5.4 WEFA Inotec GmbH, Singen
Die Firma WEFA Inotec aus Singen hat 70 Beschäftigte und stellt Werkzeuge her, die für die Metallumformung genutzt werden. So werden die Werkzeuge der Firma in Pressen zur Produktion von Zierleisten für Autos oder zur Herstellung von Duschkabinen genutzt. Das Unternehmen war mit zwei ProjektTeams beim Projekt Digiscouts® vertreten.
Das an dieser Stelle dargestellte Digiscouts®-Projekt wurde von einem Team Auszubildender aus gewerblichen und technischen Berufsfeldern durchgeführt. Ein Werkzeugmechaniker, ein Zerspanungsmechaniker und ein Technischer Produktdesigner entwickelten eine Bestellmaske für Zubehörteile zu Werkzeugen, die den Kundinnen und Kunden ihre Einkäufe vereinfachen und vor allem Fehlbestellungen vermeiden sollten. Das Projekt ist daher auf dem Handlungsfeld Vertriebskanäle anzusiedeln.
Ausgangspunkt und Durchführung des Projekts
Die Motive der Geschäftsführung, sich mit dem Unternehmen am Projekt Digiscouts® zu beteiligen, bestanden in der Förderung der Kompetenzen der Auszubildenden und der Organisationsentwicklung. So sollten die Azubis mit Unterstützung des RKW eine eigenständige und interessante Aufgabe erhalten sowie Know-how auf dem Gebiet des Projektmanagements erwerben. Anvisiert war auch, neue Formen der Zusammenarbeit im Projekt zu erproben.
Hinsichtlich des Digitalisierungsgrads der eigenen Organisation fielen die Einschätzungen der Geschäftsführung vergleichsweise vorsichtig aus. Der Einfluss der Digitalisierung auf den Geschäftserfolg wurde immerhin noch mit 60 Prozent klassifiziert. Bei der Nutzung digitaler Technologien und Dienste und erst recht bei der digitalen Durchdringung unternehmensinterner Prozesse lagen die Werte mit lediglich 40 bzw. 20 Prozent relativ niedrig.
Für die Ermittlung von Digitalisierungsbedarf und die Entwicklung von Digitalisierungsideen nutzte das für das Projekt gebildete Digiscouts®-Team das breite Spektrum der im Projekt zur Verfügung stehenden Methoden und Rechercheinstrumente: Es führte ein Brainstorming anhand der Vorlage „Alte Welt / Neue Welt“ durch. Die Mitarbeitenden des Unternehmens wurden mit Kurzinterviews und sogar in Form einer Mitarbeitendenumfrage anhand eines Fragebogens in die Analysen der Prozesse und die Ideenfindung intensiv eingebunden. Zudem hospitierten die Digiscouts® in den Abteilungen. Wie wichtig den Azubis der fachliche Austausch und die enge Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort war, zeigt ein Statement der beteiligten Auszubildenden deutlich. Am Schluss des Projekts gaben sie den nächsten Digiscouts mit auf den Weg: „Kommuniziert mit ALLEN Mitarbeitenden ohne Scheu und bleibt hartnäckig“.
Nun zum Gegenstand des Projekts: Die Recherchen und Gespräche in den betrieblichen Bereichen zum Digitalisierungsbedarf führten die Azubis zu einem neuralgischen Punkt in den Vertriebsfunktionen. Die Bestandsaufnahmen wiesen auf erhebliche Reibungsverluste und Abstimmungsprobleme bei Bestellvorgängen hin, denen man durch Digitalisierung beikommen wollte. Folgendes Problem galt es dabei zu lösen:
Die an die Kunden gelieferten Presswerkzeuge haben als Zubehör unterschiedlich geartete Einsätze. Es gibt rund 120 verschiedene Einsätze, unter denen die Kundinnen und Kunden auswählen können und müssen. Diese Variantenvielfalt warf bei Bestellvorgängen das Problem auf, die jeweils passenden Zubehörteile zu identifizieren. Für den Vertrieb war häufig nicht erkennbar, welches Zubehör genau die Bestellenden benötigen.
