Gründer 45+: Einflussfaktoren für die Gründung
Gründer 45+: Einflussfaktoren für die Gründung
Die Forschung zu den "älteren" Gründern hat herausgefunden, dass sich die Gründungsdynamik bei einer altersdifferenzierten Betrachtung wie ein "umgedrehtes U" darstellt (Werner und Faulenbach, 2008). Die Gründungsneigung nimmt etwa ab dem 25. Lebensjahr zu, findet ihren Höhepunkt zwischen 35 und 45 Jahren oder zwischen 40 und 49 Jahren (Bönte et al., 2009, S. 280) 32 und fällt danach abrupt ab. Als zentrale Begründung wird angeführt, dass die Gründungsneigung vor allem aufgrund steigender Opportunitätskosten mit zunehmendem Alter nachlässt. "While entrepreneurial competencies increase with age, entrepreneurial intentions tend to decrease" (Kautonen, 2008, S. 5), wie vor kurzem in einer europäischen Analyse bestätigt wurde (Hatak et al., 2013). Diese Befunde sind angesichts der großen Heterogenität dieser Altersgruppe allerdings womöglich nicht differenziert genug.
Geschlecht und Gründungsneigung
Auch das Geschlecht übt theoretisch einen höchstsignifikanten Einfluss auf die Gründungsneigung aus. Denn Frauen ab 45 Jahren sind unter den Gründern und Selbstständigen deutlich unterrepräsentiert. Die Gründe dafür liegen laut einigen Autoren in sozialen und kulturellen Faktoren sowie in etablierten Alters- und Rollenbildern. "Explanations related to cultural and social factors affecting the perceptions of the appropriateness of career aspirations for women of older generations were discussed (McKay, 2001), as were factors related to the educational and occupational background of older female entrepreneurs" (Kautonen, 2008, S. 8).
Bei der Geschlechterfrage driften die empirischen Evidenzen aus der Forschung weit auseinander. Während einige Erhebungen auf die Unterrepräsentanz der Frauen ab 45 Jahren unter den Gründern verweisen (Engel et al., 2007, Trettin et al., 2007, Werner und Faulenbach, 2008), sind in den Untersuchungen anderer Autoren die Frauen unter den Gründern 45+ überrepräsentiert (z.B. Domröse und Heldner, 2007 sowie die RKW-Studie 2010).
Bildung und Gründungsneigung
Ein Faktor mit großem Einfluss auf die Gründungsneigung im mittleren und fortgeschrittenen Alter ist zweifelsohne die Bildung. In der Regel nimmt die Wahrscheinlichkeit der Unternehmensgründung mit dem Bildungsgrad zu, auch bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Das bedeutet, dass es im Gegensatz zum immer noch weit verbreiteten Klischee der „älteren Notgründer“ vornehmlich die höher qualifizierten Älteren sind, die den Schritt in die Selbstständigkeit oder zur Unternehmensgründung wagen, wie auch dem GEM 2012 zu entnehmen ist. In dieser Altersgruppe spielt die Berufserfahrung und -position eine besondere Rolle, denn beide Faktoren können gründungsförderlich sein.
Vorherige Gründungserfahrung ist entscheidend
Auch eine vorherige Gründungserfahrung erweist sich als positiver Einflussfaktor auf eine Gründung im mittleren und fortgeschrittenen Alter (Rotefoss und Volvereid, 2005, in Kautonen, 2008, S. 5). Ein interessantes und eher überraschendes Ergebnis ist der vor kurzem festgestellte "Einfluss der Familie, und im konkreten der Eltern, auf das unternehmerische Potenzial auch bei Spätgründungen" (Hatak et al., 2013, S. 22-23).
Weitere Faktoren, die den Weg von Menschen ab dem mittleren Alter in die Selbstständigkeit beeinflussen können, sind das persönliche Einkommen, der eigene Gesundheitszustand, die Karrieremöglichkeiten im vorherigen Beschäftigungsverhältnis und die Unterstützung durch das Umfeld. In der Gruppe der Chancengründer spielt auch die Aufstiegsorientierung eine wichtige Rolle.
Der Wunsch, aktiv zu bleiben, ist bei vielen Gründern in der Gruppe 45+ stark ausgeprägt und ist nicht unbedingt auf eine ökonomische Notlage zurückzuführen. Er zielt darauf ab, die eigenen Kompetenzen zu demonstrieren und den sozialen Status zu erhalten (Franke, 2012).
Gesellschaftliches Werte- und Normensystem
Zudem kann sich das gesellschaftliche Werte- und Normensystem positiv auf die Gründungsaktivität auswirken. Laut Untersuchungen aus Finnland spiegelt sich dies in der Lage der älteren Menschen am Arbeitsmarkt wider (Kautonen, 2008). So begünstigt eine hohe Erwerbsbeteiligung der älteren Altersklassen eine hohe Gründungsneigung derselben Gruppen, da sie als positives Zeichen der Akzeptanz dieser Menschen in der Gesellschaft interpretiert werden kann (Hatak et al., 2013; EU/OECD, 2013).
Warum ist die Selbstständigkeit für Gründer 45+ attraktiv?
Darüber hinaus ergeben sich aus der Selbstständigkeit bestimmte Vorteile für Gründer in den mittleren und älteren Jahren, die diese Option attraktiv machen (in Anlehnung an RKW-Studie 2010, S. 11, erweiterte Auflistung):
- Eine Gründung kann dazu verhelfen, das Einkommen aufzubessern oder die Zeit bis zum Renteneintritt zu überbrücken (finanzieller Gewinn)
- Die eigene Selbstständigkeit birgt die Chance, die berufliche sowie die gesellschaftliche Stellung zu erhalten oder sogar zu verbessern (sozialer Nutzen)
- Eine Gründung erlaubt es dem Betroffenen, mit flexiblen Arbeitszeiten zu arbeiten oder gegebenenfalls die Arbeitszeiten selbst einzuteilen und zu gestalten
- Aus der selbstständigen Tätigkeit kann eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Freizeit und Beruf (Work-Life-Balance) hervorgehen (familiäre Vorteile)
- Die Ausübung einer Berufstätigkeit auch in fortgeschrittenem Alter erhöht die Möglichkeit der Selbstverwirklichung und der Anerkennung der eigenen und gesellschaftlichen Wertschätzung (psychologische Vorteile). Dies ist gerade in der ältesten Zielgruppe ab 65 Jahren ein ganz entscheidender Faktor.
Weitere Einflussfaktoren auf die Gründungsneigung im Alter finden in der Literatur bislang kaum Berücksichtigung. Wenig erforscht wurde beispielsweise das regionale Umfeld, obwohl Gründung durchaus auch ein regionales Phänomen ist.
Forschungsbedarf zum Thema Gründer 45+:
Lohnenswert wäre zum Beispiel eine Analyse der Vorteile von Ballungsräumen für Unternehmensgründungen Älterer. Weitere Forschungsthemen oder Anregungen für die weitere Forschung sind: die langfristige Entwicklung von Unternehmensgründungen von Älteren im Vergleich zu Jüngeren, unter Berücksichtigung sektoraler und regionaler / wirtschaftsräumlicher Aspekte sowie Ländervergleiche in Bezug auf die Gründungsbeteiligung von älteren Menschen (Kautonen, 2008, Werner, 2009, Hatak et al., 2013).
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