Gründungsmotive in Deutschland
Die vorherige Abbildung zeigt den Quotienten aus der TEA-Opportunity-Quote und der TEA-Necessity-Quote aus statischer Perspektive und in den einkommensstarken Ländern im Jahre 2018. Die nachfolgende Abbildung 8 vergleicht diesen Quotienten für Deutschland über die Zeit und setzt ihn zur TEA-Quote für Opportunity-Gründungen in Beziehung.
Die Abbildung 8 verdeutlicht mindestens zweierlei. Bezogen auf die auf der linken Hochachse abgetragenen Quotienten aus den TEA-Quoten beider Gründungsmotive lässt sich ein Rückgang etwa auf den mittleren Wert der letzten neun Jahre erkennen (Wert 4,18), nachdem im Vorjahr der höchste Wert seit Beginn der GEM-Datenreihe (7,15) verzeichnet wurde. Dieser Wert aus dem Jahr 2017 scheint im Langfristvergleich aber einen Ausreißer nach oben darzustellen. Aktuell gründen also in Deutschland gut viermal so oft Personen, weil sie gute Gründungschancen für ihr Produkt/ihre Dienstleistungen sehen, als dies für Menschen ohne Erwerbsalternative der Fall ist. Zweitens zeigt die Abbildung, dass – zumindest in Deutschland – kein klarer statistischer Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der (mit der TEA-Quote erfassten) Opportunity-Gründungen einerseits und dem geschilderten Quotienten aus beiden Gründungsmotiven andererseits existiert. Es lassen sich Jahre und Zeiträume benennen, in denen trotz zunehmender TEA-Opportunity-Quoten der Quotient abnahm (z. B. 2004–2005). Umgekehrt ist das relative Gewicht der Opportunity-Gründungen in manchen Perioden gewachsen, obwohl die entsprechende TEA-Quote zurückging (z. B. 2014–2015). Gleichwohl verändern sich die Werte beider Skalen in den meisten Jahren in dieselbe Richtung: Steigt die TEA-Quote der Opportunity-Gründungen, dann nimmt auch der Wert des Quotienten zu (z. B. 2009– 2011). Im Vergleich 2017 zu 2018 war diese parallele Entwicklung ebenfalls zu beobachten, allerdings bei sinkenden Werten. Daraus darf geschlussfolgert werden, dass das Gründungsmotiv „Erkennen und Ausnutzen einer Marktchance“ das Gründungsgeschehen in Deutschland – jedenfalls in den meisten der mit Daten abgedeckten Jahre – stärker prägt als das Gründungsmotiv „Mangel an Erwerbsalternativen“. Die Veränderung volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen kann einen Teil der Erklärungen liefern. Der relativ niedrige Quotient und die ebenfalls niedrige TEA-Opportunity-Quote unmittelbar vor, während und nach der Wirtschaftsund Finanzkrise 2008/2009 zeigen dies (vgl. Abb. 8). In jenen Jahren hatten Gründungen aus der ökonomischen Not heraus relativ betrachtet eine größere Bedeutung als OpportunityMotive. Das führte auch dazu, dass die TEA-Quoten insgesamt in Deutschland keinen Einbruch verzeichneten, denn die Rückgänge bei dem einen Motiv wurden durch Zuwächse beim anderen Motiv zumindest partiell kompensiert (vgl. dazu die auf GEM-Daten basierenden Analysen von Hundt & Sternberg 2014 zu deutschen Regionen). Deutschland unterscheidet sich hier von mehreren anderen Ländern, in denen infolge der Wirtschaftsund Finanzkrise die Gründungszahlen erheblich sanken. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass Gründungshäufigkeiten und -verhalten in Deutschland weniger stark von einigen der makroökonomischen Rahmenbedingungen abhängen, die in anderen Ländern das Gründungsgeschehen steuern.
2018 gründeten viermal so oft Personen, weil sie gute Gründungschancen für ihr Produkt/ihre Dienstleistungen sahen, als dies für Menschen ohne Erwerbsalternative der Fall war.
- © TommL / iStock.com – Frau Startup (1741_frau_startup.jpg)