Die Sicht der Politik auf die Gründer 45+

Die Sicht der Politik auf die Gründer 45+

Vor dem Hintergrund des starken Rückgangs der Gründungszahlen gewinnt das Thema Gründung an besonderer Brisanz. In einem gemeinsamen Rahmen, in dem "die Krise als Katalysator" (EU Aktionsplan Unternehmertum 2020, S. 3) gesehen wird, können Gründung und Unternehmertum als unerlässliche Wachstumsstrategie einen wesentlichen Beitrag zu einem "neu" zusammenwachsenden Europa leisten.

Die Haltung der EU: Gründung als gemeinsame Strategie für Europa

Zu diesem Zweck und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union sollen neue Zielgruppen für die Gründung gewonnen werden, was es wiederum notwendig macht, die Potenziale Menschen mittleren Alters oder älterer Menschen zu erschließen. Darauf beziehen sich Ansätze wie das bereits angesprochene "active ageing".

Im Juni 2010 forderte der Rat der Europäischen Union die Mitgliedstaaten auf, aktives Altern zu einer politischen Priorität für die nächsten Jahre zu machen. Seitdem hat sich die Europäische Union auf unterschiedliche Art und Weise für eine "active ageing"-basierte Politik ausgesprochen.

Die Stärkung der Gründungsbeteiligung von Älteren (promoting senior entrepreneurship) war auch eines der wichtigsten Ziele des European Year of Active Ageing and Solidarity between the Generations (EU, 2012). Im Rahmen dieses Programms verlieh die Europäische Kommission Preise an Unternehmen, darunter auch ein Unternehmen aus Deutschland. Mit dieser Anerkennung setzt die EU ein Zeichen, indem sie den Mehrwert unternehmerischer Selbstständigkeit älterer Menschen für das gesellschaftliche Zusammenleben unterstreicht.

Darüber hinaus hat die EU im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms die Joint Programming Initiative (JPI) "More Years, Better Lives – The Potenzial and Challenges of Demographic Change" gestartet. Sie wird von verschiedenen EU-Mitgliedstaaten getragen und bringt nationale und europäische Forschungsprogramme zum Thema demografischer Wandel zusammen. Dabei wird eine Forschungsagenda zum Bereich "Arbeit und Produktivität" entworfen.

Ältere Gründer im Blickpunkt der EU

Die Förderung von Unternehmertum wurde mit der Lissabon-Strategie (2000) verankert, in deren Rahmen Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialer Zusammenhalt als Bestandteile einer wissensbasierten europäischen Wirtschaft gestärkt werden sollten. 2003 wurde das "Green Paper on Entrepreneurship in Europe" verfasst und zuletzt der "Aktionsplan Unternehmertum 2020" der EU- Kommission (vom 09.01.2013).

"Aktionsplan Unternehmertum 2020"

Mit dem oben genannten Plan strebt die EU an, durch die Erhöhung der Zahl von Unternehmerinnen und Unternehmern zu Wachstum und Beschäftigung in Europa beizutragen. Es ist in drei Aktionsschwerpunkte unterteilt: Ausbau der unternehmerischen Bildung, Schaffung des erforderlichen Unternehmensumfelds sowie Rollenvorbilder und Ansprache einzelner Zielgruppen.

Der Aktionsplan macht auf das wertvolle Potenzial der EU-Bürger 50+ in Bezug auf Gründungen aufmerksam, sowohl als potenzielle Gründer als auch als Unterstützer im Gründungsprozess (Mentoring), und enthält einen Zeitplan zur Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen.

"Policy Brief in Senior Entrepreneurship"

Anfang 2013 wurde von der Europäischen Kommission und der OECD gemeinsam der "Policy Brief in Senior Entrepreneurship" veröffentlicht. Mit diesem Programm hat die EU ein Maßnahmenpaket für Politik und Experten geschnürt, in dem Vorschläge zur Förderung der Gründungstätigkeit von Menschen im fortgeschrittenen Alter unterbreitet werden. Dieses weist zum ersten Mal auf die Bedeutung dieser Gründer hin und sieht bestimmte Schritte vor, um Menschen dieser Altersgruppen für die Gründung zu motivieren. Es handelt sich um einen breiten Ansatz zur Förderung der Gründungstätigkeit, die Empfehlungen hauptsächlich für die Altersgruppe 55 bis 69 gibt und folgende Bereiche abdeckt: Sensibilisierung, Fortbildung, Networking, Finanzierung und soziale Absicherung. Die Empfehlungen sind in der bereits zitierten Veröffentlichung genauer nachzulesen.

