Vorsicht Funkenflug! Damit der Stahlbauer WURST aus dem niedersächsischen Bersenbrück bei Osnabrück auch in Zukunft Stadiondächer in Bremen oder Forschungsstationen in der Antarktis bauen kann, muss der Funke der Begeisterung auch weiterhin auf die Fachkräfte von heute und morgen überspringen.
Hier kommen Christiane Füllgraf und ihr Team der Personalabteilung des knapp 250 mitarbeiterstarken Handwerksunternehmens ins Spiel, denn einfach ist das derzeit wahrlich nicht: „Es ist sehr schwierig, Leute zu finden. Der Arbeitsmarkt hat sich einfach ein Stück weit verändert. Früher haben die Bewerber gesucht, heute sind es die Unternehmen“, so die Personalleiterin. Konkret sei es bei der Rekrutierung die größte Herausforderung, „die jungen Leute dazu zu bringen, dass sie sich von uns und unseren Tätigkeitsfeldern angesprochen fühlen“.
Da es mit der Rekrutierung von Arbeitskräften aber schließlich nicht getan ist, sondern auch die Mitarbeiterbindung eine zentrale Säule der Fachkräftesicherung darstellt, hört Füllgraf immer mit mindestens einem Ohr in die Belegschaft hinein. „Schließlich ist es ebenfalls unsere Aufgabe als Personalabteilung, dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen“. Um diesem Anspruch gerecht zu werden sei es nötig, zu wissen, wie jeder Einzelne ticke, so Füllgraf – keine kleine Herausforderung, wie sie zugibt. Bei WURST geht es nämlich durchaus vielfältig zu. Teams mit unterschiedlichsten Migrationshintergründen und kulturellen Prägungen, einer ausgesprochene Altersdiversität und mit verschiedenen Bildungsbiografien sind keine Ausnahme. Das, was als ‚Vielfalt im Betrieb‘ oder ‚Diversity‘ bezeichnet wird, also unterschiedlichste Blickwinkel, Fähigkeiten und Bedürfnisse, die im Betrieb zusammenkommen, ist demnach kein unbekanntes Terrain für den niedersächsischen Handwerksbetrieb. Eine systematische Auseinandersetzung mit diesem Themenfeld hatte allerdings bisher nicht stattgefunden. Immer auf der Suche nach Inspiration für neue Maßnahmen zur Verbesserung des Personalmanagements, zeigte sich Füllgraf deshalb besonders interessiert an dem Handlungsfeld Personalarbeit des neuen INQA-Checks "Vielfaltsbewusster Betrieb". Sie setzte sich intensiv mit dem Kapitel auseinander und kam zu einigen vielversprechenden Erkenntnissen.
Wie vielfältig Vielfalt sein kann
Angesprochen auf Ihr Interesse an dem Instrument erklärte Sie, Vielfalt bedeute, dass ganz unterschiedliche Mitarbeiter zusammenarbeiten und sie auch bei der Rekrutierung ganz unterschiedliche Mitarbeiter suche. Deshalb mache es Sinn, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Bei der Bearbeitung des Checks fiel ihr zunächst die inhaltliche Herangehensweise positiv auf:
Ich fand es ganz wohltuend, dass es nicht nur darum ging ‚wie viele Frauen haben Sie oder wie halten Sie es dem Thema Migration im Unternehmen?‘, sondern dass es von den betrieblichen Handlungsfeldern ausgeht. So kommt man nämlich wirklich in die Tiefe und erkennt, wie vielfältig das Thema Vielfalt sein kann. Klar gibt es die Merkmale Geschlecht, Alter und so weiter. Doch im Grunde genommen unterscheiden wir uns ja alle voneinander. Deshalb sollte man nicht so sehr darauf schauen, was jemand warum nicht kann, sondern erstmal auf die Potenziale schauen und dann überlegen, wie sich die Zusammenarbeit organisieren lässt."
Wo identifizierte die Personalleiterin Handlungsbedarf und welche Maßnahme formulierte sie in der Folge?
