Anteil der Gründungspersonen mit mindestens Hochschulreife als höchstem Ausbildungs-/Schulabschluss in den 33 GEM-Ländern mit hohem Einkommen 2019

Zu den gründungspolitisch besonders relevanten Demografievariablen zählt der (Aus-)Bildungsstand. Akzeptiert man formale Ausbildungs- bzw. Schulabschlüsse als Näherungswert für Humankapital, dann sind zwei gegensätzliche Argumentationen zum Zusammenhang zur Gründungshäufigkeit, beispielsweise gemessen mittels der TEA-Quote, denkbar. Die erste Perspektive geht davon aus, dass Menschen gewisse Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen, um den komplexen Gründungsprozess zu bewältigen bzw. um sich zuzutrauen, ihn zu bewältigen (denn die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz bestimmt das Verhalten). Demnach müssten gut ausgebildete Menschen im Mittel häufiger gründen als Menschen mit geringerem Bildungsstand.

Das andere Argument betont, dass Menschen oft aus der ökonomischen Not heraus gründen, etwa weil sie arbeitslos sind, sich davon bedroht fühlen oder einen schlecht bezahlten Arbeitsplatz haben. „Necessity Entrepreneurship“ ist wesentlich stärker unter Menschen mit niedrigem Bildungsstand vertreten als unter solchen mit hohem Humankapital. Letztere haben relativ häufig eine sichere und gut dotierte abhängige Beschäftigung, weshalb ihre Opportunitätskosten hoch (d. h. zu hoch) wären, falls sie diesen Arbeitsplatz aufgeben und bei unsicheren Gewinnerwartungen und Überlebenschancen auf unternehmerische Selbstständigkeit setzten.

Ein genauerer Blick auf die TEA-Quoten der einzelnen Ausbildungs- und Schulabschlüsse in Deutschland zeigt ein durchaus komplexes Bild, das nicht einfach zu deuten ist. Insbesondere gibt es keine klare und positive Korrelation zwischen der Humankapitalintensität und der Gründungshäufigkeit. Zwar liegt die TEA-Quote der Befragten mit Hochschulstudium als höchstem formalem Bildungsabschluss mit 13,2 % weit über dem nationalen Mittelwert. Aber dies gilt, etwas weniger stark ausgeprägt, auch für die Befragten ohne jeglichen (AusBildungsabschluss (10,1 %). Menschen mit einer beruflich-betrieblichen Ausbildung (Lehre) als höchstem formalem Abschluss weisen eine unterdurchschnittliche TEA-Quote auf (5,8 %), ähnlich wie jene mit einer beruflich-schulischen Ausbildung (Berufsfachoder Handelsschule, 6,9 %).

Es wird unmittelbar klar, dass bei beiden Argumentationen das Gründungsmotiv eine wichtige Rolle spielt – und das kann sich zwischen gut und weniger gut Ausgebildeten fundamental unterscheiden. Daher muss die Interpretation der entsprechenden Werte auch mit Bezug auf die individuellen Gründungsmotive erfolgen (siehe dazu die Abbildungen 9 und 10).

Bezogen auf alle Länder mit hohem Einkommen gilt, dass Gründungen aus der ökonomischen Not heraus weniger häufig sind als solche, deren Gründungspersonen eine Gründungschance erkennen und umsetzen wollen („Opportunity Entrepreneurship“). Dies gilt auch für Deutschland, selbst wenn der TEA-Wert für „Necessity Entrepreneure“ in den vergangenen Jahren relativ betrachtet (also verglichen mit den Chancengründenden) höher war als in vielen anderen Ländern mit hohem Einkommen.

Formale Bildungs- oder Ausbildungsabschlüsse sind häufig sehr spezifisch für einzelne Länder, zum Beispiel auch für Deutschland. Bei GEM-internen Ländervergleichen ist es deshalb ein sinnvoller Kompromiss, den „post-secondary degree“ als Grenze zwischen niedrigem und hohem Bildungsstand zu verwenden, wobei die Erlangung der Hochschulreife als Mindestkriterium für die Zuordnung zur höheren Kategorie gilt.

Das genannte Kriterium erfüllt in Deutschland gut die Hälfte der TEA-Gründungspersonen, was einen Platz im Mittelfeld der 33 Länder mit hohem Einkommen bedeutet, wie Abbildung 6 zeigt. Die Unterschiede zwischen diesen Ländern sind groß und reichen von einem Anteil von gerade einmal einem Viertel an allen Gründungspersonen im Oman über gut ein Drittel in den Niederlanden und zwei Drittel in Irland bis zu über 80 % in den USA oder den VAE.

Die ökonomische Relevanz des Humankapitals ist bedeutend. Gründungen, die von Menschen mit höherer Bildung gestartet werden, sind, unter sonst gleichen Bedingungen, finanzstärker, erfolgreicher und technologisch anspruchsvoller.

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