Zentrale Ergebnisse
Gründungsquote in Deutschland bleibt stabil:
Die Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA) in Deutschland lag 2018 bei 4,97 % und hat sich im Vergleich zu den Vorjahren somit kaum verändert. Das heißt, etwa jeder Zwanzigste im Alter von 18 bis 64 Jahren hatte entweder seit 2015 ein Unternehmen gegründet oder ist gerade dabei, diesen Schritt vorzubereiten. Im Vergleich zu den Referenzländern belegt Deutschland einen der hinteren Plätze. In Deutschland sind demnach die Gründungsaktivitäten deutlich niedriger ausgeprägt als in den meisten Ländern mit hohem Einkommen. Hierzu gehören beispielsweise die Nachbarländer Österreich und die Niederlande. Die TEA-Quote liegt hier bei über 10 %.
Mehr Gründungen durch junge Menschen in Deutschland:
Erstmals seit Beginn der GEM-Datenreihe im Jahr 1999 ist die höchste TEA-Quote nicht bei den 35–44-Jährigen mit 6,14 %, sondern bei der Altersgruppe der 25–34-Jährigen mit 6,64 % zu finden. Bei den 18–25-Jährigen lag die Quote bei 5,99 %. Auffällig ist der relativ niedrige Wert für die Altersgruppe der 55–64-Jährigen mit 2,44 %. Gegenüber dem Vorjahr ist bei den älteren Gründern ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (3,4 %).
Weiterhin deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen:
In Deutschland lag die TEA-Quote bei Männern 2018 bei 6,57 % und bei Frauen lediglich bei 3,29 %. Auf eine Gründerin kamen in Deutschland 2018 exakt zwei Gründer. Dieser Wert liegt deutlich über dem Mittelwert (1,61) aller Länder mit hohem Einkommen. 25 der 30 Referenzländer weisen somit ein besseres Verhältnis zugunsten von Gründungen durch Frauen auf.
Rückgang von Gründungen durch Migranten:
Seit Beginn der Erfassung von Gründungen durch Migranten im Jahr 2010, definiert als nicht in Deutschland Geborene, gründeten diese Menschen häufiger als Einheimische. 2018 war der Mittelwert der TEA-Quote für Migranten (4,4 %) erstmals niedriger als der der einheimischen Bevölkerung (4,8 %). Es ist auch der niedrigste Wert, der seit Beginn der Berücksichtigung des Migrationshintergrundes erfasst wurde. Es liegt die Vermutung nahe, dass Geflüchtete als Teil der Migranten, etwa aus dem Irak oder Syrien, derzeit noch eine geringere Gründungsneigung aufweisen als Personen, deren Migrationshintergrund nicht in der Flucht lag. Die Ergebnisse aus den letzten GEM-Berichten haben gezeigt, dass die höchste Gründungsneigung bei Migranten vorlag, die bereits 4 bis 7 Jahre in Deutschland lebten. Zusätzlich scheint die Arbeitsmarktsituation es auch Migranten zu erleichtern, eine abhängige Beschäftigung zu erhalten.
Viermal mehr Chancengründungen als Gründungen aus Mangel an Erwerbsalternativen:
Aktuell gründen in Deutschland Personen etwa viermal (4,18) so oft, weil sie gute Gründungschancen für ihr Produkt/ihre Dienstleistungen sehen, als dies für Menschen ohne Erwerbsalternative der Fall ist. Im Vorjahr gab es noch siebenmal mehr Chancengründungen als Notgründungen. Dieser Wert aus dem Jahr 2017 scheint im langfristigen Vergleich jedoch einen Ausreißer nach oben darzustellen.
Weniger Angst, mehr Gründungschancen:
In Deutschland würden rund 38 % der Befragten aus Angst vor dem Scheitern eine Gründung unterlassen. Dieser Wert lag in den vergangenen Jahren häufig deutlich höher, sodass hier eine positive Entwicklung in Deutschland festzustellen ist. Gleichzeitig werden die Gründungschancen kontinuierlich positiver wahrgenommen. Insgesamt haben 2018 über 42 % der Befragten angegeben, gute Gründungschancen in ihrer Region zu sehen. Dieser Wert lag 2010 und in den Jahren davor noch deutlich unter 30 %.
Die persönliche Kenntnis einer anderen Gründerperson wirkt positiv:
Eine Gründerperson kann eine Vorbildfunktion für eine andere, ihr bekannte Person einnehmen. Falls diese Gründerperson selbst erfolgreich war, wirkt sich dies positiv auf die Gründungswahrscheinlichkeit des/der Bekannten aus. In Deutschland kannten 21,3 % der zuvor Befragten eine andere Person persönlich, die in den letzten 12 Monaten gegründet hat. Dieser Wert ist deutlich niedriger als in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Österreich (39,7 %) oder Polen (40,1 %). Auch die Wahrnehmung der eigenen Gründungsfähigkeit wird positiv beeinflusst. Unter den Befragten in Deutschland, die eine andere Gründerperson kennen, lag der Anteil der die eigene Gründungsfähigkeit positiv Einschätzenden bei 62,3 %. Bei Personen ohne persönliche Kenntnis einer Gründerperson waren es mit 30,6 % der Befragten weniger als die Hälfte.
Anteil der technologieintensiven Gründungen in Deutschland höher als in den USA:
Deutschland belegt bei der Betrachtung von technologieintensiven Gründungen im Vergleich zu ausgewählten Referenzländern mit hohem Einkommen einen Platz im Mittelfeld. Etwas mehr als 9 % der Gründungen weisen eine mittlere oder hohe Technologieintensivität auf. Das Vergleichsland mit dem höchsten Wert ist Irland mit 13,2 %. Am unteren Ende steht die USA mit einem Wert von 5,2 %. Dieses Ergebnis ist ein Indiz dafür, dass das Image von Gründungen in den USA von den anteilsmäßig wenigen Hightech-Gründungen etwa in Kalifornien oder an der Ostküste um Boston geprägt ist, aber der bei Weitem größte Teil der Gründungen in diesem Land dem Lowt-ech-Bereich zuzuordnen ist.