Über diese Maßnahmen hinaus empfiehlt die EU in diesem Dokument die Ausübung von Coaching- oder Mentoring-Tätigkeiten durch ältere Menschen zur Unterstützung von Startups oder Gründungswilligen zu fördern. Auf diese Art und Weise wird die Weitergabe des über Jahre hinweg angesammelten Human- und Sozialkapitals von Führungskräften oder Angestellten mit langjähriger Berufserfahrung an die nächste Unternehmergeneration sichergestellt. Vermögende Personen könnten zudem auch als Business Angels agieren. Ein weiterer Ansatzpunkt ist es, ältere Menschen zur Übernahme von bereits bestehenden Unternehmen zu motivieren. Dies ist eine potenzielle Lösung zum Thema Nachfolge.

Beispiele guter Praxis sind in dieser Hinsicht das "Senior Enterprise" INTERREG-Projekt in Irland, Frankreich und Großbritannien, "Maillages" in Frankreich oder das Mentoring-Projekt der 2008 gegründeten Vereinigung Perspective 45 a.s.b.l., das vom Europäischen Sozialfonds und dem Luxemburger Arbeits- und Beschäftigungsministerium finanziert wird. In all diesen Programmen werden motivierte Senioren ermutigt, als freiwillige Mentoren tätig zu werden. Alternativ werden Senioren für die Übernahme von bestehenden Firmen oder die Begleitung von anfälligen Unternehmensneugründungen oder im Übergang befindliche Unternehmen motiviert. In den Bereichen Fortbildung und Mentoring für Frauen erlangte das multinationale Vorhaben fe:male zur Förderung von älteren Unternehmerinnen besondere Aufmerksamkeit.

Ältere Gründer im Fokus der Bundesregierung

Auch die Bundesregierung hat ihr Interesse an den älteren Gründern formuliert. Nachdem die Nutzung der Kompetenzen und Erfahrungen älterer Menschen für Wirtschaft und Gesellschaft als herausragendes Ziel in der Forschungsagenda der Bundesregierung für den demografischen Wandel 2011 thematisiert wurde (BMBF, 2011), werden Ältere zum ersten Mal als wichtige Zielgruppe für die Gründung in der Demografiestrategie der Bundesregierung 2012 (BMI, S. 42) ausdrücklich erwähnt. Konkrete Empfehlungen zu ihrer Förderung gibt es hierin allerdings nicht.

In Deutschland sind keine spezifischen Förderprogramme für Gründungswillige im mittleren und fortgeschrittenen Alter vorhanden. Einige interessante Maßnahmen, die einen gewissen Bezug zur Gründung aufweisen, sind im institutionellen Haushalt des Bundes oder der Länder, häufig im Rahmen der Förderung von Arbeitslosen, verankert. Darunter fallen das Programm "Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) oder das Projekt "ReAktiv50+" in Brandenburg.

Nennenswert ist die Initiative "Gründer 50plus" im Aktionsplan demografischer Wandel der bayerischen Staatsregierung und im Rahmen der Technologieförderung des bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, die die Generation der über 50-jährigen Fachkräfte bei der Entwicklung von technologisch und wirtschaftlich risikobehafteten Gründungsvorhaben unterstützen soll.

Schließlich gibt es noch die bundesweite Initiative "Erfahrung ist Zukunft" der Bundesregierung, die über die Chancen und Perpektiven einer älter werdenden Gesellschaft informiert sowie Hinweise und Handlungshilfen für ältere Gründungswillige gibt.

Zwischenfazit:

In vielen europäischen Ländern vollzieht sich aktuell eine Verschiebung der Gründungszahlen hin zu den mittleren und älteren Bevölkerungsgruppen. Dennoch steht die Forschung über diese Zielgruppe europaweit noch am Anfang und ist stark ausbaufähig. Die Förderung der Gründungsbeteiligung von Menschen in der zweiten Lebenshälfte bildet ebenfalls ein sehr kleinen Teilbereich der europäischen Wirtschaftspolitik. Zwischen den europäischen Ländern sind allerdings große Unterschiede feststellbar: Während einige Staaten (beispielsweise Großbritannien) eine Vorreiterrolle in der Förderung von Menschen ab 45 Jahren eingenommen haben, herrscht in den meisten südeuropäischen Ländern (beispielsweise Spanien) erheblicher Nachholbedarf. Auch in Deutschland bilden Gründer in der zweiten Lebenshälfte trotz steigeder Anzahl ganz offensichtlich noch keine zentrale Zielgruppe für Maßnahmen und Initiativen zur Stärkung der Gründungsbeteiligung.

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