Gründungsverhalten der Migranten in Deutschland
Migranten sowie Personen mit Migrationshintergrund sind ein wichtiger Faktor für die heutige sowie zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands. Zuwanderung ist nicht nur relevant, um den Fachkräftemangel zu kompensieren, sondern auch, um neue Ideen und Unternehmen im Land zu etablieren.
Migranten bieten insbesondere gründungspolitisch viel Potenzial. Durch abweichende Erfahrungen in anderen Ländern sehen sie nicht selten Gründungschancen, die Einheimischen entgehen. Da das Gründungsverhalten von Migranten von der einheimischen Bevölkerung abweicht, lohnt es sich, die Gruppe der Migranten, hier definiert als „nicht in Deutschland geborene Personen“, näher zu betrachten.
Seit 2010 werden Informationen zu Gründungen von Migranten im deutschen GEM-Bericht erfasst. Der Mittelwert der TEA-Quote der Migranten lag bis einschließlich 2017 immer erkennbar über dem der Nicht-Migranten. Dieser Unterschied war zwar bis auf 2010 und 2014 nie statistisch signifikant, aber in der Tendenz eindeutig. Weil die absolute Zahl an Migranten in der Stichprobe erheblich kleiner als die der Nicht-Migranten ist, sind die Konfidenzintervalle (für 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit) für die Gruppe der Migranten deutlich größer (vgl. Abb. 5). Migranten gründeten demnach bis einschließlich 2017 häufiger als Nicht-Migranten. 2018 war der Mittelwert der TEA-Quote für Migranten (4,4 %) erstmals niedriger als der der einheimischen Bevölkerung (4,8 %). Es ist auch der niedrigste Wert, der seit 2010, also seit Beginn der Berücksichtigung des Migrationshintergrundes, erfasst wurde. Die Herkunftsländer der in TEA-Gründungen involvierten Migranten sind recht heterogen. Zwar dominieren Polen und die Türkei leicht, der Rest setzt sich allerdings aus vielen verschiedenen Ländern zusammen. Weniger als die Hälfte der gründenden Migranten stammen aus dem EU-Ausland. Insgesamt ist das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen (55 % der gründenden Migranten 2018 waren Frauen).
Die zehn wichtigsten Herkunftsländer derjenigen Migranten, die keine Gründungsaktivitäten anstreben, lauten (häufigstes Herkunftsland zuerst): Russland, Kasachstan, Türkei, Polen, Irak, Syrien, Rumänien, Ukraine, Serbien und Italien. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Geflüchteten, etwa aus dem Irak oder Syrien, derzeit noch eine geringere Gründungsneigung aufweisen als Personen, deren Migrationsmotiv nicht in der Flucht lag, sodass die TEA-Quote von Migranten insgesamt nun niedriger ausfällt als die Jahre zuvor. Wie im GEM-Länderbericht Deutschland 2017/2018 bereits erwähnt, ist die Gründungsneigung von Migranten zusätzlich von ihrer Verweildauer in Deutschland abhängig. Es zeigte sich, dass die höchste Gründungsneigung bei Migranten vorlag, die bereits vier bis sieben Jahre in Deutschland lebten (vgl. Sternberg et al. 2018). Demnach könnte es gut sein, dass die TEA-Quote der Migranten in den kommenden Jahren wieder steigt. Zusätzlich scheint die gute Arbeitsmarksituation es auch Migranten zu erleichtern, eine abhängige Beschäftigung zu erhalten. Nur wenige der nicht in TEA involvierten Migranten sind arbeitssuchend. Letztlich sollte dieser Rückgang der TEA-Quote von Migranten aber sehr vorsichtig interpretiert werden. Nur die kommenden Jahre können zeigen, ob es sich um einen Trend oder eine zufällige Schwankung handelt.
Ebenfalls verschlechtert hat sich 2018 das Verhältnis der Gründungsmotive, also von Chancen- zu Notgründungen, für Migranten in Deutschland (vgl Abb. 6). 2017 waren noch gut 75 % der migrantischen Gründungen sogenannte Opportunity-Gründungen, wohingegen dieser Wert 2018 leicht gesunken ist und mehr Notgründungen stattfanden. Ob sich sowohl Umfang als auch Qualität der Gründungen durch Migranten in den nächsten Jahren erholen, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit voraussagen, ist jedoch zu erwarten.
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