichen und modernen Ansätzen dieselben sind, steigt die Bedeutung der Wirkfelder Kontakt und Beziehung sowie Selbstführung in modernen Strukturen an.

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