Kundinnen und Kunden bezeichneten die Teile unterschiedlich und anders als der Hersteller selbst. Die Bestellmail konnte also erst nach Rücksprache mit der Konstruktion und den Bestellenden weiter bearbeitet werden – aufwändige und zeitfressende Vorgänge, während die Kundschaft warten musste und unter Umständen die Maschine still stand. Im schlimmsten Fall wurde ein falsches Zubehörteil produziert, und der Ärger war auf allen Seiten groß.
Das dreiköpfige Digiscouts®-Team nahm sich vor, die Fehlerquote und die Abstimmungen auf ein Minimum zu reduzieren, vor allem aber der Kundschaft schneller zum gewünschten Zubehörteil zu verhelfen. Dafür sollte, so die Idee, eine Bestellmaske entwickelt werden, die die Bestellenden bei der Spezifizierung ihres Bedarfs und der Kennzeichnung des von ihnen gewünschten Zubehörs unterstützt.
Die von Azubis bei den Recherchen einbezogenen Mitarbeitenden im Vertrieb ließen sich rasch für die Idee gewinnen und unterstützen das Vorhaben sehr hilfsbereit. Weitere Abstimmungen mit der Konstruktion, der IT sowie dem Vertrieb waren ausschlaggebend, um die Projektidee umsetzen zu können.
Schließlich erhielt die Projektidee das Plazet von der Geschäftsführung, die mehrere gute Gründe dafür nannte. Sie versprach sich von der Realisierung des Vorhabens Vorteile für die Mitarbeitenden, eine Optimierung von Prozessen und auch langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Ebenso sahen die Verantwortlichen Vorteile für die Kundschaft, und zwar sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in der Kommunikation mit dem Unternehmen.
Die realisierte digitale Lösung sieht in ihren Grundzügen folgendermaßen aus: Grundlage für die Bestellmaske ist eine Excel-Tabelle, die sich leicht erweitern lässt. Die Merkmale der verschiedenen Zubehörteile sind hierin in Gruppen geclustert. Über die Auswahl der einzelnen Kriterien wird die Kundschaft zur eindeutigen Bezeichnung des Zubehörteiles geführt. So werden Missverständnisse vermieden, was sowohl für Vertrieb als auch Konstruktion hilfreich ist, die direkt aktiv werden können. Unter dem Strich profitieren beide Seiten: der Hersteller durch effizientere Abläufe und die Kundschaft durch die höhere Transparenz des Produktangebots und die Erleichterung des Einkaufs. Durch ihre mit viel Aufwand bei der innerbetrieblichen Kommunikation verbundene erfolgreiche Arbeit an ihrer Servicelösung verschafften sich die Azubis schließlich eine Expertenposition im Betrieb.
Der auf sechs Monate veranschlagte Umsetzungszeitraum für Lösung war sehr ambitioniert. Auch wenn Urlaubszeiten, Krankheiten und dringende Belange des Alltagsgeschäfts einige Hürden für die Einhaltung der geplanten Zeitmargen aufbauten, gelang es den Auszubildenden jedoch den Fertigstellungstermin einzuhalten.
Bewertung
Die Bilanz des Projekts war aus der Sicht der beteiligten Akteure in jeder Hinsicht positiv. Die Auszubildenden bekundeten mit einem gewissen Stolz, dass sie einen „eigenständigen, gut vertieften Einblick in den gesamten Firmenablauf durch die Informationsbeschaffung“ bekommen hätten. In der regulären Lehre, ohne das Projekt, so betonten sie, wäre dies nicht möglich gewesen.
Im Hinblick auf den Digitalisierungsgrad konnte das Unternehmen aus Sicht der Geschäftsführung wie auch des Coaches einen Zuwachs erzielen. Die Geschäftsführung verzeichnete bei der „digitalen Durchdringung unternehmensinterner Prozesse“ sowie in Bezug auf den „Einfluss der Digitalisierung auf den Geschäftserfolg“ einen leichten Zugewinn von 5 Prozent, bei der „Nutzung digitaler Technologien und Dienste“ wurde der Zuwachs mit 10 Prozent bewertet. In Anbetracht dessen, dass Digitalisierung keinen Selbstzweck darstellt, ist allerdings noch wichtiger, dass die Wirtschaftlichkeit der Lösung vom Unternehmen wie auch vom Coach hoch bewertet wurde.
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