Stärken und Schwächen des Gründungsstandorts Deutschland kaum verändert:
Politische, ökonomische, soziale und kulturelle Kontextfaktoren eines Landes haben einen großen Einfluss auf nationale Gründungsaktivitäten. Gründungsbezogene Rahmenbedingungen entfalten ihre Wirkung immer im wechselseitigen Zusammenspiel. Die Stärken und Schwächen am Gründungsstandort sind in Deutschland seit Jahren sehr stabil und verändern sich nur langsam, wie die befragten Gründungsexperten anmerken. Charakteristisch sind ein attraktives Marktumfeld für neue Produkte und Dienstleistungen, ein breites Angebot an öffentlichen Förderprogrammen sowie ein wirkungsvoller Patent- und Markenschutz. Als hemmende Faktoren gelten insbesondere die Gründungsausbildung, gesellschaftliche Werte und Normen sowie der Arbeitsmarkt. Für Gründer ist es eine besondere Herausforderung, passende Mitarbeiter zu finden. Finanzierungsbedingungen in Deutschland werden durch die Experten seit Jahren eher durchschnittlich bewertet, obwohl sich seit Längerem positive Strukturveränderungen andeuten. Die Zahl der Angel- und Venture-Capital-Investoren hat insgesamt zugenommen, öffentliche Finanzierungsprogramme wurden weiter ausgebaut. Es ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung mittel- bis langfristig auch in den Bewertungen wiederspiegelt.
Internationaler Vergleich der gründungsbezogenen Rahmenbedingungen liefert folgendes Bild:
Im Ranking der 31 Länder mit hohem Einkommen belegt Deutschland den 15. Platz. Ein ähnliches Niveau erreichen Schweden, Irland und Spanien. Deutlich besser platziert sind beispielsweise die Niederlande und die USA. Schlechter bewertete Rahmenbedingungen weisen u. a. Kroatien oder das Vereinigte Königreich auf. Die Zusammenhänge sowie Wirkungsmechanismen zwischen Gründungsaktivitäten und den Rahmenbedingungen sind vielschichtig und erfordern in den einzelnen Ländern jeweils individuelle Betrachtungen.
Starke Rolle von Familien bei Gründungen und etablierten Unternehmen:
58 % der etablierten Unternehmen befinden sich im Besitz der Gründungsperson und ihrer Familie. Mehr als 80 % werden von dieser Personengruppe geführt. Bei Gründungen liegen diese Werte mit 52,1 % und 75,4 % etwas niedriger. Ob familiär geführte Unternehmen eine höhere Resilienz oder Überlebenswahrscheinlichkeit haben und sich daher häufiger unter den etablierten Unternehmen finden oder ob sich in der Unternehmensdemografie ein genereller Wandel vollzieht, kann ohne weitere Daten jedoch nicht beantwortet werden. Bemerkenswert ist das überdurchschnittlich hohe Vertrauen in Familienunternehmen. Die Unternehmensführung durch Familien wird vonseiten der Experten ausgesprochen positiv bewertet.
Die Gig Economy als Pool von zukünftigen Gründern:
Die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage über digitale Plattformen gewinnt zunehmend an Bedeutung und Aufmerksamkeit. Bekannte Unternehmen der Gig Economy sind z. B. Uber und Airbnb. Es handelt sich bei der Gig Economy um ein vergleichsweise junges Segment des Arbeitsmarktes. 2,38 % der 18–64-Jährigen geben an, über eine Plattform Produkte oder Dienstleistungen anzubieten und beteiligen sich somit an der Gig Economy. In Relation zum gesamten Gründungsgeschehen in Deutschland ist die in der Regel im Nebenerwerb betriebene Gig-Economy-Partizipation nicht zu unterschätzen. In Deutschland planen über 30 % der in der Gig Economy aktiven Personen kurz- bis mittelfristig, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Der Schritt in Richtung Unternehmensgründung scheint für einen relativ hohen Anteil der Gig-Worker offenbar naheliegend.
Handlungsempfehlungen konzentrieren sich vor allem auf die identifizierten Schwächen des Gründungsstandortes Deutschland. Von Bedeutung sind Fortschritte im Bereich der Bildung zum Thema Digitalisierung, um den Bedarf an hochqualifizierten IT-Experten langfristig besser abdecken zu können. Hiervon würden Gründer, die ein Mitarbeiterwachstum anstreben, besonders profitieren. Immerhin planen 25 % der Gründer einen beträchtlichen Beschäftigtenzuwachs in den kommenden Jahren. Dieser ist jedoch nur möglich, wenn potenzielle Mitarbeiter die notwendigen Qualifikationen aufweisen. Wesentlich ist außerdem die Unterstützung von kreativem und innovativem Denken im Rahmen der Ausbildung. Die Digitalisierung erfordert Kompetenzen, bestehende Lösungen zu hinterfragen und neuartige Werteangebote und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Im Hinblick auf die Finanzierungsmöglichkeiten für Gründungen sollte der Fokus auf der Wachstumsphase liegen. Die schnelle Skalierung von Geschäftsaktivitäten erfordert mehr Kapital und passende Finanzierungsinstrumente. Regionale Gründungsinitiativen sind weiter zu stärken und auszubauen. Insbesondere die Zusammenführung von Gründern und Start-ups mit mittelständischen Unternehmen und die Unterstützung der Unternehmensnachfolge bieten hier noch ungenutzte Potenziale.
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