Der Gründungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich
Der Gründungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich
Im vorliegenden Länderbericht kommt ein neuer Index zum Einsatz, der sogenannte National Entrepreneurship Context Index (NECI). Dieser bewertet den institutionellen Rahmen und das Umfeld für Gründungsaktivitäten auf nationaler Ebene. Der NECI setzt sich aus zwölf ausgewählten Rahmenbedingungen der Expertenbefragung zusammen. Für die Erstellung des Index wurden die Rahmenbedingungen entsprechend ihrer zugeteilten Bedeutung, basierend auf den Expertenurteilen, gewichtet. Je höher der Indexwert, desto besser werden die gründungsbezogenen Rahmenbedingungen im jeweiligen Land eingeschätzt. Ziel des NECI ist es, auf einen Blick interessierte Unterstützer und Stakeholder über das Gesamtbild der Umfeld- und Rahmenbedingungen des Gründungsstandortes Deutschland zu informieren.
Der NECI wird auf einer Skala von 0 bis 10 abgebildet. Der Durchschnitt des NECI für die Länder in der Gruppe mit hohem Einkommen beträgt 5,20 und liegt somit über dem theoretischen Mittelwert von fünf (vgl. Abb. 28). Deutschland nimmt innerhalb dieses Rankings den 15. Platz ein, erreicht mit 5,36 einen leicht überdurchschnittlichen Wert und liegt damit nahezu auf dem gleichen Niveau wie Schweden, Irland und Spanien. Deutlich bessere Werte erreichen beispielsweise die Niederlande (6,51) und die USA (5,98). Beide Länder sind auch durch signifikant höhere Gründungsaktivitäten gekennzeichnet. Der Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen und dem Gründungsgeschehen ist jedoch keinesfalls so offensichtlich, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn Länder mit schlechter bewerteten Rahmenbedingungen, wie Kroatien (3,83) oder Großbritannien (4,94), können durchaus deutlich höhere Gründungsaktivitäten als Deutschland aufweisen.
Die Zusammenhänge und Wirkungsmechanismen zwischen Gründungsaktivitäten und den Rahmenbedingungen sind vielschichtig und erfordern in den einzelnen Ländern jeweils individuelle Betrachtungen und Rückschlüsse. Beispielsweise gehören Katar und Taiwan zu den wenigen Ländern, die nahezu gleich hohe Gründungsaktivitäten zwischen Männern und Frauen aufweisen. Auch in den USA sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern weniger stark ausgeprägt. Die drei genannten Länder gehören zu den Ländern mit den weltweit am besten ausgeprägten Rahmenbedingungen. Diese Beobachtung lässt die Vermutung zu, dass Frauen von gründungsfreundlichen Rahmenbedingungen besonders profitieren können. Ein kausaler Zusammenhang kann anhand der Daten jedoch nicht abgeleitet werden.
Deutschlands Platzierung im Mittelfeld des NECI-Rankings resultiert vor allem aus den negativen Bewertungen des Arbeitsmarktes, der gesellschaftlichen Werte und Normen sowie der Gründungsausbildung und deren großen Bedeutung für das Gründungsgeschehen. Hier ist eine kurze Einordnung hilfreich – und im Hinblick auf nationale Gründungsaktivitäten zu interpretieren. Aus Sicht der erwerbsfähigen Bevölkerung bietet der derzeitige Arbeitsmarkt viele Möglichkeiten, vornehmlich aufgrund von attraktiven Positionen in etablierten Unternehmen. Qualifizierte Fachkräfte sind für angehende Gründer und junge Unternehmen häufig nur schwer zu finden und die Löhne kaum bezahlbar. Der Anreiz für eine eigene unternehmerische Tätigkeit wird somit reduziert. Es wird seltener gegründet. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der Gründer mit der Intention, eine eigene Geschäftsidee zu verwirklichen. Die Alternative der Gründung muss im Vergleich zu einer Festanstellung vonseiten der Gründer als außergewöhnlich interessant wahrgenommen werden. Hierdurch wird die Qualität der Gründungen tendenziell gesteigert.
Die Gründungsausbildung in Deutschland schneidet sowohl in der nationalen Bewertung als auch im internationalen Vergleich besonders schlecht ab. Interessant ist die Beobachtung, dass Länder mit einem höheren NECI auch in den Bereichen der Gründungsausbildung deutlich besser platziert sind. Hierzu gehören die gründungsstarken Länder wie Kanada, die USA und die Niederlande. Eine Aufwertung der schulischen Gründungsausbildung bietet offenbar die Chance, die Anzahl der Gründungen langfristig zu erhöhen.
Welche Erkenntnisse lassen sich aus den Erläuterungen zum Arbeitsmarkt und der gründungsbezogenen Ausbildung im Hinblick auf eine Stärkung des Gründungsgeschehens ableiten? Speziell aus Sicht der erwerbstätigen Bevölkerung ist der Arbeitsmarkt in Deutschland sehr attraktiv, die Arbeitslosenquote ist seit Jahren niedrig. Demnach besteht von politischer Seite kein akuter Handlungsbedarf, mit speziellen Fördermaßnahmen einzugreifen (wie zum Beispiel durch den „Gründungszuschuss“ der zwischen 2006 und 2011 im Zuge einer Existenzgründung durch die Arbeitsagenturen gewährt wurde). Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der Arbeitsmarkt zugunsten von Gründungen gestaltet werden kann, ohne die etablierte Wirtschaft zu benachteiligen. Hierfür gilt es, entsprechende Lösungen zu entwickeln. Das institutionelle Handlungsfeld der gründungsbezogenen Ausbildung scheint im Vergleich zum Arbeitsmarkt auf den ersten Blick deutlich attraktiver. Die Einführung eines Schulfaches Wirtschaft und die Verbesserung einer Entrepreneurship-Ausbildung an den Hochschulen bieten konkrete Ansatzpunkte. Beim näheren Hinsehen zeigt sich jedoch eine Reihe von Herausforderungen, u. a. aufgrund der föderalistischen Struktur des deutschen Bildungssystems.
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