Die Einschätzung der gründungsbezogenen Rahmenbedingungen für Familienunternehmen
Ausgewählte Aspekte des Unternehmertums
Die Anzahl an Familienunternehmen in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Industrienationen relativ hoch. Laut der Stiftung Familienunternehmen (2017b) sind 91 % aller nicht-öffentlichen Unternehmen in Deutschland von Familien kontrollierte Unternehmen – und sie beschäftigen mit 57 % deutlich über die Hälfte aller in der Privatwirtschaft tätigen Arbeitnehmer.
Zwischen 2006 und 2014 steigerten die 500 größten deutschen Familienfirmen ihre Beschäftigtenzahl um 19 %. Dies belegt die Studie „Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen“, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und das Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) gemeinsam im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt haben (vgl. Stiftung Familienunternehmen 2017b). Familienunternehmen präsentieren sich als besonders verantwortungsbewusste und attraktive Arbeitgeber: Sie werben beispielsweise mit einer guten Arbeitsatmosphäre und guten Karriereperspektiven (vgl. Stiftung Familienunternehmen 2016). Aus der Sicht der meisten GEM-Experten hat die Bevölkerung mehr Vertrauen in Familienunternehmen als in andere Unternehmen (vgl. Abb. 23). Dies bestätigt auch eine von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegebene Forsa-Befragung. Laut dieser Studie vertrauen 88 % der Deutschen Unternehmen in Familienbesitz. Diese schneiden damit in dieser Hinsicht viel besser ab als internationale Konzerne, die lediglich einen Wert von 15 % erreichen (vgl. Stiftung Familienunternehmen o.J.) Darüber hinaus spielen Familienunternehmen eine bedeutende Rolle in den ländlichen Regionen. Dort, wo es oft an Arbeitsund Ausbildungsplätzen fehlt, sind Familienunternehmen ein wichtiger Faktor, im Gegensatz zu großen Konzernen, die eher in Ballungsräumen neue Arbeitsplätze schaffen.
Im Jahr 2018 hatte der GEM hierzu ein Sonderthema in die Umfrage integriert, um herauszufinden, wie stark das Gründungsgeschehen durch familiäre bzw. verwandtschaftliche Bezüge geprägt ist.
Abbildung 22 zeigt deutlich, dass es in vielen TEA-Gründungen und etablierten Unternehmen einen starken Anteil an Familienmitgliedern bzw. Verwandten entweder im Besitz oder besonders bei der Führung der Unternehmen gibt. Über 50 % der Befragten, deren Gründung sich nicht in ihrem alleinigen Besitz befindet, sondern die nur Teilhaber sind, geben an, sich den Unternehmensbesitz mit anderen Familienmitgliedern oder Verwandten zu teilen. Bemerkenswert ist außerdem, dass in nicht unwesentlich vielen Unternehmen und Gründungsvorhaben die Mehrheit der Beschäftigten ebenfalls aus der Familie oder dem engeren Verwandtenkreis stammt.
Tendenziell zeigt sich bei den etablierten Unternehmen ein etwas stärkerer Familienbezug als bei aktuellen Gründungsvorhaben bzw. jungen Unternehmen (bis 42 Monate alt). Ob familiär geführte Unternehmen eine höhere Resilienz oder Überlebenswahrscheinlichkeit haben und sich daher häufiger unter den etablierten Unternehmen finden oder ob sich in der Unternehmensdemografie eine generelle Wandlung vollzieht, lässt sich an dieser Stelle jedoch ohne Zeitreihen nicht erkennen.
Für Familienunternehmen ist die Suche nach einem geeigneten Nachfolger bzw. die rechtzeitige Regelung der Nachfolge eine große Herausforderung. Laut Schwartz (2019) würde weniger als die Hälfte der Altinhaber das Unternehmen in die Hände eines Familienangehörigen legen. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich reduziert. Gemäß vorliegendem GEM-Länderbericht wird die Unternehmensführung durch Familienmitglieder ausgesprochen positiv bewertet: Lediglich 16 % der Experten sind der Meinung, dass die Unternehmensführung durch nicht verwandte externe Experten besser wäre als die Unternehmensführung von Familienangehörigen (vgl. Abb. 23).
Der familieninterne Generationenwechsel ist in den letzten Jahren schwieriger geworden, insbesondere aufgrund anderer beruflicher Präferenzen der Kinder. Dies bestätigt auch der aktuelle DIHK-Report zum Thema Unternehmensnachfolge: Unternehmerkinder beschreiten zunehmend eigene Wege außerhalb des elterlichen Betriebes (vgl. DIHK 2018b). Ein „Automatismus“ der familieninternen Nachfolge, der noch ein bestimmendes Nachfolgemodell vor 20 Jahren war, existiert heutzutage nicht mehr.
Zudem haben 36 % der Senior-Chefs Probleme, von ihrem Lebenswerk loszulassen.
75 % der Befragungsteilnehmer bewerten die Unterstützung durch Berater im Bereich „Familienunternehmen“ in Deutschland als positiv (vgl. Abb. 23). 2017 hatten außerdem 14 % mehr Senior-Unternehmer und Nachfolgeinteressenten an IHK-Nachfolgetagen, -Seminaren und -Beratungen teilgenommen als im Jahr zuvor (vgl. DIHK 2018b). Insbesondere das Engagement von Frauen ist beachtlich: Im Jahr 2017 entfiel auf sie ein Viertel aller Interessenten. Eine große Herausforderung scheint die Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts zu sein. Laut der DIHK-Befragung berichten 25 % der potenziellen Nachfolger in der IHK-Beratung, dass dieser Aspekt die familieninterne Nachfolge erschwert (vgl. DIHK 2018b). Ungefähr ein Drittel der GEM-Experten sieht Verbesserungsbedarf bei Gesetzen und Regulierungen, welche die Nachfolge und Übergabe an die nächste Generation leichter möglich machen (vgl. Abb. 23).
75 % der Experten sehen einen Unterstützungsbedarf bei der Regelung der Unternehmensnachfolge.
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