Aufgrund der bereits ziemlich diversifizierten Rekrutierungsstrategien bewertete Füllgraf den Checkpunkt ‚Personal finden‘ mit grün – also kein Handlungsbedarf. Dennoch bestätigte sie mehrmals die Wichtigkeit einer vielfaltsbewussten Personalrekrutierung. Allein schon, da man so Mitarbeiter bekommt, die gerade weil sie möglicherweise in bestimmter Hinsicht anders sind als andere Beschäftigte, eine Bereicherung für den Betrieb sind. Gegenwärtig beschäftigt sie sich beispielsweise mit der Arbeitsplatzgestaltung für einen zukünftigen Mitarbeiter mit Behinderung. Das sei sehr spannend und alle Beteiligten lernten viel dabei, so Füllgraf.
Die Themenfelder ‚Personal binden‘ und ‚Personal einsetzen‘ hingegen brachten sie dann auf eine Idee, die sie nicht mehr loslassen sollte. Gezieltes Mentoring im Sinne von Tandems könnte Mitarbeitern dabei helfen, die vielfältigen Blickwinkel, Fähigkeiten und Bedürfnisse der jeweils anderen (Gruppen) besser zu verstehen. So sei die Kommunikation zwischen den Generationen nämlich die größte Herausforderung im Zusammenhang mit Vielfalt:
Wir stellen immer häufiger fest, wie unterschiedlich unsere jungen Mitarbeiter im Vergleich zu den älteren ticken. Von den jungen Leuten wird einfach viel mehr hinterfragt, so wurden sie ja auch sozialisiert. Das kennen und verstehen vielleicht auch viele Ältere nicht. Zum Teil prallen da wirklich Welten aufeinander."
Von einem gezielten Zusammenbringen von Jung und Alt im Sinne von Tandems verspricht sich Füllgraf positive Effekte auf verschiedenen Ebenen. So hofft sie, dass die beiden Generationen ein paar Schritte aufeinander zu machen könnten und dadurch die Perspektive des jeweils anderen zu schätzen lernen.
Es wäre wünschenswert, wenn die Jüngeren bisweilen mehr Vertrauen in das Erfahrungswissen der Älteren hätten. Den Älteren hingegen muss aufgezeigt werden, welches Potenzial eine wissbegierige und selbstbewusste jüngere Generation mitbringt. Richtig kanalisiert, kann das ja große Vorteile haben."
Auch für die Integration von ausländischen Mitarbeitern – ein ihrer Einschätzung nach in den nächsten Jahren ein immer wichtiger werdendes Arbeitskräftepotenzial – erhofft sie sich durch eine Mentor-Mentee-Struktur, dass zum Beispiel Sprachbarrieren schneller abgebaut werden können.
Da sich das Unternehmen gegenwärtig sowieso intensiv mit der Frage beschäftigt, wie das Erfahrungswissen der demnächst aus der Erwerbstätigkeit ausscheidenden Generation im Betrieb gehalten werden kann, schlugen die Anregungen des INQA-Checks bezüglich dieser Thematik in genau die richtige Kerbe – auch in Hinblick auf die Personalentwicklung:
Nehmen wir das Beispiel eines routinierten Schweißers in der Fertigung, der jetzt einen jungen Kollegen an die Hand bekommt. Möglicherweise entpuppt sich der Schweißer als hervorragender Erklärer – etwas, was vorher nie aufgefallen ist. Oder er zeigt ihm Dinge, die er in seinem Berufsalltag pausenlos anwendet, von denen aber bisher niemand wusste und die sich noch niemand von ihm abgeschaut hat. Insofern sähe ich, jetzt wo ich drüber nachdenke, viele spannende Möglichkeiten, wo diese schlafenden Kompetenzen sichtbar gemacht werden könnten.“
Am Ende war Christiane Füllgraf sehr zufrieden mit den Impulsen, die ihr der Check geben konnte. Wir werden in ein paar Monaten gespannt nachhaken, ob das Tandem-Projekt erfolgreich implementiert wurde und welche Erfahrungen WURST Stahlbau damit machte.
Wir danken Christiane Füllgraf und der WURST Stahlbau GmbH für das offene Gespräch und die Bereitschaft die Bearbeitung des INQA-Checks „Vielfaltsbewusster Betrieb“ mit uns und Ihnen zu teilen!
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